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 Betreff des Beitrags: Ein schweres Erbe (Janne Ahonen)
BeitragVerfasst: Do 16. Apr 2009, 06:54 
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Bakken Putzer

Registriert: Di 16. Sep 2008, 22:14
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Kleine Anmerkung: Wir stellen uns bitte vor, dass Janne noch springt und kein Kind mit Tiia hat!
Danke :)


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 Betreff des Beitrags:
Verfasst: Do 16. Apr 2009, 06:54 


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein schweres Erbe (Janne Ahonen)
BeitragVerfasst: Do 16. Apr 2009, 06:54 
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Bakken Putzer

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Teil 1

Wie benommen verließ ich das Büro des Notars. Ich hatte damit gerechnet Alleinerbin des Nachlasses meiner Eltern zu sein, von einem halben Haus etwas außerhalb von Lahti hatte ich jedoch nichts gewusst. Es hatte meinem Vater gehört und da ich das einzige Kind war, war es nun, wie auch alles andere, in meinen Besitz übergegangen.
Doch all das interessierte mich im Augenblick nicht. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass meine Eltern aus irgendeinem Grund massig Geld auf der hohen Kante liegen hatten. Ich würde all das Geld und all die anderen Dinge, die sie mir hinterlassen hatten eintauschen, wenn ich meine geliebten Eltern nur wiederbekäme.
Knapp 10 Tage war es her, als die Polizei plötzlich vor unserem Haus stand und mir mitteilte, das Auto meiner Eltern wäre von der glatten Fahrbahn gerutscht und in einen See gerutscht. Sie waren jämmerlich im eiskalten Wasser ertrunken.
Ich schüttelte den Kopf und nahm mir ein Taxi. Ich wollte nur noch nach Hause und meine Ruhe haben. Nicht mehr an das denken was war. Allerdings wurde ich seit dem Unfall das Gefühl nicht mehr los, kein Zuhause mehr zu haben. Alles, aber auch alles erinnerte mich an meine Eltern. Der eklige Käse im Kühlschrank, den ich nie mochte, den ich mich aber auch nicht traute wegzuwerfen. Die leicht staubige Mattscheibe des Fernsehers, die ich mich aber nicht traute abzustauben. Die eine tote Fliege, die an der veralteten Tageszeitung klebte. Das benutzte Pflaster, das im Bad auf dem Rand des Waschbeckens lag, sogar das Buch, das nicht so korrekt im Regal stand wie die anderen. Es machte mich fertig, aber ich konnte nichts dagegen tun.

Im Haus meiner Eltern verkroch ich mich wie jeden Tag in ihrem Schlafzimmer und kuschelte mich unter die Decken. Hier hatte ich das Gefühl ihnen ganz nahe zu sein, fast so als würden sie neben mir liegen. Ich atmete ihren Geruch ein und sobald ich die Augen schloss sah ich sie vor mir. Sie lachten und sahen sich an. Nicht selten hatte ich das Gefühl, dass sie sich genauso benahmen wie zu der Zeit, als sie sich kennengelernt hatten. Meine Eltern führten in meinen Augen die perfekte Beziehung, die perfekte Ehe. Zwar stritten sie auch, aber sie ertrugen es nicht lang verkracht zu sein. Sie sahen sich immer so verliebt an und für mich bestand nie ein Zweifel daran, dass sie füreinander bestimmt waren.
Wie immer wenn ich an die beiden dachte kamen mir die Tränen und die Verzweiflung überrollte mich wie eine Welle, die mich zu ertränken drohte. Ich hatte das Gefühl nicht mehr atmen zu können, als würde mein Brustkorb von einer eisernen Hand zusammengedrückt. Manchmal war es, als ob eine brennende Hand in mein Fleisch stoßen würde und mir mein Herz herausriss.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein schweres Erbe (Janne Ahonen)
BeitragVerfasst: Do 16. Apr 2009, 06:55 
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Bakken Putzer

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Teil 2

Die nächsten Tage klingelte es des Öfteren an der Tür, aber ich öffnete nie. Ich hatte einfach keine Kraft mich irgendjemandem gegenüber zu rechtfertigen, warum ich mich einigelte und still vor mich hin litt. Ich wollte nicht getröstet werden, ich wollte keine aufmunternden Sprüche, keine Versprechungen dass alles gut werden würde. Ich wollte meine Ruhe, wollte den Schmerz spüren, denn er gab mir das Gefühl noch am Leben zu sein.
Seit Tagen stand ein Glas Wasser mit einer Schachtel Schlaftabletten daneben auf dem Wohnzimmertisch. Oft saß ich stundenlang davor. Aber ich schaffte es einfach nicht sie zu nehmen, auch wenn sie mich zu meinen Eltern gebracht hätten. Und das war alles, was ich wollte. Doch ich hatte dieses seltsame Gefühl in mir, dass ich nicht sterben sollte. Ich hatte diese Vorahnung, dass noch irgendetwas auf mich wartete.
Als ich eines Tages den Müll rausbrachte, Pizzakartons und sonstiger FastFood-Müll nervte mich, stand plötzlich meine Tante Erja vor mir. "Kaija, warum nur hast du dich so lange eingesperrt?" Sorgenvoll sah sie mich an und ich brachte ein kleines Lächeln zustande. Wahrscheinlich das erste seit Wochen. "Ich möchte einfach niemanden sehen." Meine Stimme hörte sich seltsam fremd an und auch Erja schien zuerst irritiert. Ich war selbst erstaunt wie sehr die eigene Stimme außer Übung kommt, wenn man ein paar Wochen nicht spricht. "Nicht mal mich?" Erja klang enttäuscht, das war kein Wunder. Sie war die Schwester meiner Mutter, beide hatten ein prima Verhältnis zueinander und sie war meine Lieblingstante. Ich sah sie entschuldigend an und schüttelte den Kopf. Sie nickte und holte tief Luft. "Kaija, ich hab meine Schwester verloren. Glaub mir, auch für mich ist das nicht leicht. Aber ich habe ihr geschworen mich um dich zu kümmern, sollte ihr etwas passieren." Entsetzt sah ich sie an. "Ihr habt darüber gesprochen? Ihr habt ausgemacht was passiert wenn sie stirbt?" Beruhigend fasste Erja mich am Arm. "Kaija, das haben wir schon besprochen als sie dich das erste Mal im Arm hielt. Man möchte nie glauben, dass einem selbst etwas passiert. Aber du siehst wie schnell es gehen kann. Sowas macht man einfach um für den Notfall abgesichert zu sein." Ich nickte hektisch und versuchte mich zu beruhigen. Sie hatte ja Recht. "Ich hab ihr versprochen mich um dich zu kümmern. Jedes Jahr an deinem Geburtstag musste ich dieses Versprechen wiederholen." Ich schluckte. Drei Tage vor dem Unfall war ich 22 geworden.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein schweres Erbe (Janne Ahonen)
BeitragVerfasst: Do 16. Apr 2009, 06:55 
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Bakken Putzer

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Teil 3

Erja kam mit ins Haus und ohne ein Wort des Vorwurfs fing sie an aufzuräumen. Ich sah mich um und erschrak beinahe beim Anblick des Hauses. Mit einem bitteren Geschmack auf der Zunge dachte ich, dass meine Mutter sich im Grab umdrehen würde, wenn sie ihr Haus in diesem Zustand sehen würde. Wochenlang hatte ich nichts getan und dementsprechend sah es aus. Stillschweigend fing ich an Erja zu helfen. Als sie auf die Schlafzimmertür zuging um dort nach dem rechten zu sehen schoss meine Hand an ihr vorbei und zog die Tür wieder zu. Ich versperrte ihr zitternd den Weg. "Da darfst du nicht rein. Das ist ihr Schlafzimmer. Sie müssen doch auch ein bisschen Privatsphäre haben. Es soll niemand in ihr Schlafzimmer gucken." Ich biss mir auf die Lippe, doch die Tränen ließen sich nicht aufhalten. Weinend rutschte ich an der Tür hinunter und schlug die Hände vors Gesicht. Erja ließ sich neben mir nieder und nahm mich in den Arm. "Okay ich gehe nicht in ihr Schlafzimmer. Du hast vollkommen Recht, das geht mich nichts an." Lange saßen wir so und irgendwann merkte ich, dass auch Erja weinte. Es dauerte ewig bis wir uns einigermaßen beruhigt hatten. Und trotz dieser schrecklichen Situation lächelte Erja mich an. "Tut doch gut nicht immer allein zu weinen, oder?" Ich nickte und lehnte mich an sie. "Es tut so weh. Jedes Zimmer, jeder verdammte Gegenstand erinnert mich an sie. Am liebsten würde ich alles wegwerfen um nicht dauernd dran denken zu müssen." Aber so einfach war das nicht. Ich hatte Angst meine Eltern zu vergessen. Deshalb würde ich nicht ein Kleidungsstück, nicht einen Schmierzettel wegwerfen können.
"Und wenn du ausziehst? Du könntest..:" - "Niemals", unterbrach ich Erja. "Ich kann das Haus nicht verkaufen. Hier sind die Erinnerungen an Mum und Dad so lebendig wie sonst nirgends. Es würde mir das Herz brechen, wenn hier andere Leute wohnen würden." Liebevoll strich Erja mir über das Haar. "Wer spricht denn von verkaufen? Du kannst alles lassen wie es ist. Die Möbel werden mit Laken abgedeckt und fertig. Kaija, mit dem Geld kannst du ein schönes Leben führen. Ich weiß, dass du nicht wusstest, dass dein Vater so gut verdient. Sie wollten aus dir keine verzogene neureiche Göre machen, deshalb haben sie dir das Geld verschwiegen. Aber jetzt hast du es und ich bin mir sicher du weist damit umzugehen. Nimm die wichtigsten Sachen mit und zieh in das halbe Haus, das sie dir vererbt haben. Es ist wirklich wunderschön dort." Fragend sah ich sie an und sie nickte. "Natürlich kannte ich es. Es sollte ihr Alterssitz werden. Ich glaube du würdest dich dort wohlfühlen. Wenn du willst zeige ich es dir."


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein schweres Erbe (Janne Ahonen)
BeitragVerfasst: Do 16. Apr 2009, 06:56 
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Bakken Putzer

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Teil 4

Eine Woche später hatte ich mich dazu durchgerungen, das Haus wenigstens einmal zu besichtigen. Als wir drauf zufuhren war ich äußerst überrascht. Ich hatte mit einem ganz normalen Haus gerechnet, so wie es unseres war. Doch es erinnerte eher an ein altes, durchaus gut erhaltenes Herrenhaus aus einem Film. Das schwere Eisentor zu Begin der Auffahrt stand weit offen. Wir fuhren eine mit Kies bestreute Auffahrt gesäumt von einer kleinen Buchsbaumhecke entlang. Vor dem Eingang war ein wunderschön bepflanztes Blumenbeet um das Erja galant herumfuhr und schließlich anhielt. Wir stiegen die Stufen zu der riesigen Tür hinauf, Erja zog einen Schlüssel aus der Tasche und schon standen wir in einer riesigen Eingangshalle. Gegenüber der Tür führten zwei imposante Treppen in die zwei verschiedenen Flügel des Hauses. In der Mitte trafen sie zusätzlich zusammen. Ich fühlte mich wie in einem Märchenschloss und trat in die Mitte der Halle. Die Kuppel der Eingangshalle war wunderschön bemalt. Erja trat neben mich. "Wunderschön nicht?" Ich war sprachlos und nickte. Mein Blick wanderte wieder zu den Treppen. "Du könntest dir aussuchen in welchem Flügel du wohnen möchtest, beide sind identisch."
"Wem gehört die andere Hälfte des Hauses? Ich hab bei der Testamentseröffnung nicht ganz zugehört." Wieder lächelte Erja mich an und legte mir den Arm um die Schultern. "Die andere Hälfte gehört mir!"
Erja führte mich durch das Haus und ich war mehr und mehr begeistert. Es war wunderschön. In der Einrichtung einiger Zimmer erkannte ich den Stil meiner Mutter. Es war perfekt. Ich spürte die Anwesenheit meiner Eltern, jedoch war es nicht so quälend wie zu Hause. Ich entschloss mich noch während unserer kleinen Besichtigungstour dafür, wirklich umzuziehen. Es wunderte mich, wie schnell ich mich dazu entschloss. Aber Erja schien sehr froh darüber zu sein.
"Erja, ziehst du auch hier ein?" Der Gedanke allein in diesem riesigen Haus auf diesem noch viel riesigerem Grundstück zu leben stimmte mich leicht ängstlich. Zu meinem Bedauern schüttelte Erja den Kopf. "Du weißt, wir haben das Haus erst bauen lassen." Ich hatte mir fast gedacht das Lasse, Erjas schwedischer Mann, nicht aus dem neugebauten, von ihm entworfenen Haus ausziehen würde.
"Ich dachte ich könnte meine Hälfte vielleicht vermieten? An jemanden der sich um alles etwas kümmern kann. Damit du hier nicht so allein wohnen musst. Was hältst du davon?" Ich zuckte ratlos mit den Schultern. Begeistert war ich nicht, aber ich wollte meiner Tante auch keine Szene machen. Ich verstand es, dass sie nicht mit ihrer Familie hier herziehen würde.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein schweres Erbe (Janne Ahonen)
BeitragVerfasst: Do 16. Apr 2009, 06:56 
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Bakken Putzer

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Teil 5

Erja war für mich Gold wert. Allein hätte ich es nie geschafft im Haus meiner Eltern alles zusammenzupacken, was ich mitnehmen wollte. Und noch schlimmer war es, ihre Sachen zusammenzupacken, einzumotten oder abzudecken. Das meiste übernahmen Erja und Lasse und ich war ihnen dankbar dafür, dass ich sie mit der Arbeit allein lassen konnte und mich in den Garten an den kleinen Teich verziehen konnte. Trotz der Kälte war es schön auf der kleinen Bank zu sitzen und auf das gefrorene Wasser zu blicken.
Gemeinsam mit den beiden ging ich ein letztes Mal durch mein altes Zuhause und schloss endgültig die Tür zu. Erja versprach ab und an nach dem rechten zu sehen, denn sie wohnten nun weitaus näher dran als ich. Das Gut, wie ich mein neues Zuhause mittlerweile nannte, war wirklich weit ab vom Schuss und ich war froh die Strecke nicht dauernd bewältigen zu müssen.
"So, das war’s dann wohl." Etwas verloren stand ich an der Gartenpforte und betrachtete das letzt mal mein geliebtes Elternhaus. Lasse legte mir tröstend eine Hand auf die Schulter und dirigierte mich zum Auto. "Auf zum Gut!"
Lasse fuhr langsam die Straße hinunter und sah mich durch den Rückspiegel an. "Wieso nennst du das Haus 'das Gut'? Ich meine es ist schon groß...Aber wie ein Gut?" Leicht lächelte ich ihn an. "Du warst wahrscheinlich viel zu begeistert von deinem eigenen Haus oder? Bist du mal um das Gebäude rumgegangen und hast dir das ganze Grundstück angesehen?" Lasse schüttelte den Kopf. "Das solltest du tun. Das muss früher wirklich mal sowas wie ein Herrenhaus gewesen sein. Da ist ein kleiner Stall und eine Scheune mit altem Krempel drin. Ziemlich spannend." Lasse sah mich über den Spiegel erstaunt an und Erja musste ihn darauf aufmerksam machen, dass es eventuell besser ist während der Fahrt auf die Straße zu schauen.

Auf dem Gut halfen Erja und Lasse mir lediglich alles in die Eingangshalle zu tragen. Ich wollte mich in Ruhe und allein einrichten um mich wirklich wohl zu fühlen. Zeit hatte ich sowieso genug. Als ich mit der Schule fertig war hatte ich gejobbt, da ich darin die beste Möglichkeit sah mich für einen Beruf zu entscheiden. Allerdings hatte man mir mittlerweile gekündigt. Anfangs hatte man mir natürlich freigegeben, aber nach den vielen Wochen die ich nicht zur Arbeit ging konnte ich es ihnen nicht mal verübeln. Erja hatte mich dann in einem langen Gespräch davon überzeugt, dass ich akzeptieren musste was geschehen war und dass meine Eltern nicht wiederkommen würden. „Du solltest dir eine Auszeit nehmen. Mit dem Geld deiner Eltern kannst du dir das locker leisten. Fang wieder an zu arbeiten wenn du dich bereit dafür fühlst. Deine Eltern würden wollen, dass du das Geld zur Hilfe nimmst. Du kannst locker von den Zinsen leben.“ Das und noch viel mehr hatte sie zu mir gesagt. Und ich sah ein, dass sie Recht hatte. Selbst wenn ich monatlich nur die Zinsen rechnete, die das Geld meiner Eltern abwarfen, konnte ich davon im absoluten Luxus leben.

Die nächsten zwei Wochen tat ich also nichts anderes als eine Kiste nach der anderen in irgendeins der vielen Zimmer zu bringen und auszuräumen oder irgendwo mit einem Foto in der Hand zu sitzen und um meine Eltern zu trauern. Jeden Tag meldete ich mich bei Erja, denn trotz allem machte sie sich immer noch Sorgen um mich. Und damit sie mich nicht dauernd besuchen kam rief ich sie so oft an.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein schweres Erbe (Janne Ahonen)
BeitragVerfasst: Do 16. Apr 2009, 06:56 
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Bakken Putzer

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Teil 6

Als ich alles eingerichtet hatte besah ich mir das Grundstück genauer. Es war wirklich riesig und teilweise sehr verwildert. Ich streifte tagelang über die zugewachsenen Wiesen und das zum Grundstück gehörenden Stück wilden Waldes und genoss die Atmosphäre. Als Erja und Lasse mich besuchten schwärmte ich regelrecht von meinem neuen Zuhause und beide wirkten erleichtert. „Kaija, vielleicht solltest du trotzdem mal jemanden kommen lassen, der sich ein bisschen um das Grundstück kümmert. Es ist ja schön und gut und vielleicht sogar romantisch wenn alles wild wächst, aber wenn du gar nichts tust kannst du nächstes Jahr um diese Zeit nicht mehr über Wiesen und durch den Wald schlendern, weil alles so zugewachsen ist, dass du nicht durchkommst. Außer du hast eine Machete.“ Lasses trockener Kommentar ließ mich kurz auflachen und ich konnte sehen, dass seine Augen erfreut aufleuchteten, während Erjas feucht zu werden schienen. Ich fragte mich, ob die beiden sich mehr Sorgen machten als ich ahnte und hatte zum ersten Mal den Gedanken sie nicht enttäuschen zu dürfen und nahm mir vor daran zu arbeiten, mein Leben wieder in den Griff zu kriegen. „Aber das kann ich doch selbst machen. Ich habe so viel Zeit.“ Lasse grinste und schüttelte den Kopf. „Du hast noch weniger Ahnung von Gartenpflege und Grünzeug als ich.“ Das stimmte und das wollte etwas heißen. „Ja du hast Recht. Jetzt muss ich nur noch jemanden dafür finden.“ Lasse wollte mir behilflich sein, aber ich hatte schon eine andere Idee und sagte, er solle mich mal machen lassen.

Am nächsten Tag fuhr ich mit dem Rad zum Bus und mit dem in die Stadt. Es war das erste Mal seit langem, das ich unter so vielen Menschen war und ich fühlte mich leicht unwohl. Meine Eltern waren hier recht bekannt gewesen und ich erntete viele mitleidige Blicke. Als ich vor dem Arbeitsamt stand atmete ich einmal tief ein und aus und ging zur Information.
Wenige Minuten später betrat ich das Büro einer älteren, aber sympathisch wirkenden Frau. Sie stellte sich vor und fragte nach meinem Anliegen. „Ich will es kurz machen, ich suche jemanden für meinen Garten.“ Die Dame zog skeptisch die Augenbrauen hoch. „Ich glaube kaum, dass wir jemanden finden der für ein paar Cent Balkonkästen pflegt.“ Sie klang nicht unfreundlich und ich konnte ihr ihre Antwort nicht verübeln, denn sie dachte bestimmt ich wäre eine Studentin. „Nein, das ist mir klar. Ich habe vor einigen Wochen ein Haus mit einem riesigen verwilderten Grundstück geerbt und brauche jemanden, der das ganze ein bisschen in Ordnung hält. Das nötige Kleingeld um jemanden zu bezahlen habe ich auch.“ Zur Bestätigung legte ich ihr entsprechende Unterlagen vor. Nachdem sie diese geprüft hat lächelte sie mich freundlich an. „Ich denke da lässt sich jemand finden. Was haben sie für Vorstellungen außer jung, dynamisch und arbeitsfreudig?“ Ich schüttelte den Kopf. „Eigentlich suche ich eher jemanden, der Berufserfahrung hat und aufgrund seines Alters schwer vermittelbar ist. Ich möchte jemandem eine Chance geben.“ Die Dame wirkte überrascht aber bestätigte mir, dass sie die Idee sehr gut fand.“ „Es sollte mehr Menschen mit der Auffassung geben.“ Sie gab entsprechendes in ihren PC ein und druckte mir 2 Profile von Arbeitssuchenden aus. „Ich kann gerne mit beiden ein Vorstellungsgespräch für sie ausmachen.“ Wir vereinbarten einen Termin und sie versprach sich telefonisch zu melden wenn sie die Rückmeldungen der beiden Gärtner hatte.“


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein schweres Erbe (Janne Ahonen)
BeitragVerfasst: Do 16. Apr 2009, 06:57 
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Bakken Putzer

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Teil 7

Drei Tage später wartete ich vor dem Haus auf die beiden Bewerber. Ich war nervös, denn wenn mir beide sympathisch waren würde mir die Entscheidung schwer fallen. Zum einen war da Ari. Er war 47, hatte zwei noch schulpflichtige Kinder und war schon seit 8 Jahren arbeitslos. Der andere war Sergej, ein russischer Einwanderer der seit 20 Jahren in Finnland lebte, seit 12 Jahren arbeitslos war und mit 61 Jahren keine Chance mehr auf einen Job hatte.
Beide waren wohl gleichzeitig angekommen, denn ich sah sie zusammen staunend die Auffahrt hochkommen. Wir begrüßten uns und ich bemerkte ihre skeptischen Blicke.
„Sie denken jetzt bestimmt, dass hier soll ein Witz sein.“ Beide nickten und ich grinste. „Keine Sorge, das ist es nicht. Ich habe die Hälfte dieses Hauses und des Grundstücks geerbt, sowie genug Geld um einen Gärtner einzustellen, das versichere ich Ihnen. Entsprechende Unterlagen sind beim Arbeitsamt vorgelegt worden, sonst hätte man mich dort abgewiesen, darauf können sie sich verlassen.“ Beide nickten und sahen mich weiter erwartungsvoll an. Die Tatsache, dass bis auf den Namen noch keiner der beiden ein Wort gesagt hatte machte mich noch nervöser.
„Nun ja. Wie schon gesagt suche ich jemanden, der sich hier um alles kümmert. Am besten zeige ich ihnen das Grundstück und erkläre dabei alles.“ Wieder nickten beide nur und folgten mir. Nach dem Rundgang, den ich so klein wie möglich gehalten habe, setzten wir uns auf die Terrasse und tranken Kaffee. Beide waren sichtlich erstaunt, denn wenn man vor dem Haus stand vermutete man dahinter kein so großes Grundstück. „Die Aufgabe wäre sehr einfach. Ich will, dass alles halbwegs in Ordnung gehalten wird ohne dass es super gepflegt wird. Ich mag dieses wild-romantische und will eigentlich nur verhindern, dass alles total zuwächst. Aufgrund der Größe des Anwesens denke ich jedoch, dass die Arbeit für eine Ganztagsstelle gewährleistet ist.“ Wieder nickten beide nur und innerlich raufte ich mir die Haare.
„Okay ich lege die Karten auf den Tisch, ich weiß nicht genau wonach ich entscheiden soll wen ich von Ihnen einstellen soll. Oder würde einer von ihnen die Arbeit nicht machen wollen?“ Beide schüttelten den Kopf. Hilflos legte ich die Hände in den Schoß, denn ich wusste nicht weiter. Irgendwie musste ich das Eis zwischen uns brechen. „Haben Sie vielleicht noch irgendwelche Fragen?“ Sergej schüttelte den Kopf, Ari jedoch schien zu überlegen. „Wenn Sie erlauben, wer hat einem jungen Ding wie Ihnen dies alles vererbt?“ Schlagartig griff wieder diese eiserne Hand um mein Herz und ich begann zu erzählen. Beide wirkten sehr betroffen, doch anscheinend war das Unwohlsein auf beiden Seiten verschwunden und Ari half mir weiter. „Vielleicht sollten wir erzählen, was wir hier ändern würden.“ Ich nickte und forderte beide auf. Es entstand ein interessantes Gespräch, denn als Ari anfing aufzuzählen was er alles machen würde fiel Sergej ihm ins Wort um zu sagen was weshalb vielleicht besser anders gemacht werden sollte. Zuerst hatte ich einen kurzen Schock bekommen, weil ich dachte die beiden würden vielleicht streiten, doch sie diskutierten fachmännisch alles aus und beantworteten mir meine Fragen genau und verständlich, sobald ich ihrem Gespräch nicht mehr folgen konnte.
Als es daran ging beide zu verabschieden sah ich sie wehmütig an. „Ehrlichgesagt hatte ich gehofft einen von Ihnen nicht zu mögen aber sie beide machen mir die Entscheidung wirklich schwer. Ich werde ein paar Nächste drüber schlafen und mich Anfang nächster Woche bei Ihnen beiden melden.“


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein schweres Erbe (Janne Ahonen)
BeitragVerfasst: Do 16. Apr 2009, 06:57 
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Bakken Putzer

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Teil 8

Die nächsten Tage und Nächte quälte ich mich mit der Frage, wen von beiden ich einstellen sollte. Ich war nahezu erleichtert, als am Samstag Erjas Auto die Auffahrt hochfuhr, denn sie konnte mir bestimmt einen Rat geben. Doch sie war nicht allein, mit ihr stieg ein junger Mann aus dem Auto. Ich ging beiden entgegen und Erja schloss mich in ihre Arme. „Kaija, das ist Janne. Janne, das ist Kaija, meine Nichte von der ich dir so viel erzählt hatte.“ Wir begrüßten uns und ich war gespannt, warum sie ihn mitgebracht hatte. „Kaija, du weißt ich hätte es gerne, wenn hier draußen außer dir noch jemand wohnen würde. Ich will Janne das Haus zeigen.“ Ich nickte und die beiden gingen auf Besichtigungstour.

Währenddessen kochte ich Kaffee und deckte für drei Personen auf der Terrasse. Nachdenklich saß ich da und überlegte, was ich von der ganzen Aktion halten sollte. Bislang hatte ich mich allein ganz gut gefühlt, aber dieser Janne war mir auf den ersten Blick zumindest nicht unsympathisch und vielleicht konnte ich mit ihm gut auskommen. Als beide wiederkamen setzten sie sich zu mir und Erja nahm meine Hand. „Janne würde gerne hier einziehen.“ Zu Janne gewandt sagte sie: „Du verstehst hoffentlich, dass ich das nicht alleine entscheiden kann. Letztendlich ist es Kaija, die mit dir unter einem Dach leben muss und umgekehrt.“ Auffordernd sah sie mich an. „Naja... Wir kennen uns ja gar nicht, was soll ich sagen?“ Erja lächelte. „Vielleicht zeigst du Janne ein bisschen das Grundstück hinterm Haus, in dem Gestrüpp kennst nur du dich aus, ich würde mich verlaufen.“ Ich nickte und forderte Janne auf mir zu folgen.

Als wir die Terrasse verließen hielt ich mich rechts und zeigte Janne zuerst ein paar Wiesen, dann machten wir einen kurzen Abstecher in den Wald und um den Kreis zu schließen zeigte ich ihm den Stall und die Scheune mit dem wirklich in die Jahre gekommenen Inventar. Jannes Augen waren mittlerweile recht groß geworden und fingen begehrlich an zu glitzern, als er die alten Traktoren sah. „Wahnsinn, das muss wie ein Traum sein hier zu leben. Wenn ich die alten Dinger sehe juckt es mich in den Fingern daran rumzubasteln.“ Ich lächelte ihn an und wir verließen die Scheune. „Tu dir keinen Zwang an, an den Traktoren kannst du dich von mir aus nach Belieben auslassen.“ Janne nickte grinsend und blieb dann plötzlich stehen und sah mich verwirrt an. „Wie jetzt? Heißt das, ich darf hier einziehen?“ – „Also von mir aus spricht nichts dagegen!“ Seinem Gesichtsausdruck zu folgen fiel Janne ein Gebirge vom Herzen, denn er lächelte tierisch breit, hob mich hoch und wirbelte mich durch die Luft. Als er mich abgesetzt hatte kratzte er sich verlegen am Kopf. „Tut mir leid, aber ich freue mich einfach so.“ Ich wank ab und wir gingen wieder zu Erja.

Auch diese war sichtlich erleichtert und beglückwünschte Janne. Dann öffnete sie ihre Tasche und zog einen Mietvertrag heraus und gab ihn Janne zum durchlesen. „Moment mal Erja, ich glaube bei dem Mietpreis hast du dich vertippt.“ Er reichte das Dokument an meine Tante weiter, die warf einen kurzen Blick darauf und schüttelte lachend den Kopf. „Nein Janne, der Preis ist schon richtig. Hör mal, wir kennen uns seit Jahren und ich will nicht an dir verdienen. Das was du an Miete zahlst kommt auf ein Konto um einen Notgroschen zu haben, falls am Haus etwas gemacht werden muss. Viel wichtiger ist mir, dass du ein Auge auf Kaija hast. Nur deshalb vermiete ich meine Hälfte.“ Janne bedankte sich nochmal und stellte einige Fragen bezüglich des Vertrages. Letztendlich wurde er jedoch von beiden unterschrieben und Janne war offiziell sowas wie mein Mitbewohner. „Eine Frage habe ich doch noch. Die alten Traktoren in der Scheune... Kaija hat nichts dagegen, wenn ich daran rumschraube. Was sagst du?“ – „Ach Janne, mach was du willst. Mit meiner Unterschrift habe ich dir meine Rechte an allem hier vermietet und solange Kaija mit allem einverstanden ist was du hier machst ist es mir ziemlich egal. Frag mich um Erlaubnis wenn du vorhast einen Pool oder irgendetwas anderes zu bauen.“ Janne grinste und bedankte sich ungefähr zum hundertsten Mal bei Erja und mir.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein schweres Erbe (Janne Ahonen)
BeitragVerfasst: Do 16. Apr 2009, 21:20 
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Bakken Putzer

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Teil 9

Am nächsten Abend kam Janne mit den ersten Kisten angefahren. Er hatte mir erzählt, dass er so schnell wie möglich einziehen wollte, da seine Exfreundin noch in seinem Haus wohnte und er so schnell wie möglich da raus wollte. Während ich ihm half einige Kisten ins Haus zu schleppen fragte ich ihn etwas aus. „Sag mal, wenn das dein Haus ist, in dem ihr bis jetzt gewohnt habt... Wieso lässt du sie nicht ausziehen?“ Janne stellte schnaufend die Kiste ab, wischte sich den Schweiß von der Stirn und nahm einen kräftigen Schluck aus der Wasserflasche. „Weißt du, wir sind nicht im bösen auseinander gegangen. Wir wollen Freunde bleiben, denn wir waren seit der Schulzeit zusammen. Naja und während ich das Haus bauen ließ hat sie sich um alles gekümmert, weil ich beruflich unterwegs war. Sie hat dafür gesorgt, dass alles rechtzeitig fertig wird, dass mich keine der Firmen hinters Licht führt und sie hat das Haus eingerichtet. Ich liebe das Haus, wirklich. Immerhin habe ich es mit Tiias Hilfe entworfen. Aber ansonsten hab ich es nur bezahlt, alles andere hat sie gemacht und daher ist es irgendwie auch ihr Haus. Weißt du, wir wollten heiraten und Kinder kriegen und so und sie hat wirklich viel für mich aufgegeben, nur damit wir uns auch während der Saison häufig sehen konnten. Deshalb lasse ich ihr das Haus.“ Gespannt hatte ich ihm zugehört und war wirklich überrascht. „Du hast ihr das Haus geschenkt?“ Janne lachte bei meinem ungläubigen Gesichtsausdruck und schüttelte den Kopf. „Nein, es ist mein Haus, aber ich lasse sie dort wohnen. Auch wenn es mir viel bedeutet, ihr ist es wichtiger. Und da wir immer noch Freunde sind kann ich jederzeit da auftauchen. Klar ist die Situation zwischen uns noch etwas krampfig, aber ich hoffe das hört auf, wenn ich hier wohne.“

Als wir alles, was Janne hergefahren hatte, in seinem Teil des Hauses verteilt hatten saßen wir völlig geschafft auf der Terrasse und schwiegen uns an. „Woran denkst du?“ Verwirrt sah ich Janne an, er hatte mich tatsächlich aus meinen Gedanken gerissen und ich musste mich kurz sammeln. „Bei mir haben sich letzte Woche zwei Gärtner vorgestellt. Ich brauche jemanden, der sich um das Grundstück kümmert. Und ich kann mich nicht zwischen den beiden entscheiden, wollte sie aber bald anrufen.“ Nachdenklich sah Janne mich an. „Ist das denn so schwer sich zwischen beiden zu entscheiden?“ – „Ja, das ist es!“ Dann erzählte ich Janne von den beiden und ihren jeweiligen schwierigen Situationen. „Weißt du nun warum ich mich nicht entscheiden kann? Sag du mir wen ich einstellen soll, du hast jetzt Mitspracherecht.“ Janne grinste und überlegte. „Stell doch einfach beide ein.“ – „So leicht ist das nicht. Ich glaube kaum, dass die Arbeit für zwei Leute reicht und ich will nicht geizig scheinen, aber ich will das Geld nicht aus dem Fenster schmeißen, auch wenn ich es mir leisten könnte.“ Janne nickte und grübelte eine Weile. „Und wenn du ihnen vorschlägst zusammenzuarbeiten? Wenn sie jeder fünf Arbeitsstunden hätten wäre das bestimmt in Ordnung. Und über die Bezahlung lässt sich bestimmt reden, so wie du die beiden beschreibst geht es ihnen vor allem darum nicht unnütz zu Hause zu sitzen, und solange sie mehr verdienen, als sie vom Arbeitsamt bekommen sagen sie bestimmt zu.“ Ich dachte lange über Jannes Vorschlag nach. Eigentlich war die Idee nicht schlecht. Und ich hatte bei dem Vorstellungsgespräch schon das Gefühl, dass die beiden sich gut verstanden. „Vielleicht hast du Recht, ich werde beide nochmal einladen!“


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein schweres Erbe (Janne Ahonen)
BeitragVerfasst: Do 16. Apr 2009, 21:20 
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Bakken Putzer

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Teil 10

Am Mittwoch der nächsten Woche warteten Janne und ich auf Ari und Sergej. Vormittags hatten wir mit zwei von seinen Freunden seine letzten mitgebrachten Möbel aufgestellt und nun saßen wir faul vorm Haus auf den Treppen und warteten. Als sie ankamen sahen sie verwirrt von Janne zu mir und zurück. Also stellte ich die drei einander vor und wir gingen auf die Terrasse. Ich unterbreitete beiden meinen Vorschlag. „Ich wollte mich einfach gegen keinen von euch beiden entscheiden und Janne hatte die Idee euch beide einzustellen. Natürlich kann ich hier keine zwei Vollzeitstellen schaffen, aber ich denke fünf Stunden für jeden wären okay und ich glaube ihr würdet gut zusammenarbeiten.“ Die beiden sahen sich an und zum ersten Mal sah ich beide grinsen. „Ich glaube es ist klar, dass ich euch bei der Stundenzahl nicht beide Vollzeit bezahlen kann, das ursprünglich vereinbarte Gehalt wird es also für keinen von euch geben.“ Ich wollte ihre Reaktion abwarten, doch beide sahen mich erwartungsvoll an. „Über das Gehalt können wir natürlich sprechen, ihr sollt immerhin mehr verdienen, als ihr vom Arbeitsamt bekommt, das ist klar. Bei Ari wird’s wegen seiner Kinder mehr sein, das ist auch klar. Also wenn ihr das okay findet und das eine Lösung wär, mit der ihr beide auskommt, dann sprechen wir über das Gehalt und ihr seid beide eingestellt.“ Ängstlich sah ich nun zu Janne, denn würde einer von beiden nicht mit meinem Vorschlag einverstanden sein, dann würde ich mich entscheiden müssen. Doch beide stimmten zu und sagten sie würden sich freuen endlich wieder etwas zu tun zu haben und solange das Gehalt über ihrem bisherigen Einkommen läge wäre es ihnen egal, was sie verdienen. Wir einigten uns also auf eine Summe und da ich trotzdem ein schlechtes Gewissen hatte versprach ich beiden ein recht großzügiges Urlaubs- und Weihnachtsgeld.
Nach den ’Verhandlungen’ machte ich die Arbeitsverträge, die ich vorher voller Hoffnung mit Erja vorbereitet hatte, fertig und beide unterschrieben.
Als die beiden wieder nach Hause gefahren waren saßen Janne und ich noch ein wenig beisammen. „Hör mal Kaija, da wir uns das alles hier teilen sind die beiden ja irgendwie auch meine Angestellten. Ich will mich an den Lohnkosten der beiden beteiligen.“ Ich lehnte das ab, doch Janne ließ nicht locker. „Hör mal, ich hab schon ein schlechtes Gewissen weil ich hier wirklich für ein paar lächerliche Kröten wohnen darf.“ Wieder lehnte ich ab, doch Janne schien unerbittlich zu sein. „Lass mich wenigstens das zahlen, was Ari wegen seiner Kinder mehr verdient und das Urlaubs- und Weihnachtsgeld.“ Wieder wollte ich ablehnen, doch als Janne drohte die beleidigte Leberwurst zu spielen gab ich nach. Zufrieden lehnte er sich zurück. „Na also, geht doch!“


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein schweres Erbe (Janne Ahonen)
BeitragVerfasst: Do 16. Apr 2009, 21:21 
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Bakken Putzer

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Teil 11

Das Zusammenleben mit Janne stellte sich als äußerst harmonisch heraus. Ich hatte ihm geholfen sich häuslich einzurichten und wenn er nicht gerade trainieren war verstand er es super mich von meinem Kummer abzulenken. Er fing mit Begeisterung an, an den alten Maschinen rumzubasteln. Ich fand das tierisch interessant, es stellte sich nur leider heraus, dass ich zwei linke Hände hatte. Also begnügte ich mich damit Janne dabei zuzusehen. Wir konnten uns stundenlang unterhalten und es wurde nie langweilig. Janne hatte so viel interessantes zu erzählen, er war ja auch ein paar Jahre älter und hatte viel mehr erlebt als ich, und ich hinterfragte alles und er erklärte es mir bereitwillig. Nach ein paar Wochen nahm er mich mit zum Training und ich lernte seine Mannschaft kennen. Die Jungs waren echt okay und das Skisprungfieber packte mich ein wenig und ich freute mich auf die Wettkämpfe im Winter, denn bei den heimischen würde ich zusehen kommen, das war schon abgemacht.

Eines Tages, Janne lag mal wieder schraubend unter einem der Traktoren und ich quetschte ihn aus, machte Janne mich darauf aufmerksam, dass er seit Wochen aus seinem Leben erzählte, er aber kaum etwas von mir wüsste. „Jaaaaa... ich höre dir halt gerne zu, du hast so viele interessante Dinge erlebt und ich bin nur zur Schule gegangen, hab gejobbt und sitze jetzt mit viel Geld hier rum und weiß nichts mit mir anzufangen.“ Janne sagte daraufhin nichts.
Nach dem Abendessen, Janne hatte schon geduscht, drückte er mir meine Schuhe in die Hand. „Anziehen!“ Ich tat verwundert was er sagte und folgte ihm nach draußen. „Und jetzt?“ Fragend sah ich ihn an, was hatte er nur vor? Janne grinste und schob mich vorwärts. „Wir gehen jetzt spazieren. Seit ich hier wohne hab ich es noch nicht über das ganze Grundstück geschafft, es gab lediglich den kleinen Rundgang. Und dann will ich ein paar Dinge über dich erfahren.“ Ich fügte mich meinem Schicksal und trottete neben Janne her. Zuerst gingen wir in die alten Stallungen. Hier haben einst wohl wunderschöne Pferde gestanden und die alten, kunstvoll verzierten Namensschilder hingen noch an den ziemlich vergammelten Boxen. Ich fühlte mich in vergangene Zeiten zurückversetzt und ich glaube Janne ging es genauso. Unser Rundgang führte uns wieder aus den Stallungen in Richtung Wald. Man konnte schon die Ergebnisse der Arbeit von Ari und Sergej sehen, sie hatten Gestrüpp entfernt und alte, morsche Bäume gefällt. Eine Weile schlenderten wir schweigend zwischen den Bäumen umher.
„Vermisst du deine Eltern noch sehr?“ Ich nickte nur, brauchte noch ein paar Momente um meine Gedanken zu sortieren und Janne ließ mir Zeit. „Es ist immernoch schwer. Ich vermisse sie mit jedem Atemzug. Es hilft mir allerdings sehr nicht in der alten Umgebung zu wohnen und du lenkst mich ziemlich gut ab.“ Ich lächelte Janne an und er lächelte zurück. „Ich glaube es wird nie einfach sein. Normalerweise verliert man seine Eltern erst, wenn man sich selbst ein Leben aufgebaut hat, vielleicht auch eine eigene Familie hat. Ich habe mir noch gar nichts aufgebaut, habe tausend Fragen und werde noch oft Unterstützung brauchen, die sie mir nicht mehr geben können. Natürlich habe ich Erja und Lasse, sie kümmern sich so lieb um mich und ich weiß, dass ich mit allem zu ihnen kommen kann, aber es ist nicht das gleiche. Irgendwie muss ich alleine klarkommen, das macht mir Angst.“ Janne legte mir eine Hand auf die Schulter. „Ich weiß, das klingt total abgedroschen, aber ich denke das wird dich zu einer stärkeren Person machen. Dass deine Eltern nicht mehr da sind lässt sich nicht ändern, du musst damit leben. Und du hast viel Unterstützung. Nicht nur Erja und Lasse. Ich bin auch für dich da. Und Ari und Sergej.“ Fragend sah ich ihn an und er grinste. „Du gehst hier viel zu selten weg, sonst hättest du bemerkt, dass sie das Tor zur Auffahrt entrostet haben und es sich wieder schließen lässt. Und jeden Abend wenn sie gehen schließen sie ab. Sie mögen dich und wollen nicht, dass dir etwas passiert.“ Vor lauter Rührung schossen mir ein paar Tränen in die Augen. „Das wusste ich wirklich nicht. Mit den beiden haben wir einen absoluten Glücksgriff getan.“ Janne nickte und wir gingen weiter. „Du wirst das alles schon schaffen, da bin ich mir sicher.“ Seufzend sah ich ihn an. „Ja klar, aber ich hab das Gefühl so nutzlos zu sein. Ich muss irgendwas machen. Geld verdienen muss ich eigentlich nicht wirklich, zumindest nicht solange ich mir nicht teure Autos, eigene Flugzeuge und Ferienhäuser auf der ganzen Welt leiste. Aber ich kann ja auch schlecht mein restliches Leben hier rumgammeln.“ – „Was macht dir denn Spaß?“ Ich fing an zu grübeln. „Naja. Die Jobs die ich hatte waren ganz nett für eine gewisse Zeit, aber Spaß hat mir eigentlich keiner gemacht.“ Janne unterbrach mich: „Ich rede nicht von Jobs, was machst du gerne, was sind deine Hobbys?“ Wieder dachte ich nach. „Naja. Ich lese gerne. Mädchenbücher mit Tieren, Pferden wenn’s geht.“ Ich wurde rot, für ein Mädchen Anfang 20 nicht das typische Hobby. Janne nickte jedoch nur eifrig und deutete mir weiter zu reden. „Ich höre gerne Musik. Ich bin immer gerne auf Konzerte gegangen. Ich bin gerne in der Natur, mache gerne was kreatives. Ich liebe Tiere, früher hatte ich einen Hund. Ja, das mache ich gerne.“


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein schweres Erbe (Janne Ahonen)
BeitragVerfasst: Mi 22. Apr 2009, 21:38 
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Bakken Putzer

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Teil 12

Unser Rundgang hatte über zwei Stunden gedauert. Mitten im Wald hatten wir eine riesige Lichtung entdeckt, bestimmt so groß wie ein Fußballfeld. In der Mitte hatte irgendjemand vor Jahren oder Jahrzehnten Rosen gepflanzt, die dort immernoch wucherten. Dort konnten wir uns lange nicht fortreißen, aber schließlich waren wir über einige Wiesen zurückgewandert. Um den Tag ausklingen zu lassen setzten wir uns mit Tee (für mich) und Rotwein (für Janne) in den Salon auf meiner Seite des Hauses. Jannes Salon lag quer durch die Eingangshalle auf der anderen Seite, er sagte jedoch, er wüsste noch nicht, was er mit dem riesigen Raum anfangen würde. Wir hatten den Kamin angezündet und beobachteten das prasselnde Feuer.
„Hast du dir schon überlegt was du aus deinen Hobbys machst?“ Mir war jedoch nichts eingefallen. „Ich habe das Gefühl, dass es nicht richtig ist mir die Zeit mit Hobbys zu vertreiben.“ – „Du meinst, dass es nicht richtig ist wenn du Spaß hast!“ Ich dachte kurz nach und nickte dann. Ich erschrak als Janne anfing mich anzumotzen. „Kaija ich verstehe, dass du trauerst, aber das kannst du nicht dein Leben lang tun. Es gibt auf dieser Welt viele Menschen, die ihre Eltern früh verlieren und die haben nicht das Glück soviel Kohle im Rücken zu haben, dass sie wochenlang nichts tun müssen. Die müssen nach ein paar Tagen wieder zur Schule oder zur Arbeit und kommen auch klar. Hör endlich auf dich zu verkriechen und lebe! Das würden sich deine Eltern wünschen!“ Wütend sprang ich auf. „Hör auf“, schrie ich. „Du hast keine Ahnung von mir oder meinen Eltern.“ Ohne ein Wort packte Janne mich am Arm, zog mich quer durch die Halle und stieß die Tür zu seinem Salon auf. Schlagartig verrauchte meine Wut. „Ich denke du wusstest hiermit nichts anzufangen?“ - „Ich wollte dir nur nicht gleich alles auf die Nase binden.“ Er warf mir ein altes Hemd zu, stellte eine Leinwand auf eine Staffelei und schraubte kleine Behälter mit Farben auf, dann drückte er mir einen Pinsel in die Hand. „Was soll ich damit?“ – „Malen!“ – „Ich kann nicht malen.“ – Janne zwang mich das alte Hemd überzuziehen, es war viel zu groß und er krempelte mir die Ärmel hoch. „Du hast gesagt du magst kreative Sachen. Und wenn du malen bis jetzt nicht mochtest wirst du es mögen lernen. Lass einfach alles raus, deine Trauer, deine Wut, alles was dich bedrückt. Vielleicht hilft es.“ So ließ er mich stehen und ging zur Tür. „Es kommt nicht drauf an, wie es hinterher aussieht und ob es Sinn macht. Es kommt drauf an, dass du deinen Gefühlen freien Lauf lässt.“ Dann schloss er die Tür und ich hörte ihn die Treppe hinaufgehen.
Lange stand ich vor der Leinwand und starrte sie an. Jannes Worte schwirrten mir im Kopf umher und ich war den Tränen nah. Wie konnten meine Eltern das alles nur zulassen? Wie konnten sie mich einfach allein lassen? Ich erschrak, machte ich ihnen etwa Vorwürfe? Ja das tat ich. Diese Erkenntnis schmerzte viel mehr als die Trauer und die Einsamkeit. Ich hasste meine Eltern! Hasste sie dafür, dass sie gegangen waren. Ein Schauer durchfuhr mich und die Tränen ließen sich nicht aufhalten. Doch anstatt kraftlos zusammenzusacken griff ich einen Pinsel, tunkte ihn in die dunkle Farbe und ließ ihn kräftig durch die Luft sausen. Viele kleine Farbtropfen landeten auf der weißen Leinwand und ließen sie schmutzig wirken. „Ein bisschen wie mein Leben“, dachte ich. „Die heile, weiße Welt gibt es nicht mehr.“ Wie im Wahn pinselte ich die Leinwand voll, benutzte immer andere Farben. Meine Gedanken waren wie ausgeschaltet und ich nahm nichts um mich herum wahr.
Als kein einziger weißer Fleck mehr auf der Leinwand zu sehen war sackte ich auf den Boden und legte mich der Länge nach hin. Schwer atmend sah ich an die dunkel getäfelte Decke. Das Hemd klebte mir am Körper, meine Zunge klebte am Gaumen und die Luft war stickig und roch nach Farbe. Nach ein paar Minuten raffte ich mich auf und öffnete eins der großen Fenster. Ich blickte in den dunklen Nachthimmel, nicht ein Stern war zu sehen. Wenn ich jetzt nur eine Sternschnuppe sehen könnte, ich würde mir wünschen, dass einfach alles gut werden würde.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein schweres Erbe (Janne Ahonen)
BeitragVerfasst: Mi 22. Apr 2009, 21:39 
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Bakken Putzer

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Teil 13

Ich schreckte aus dem Schlaf hoch, weil sich im Traum der Boden unter meinen Füßen aufgelöst hatte. „Pssst ganz ruhig, ich bin’s nur.“ Janne schaltete das Licht mit dem Ellenbogen aus und zog die Tür mit dem Fuß hinter sich zu, dann trug er mich die Treppe hoch. „Bin ich eingeschlafen?“ Er nickte nur und bog in meinen Flügel ein. „Du musst mir sagen wo du hier dein Schlafzimmer hast.“ – „Kein Problem, aber du kannst mich auch runterlassen, ich kann laufen.“ Er zögerte kurz, stellte mich dann aber vorsichtig auf meine Beine. „Danke Janne.“ Er nickte nur und machte Anstalten zu gehen. „Ich meine nicht fürs hochbringen.“ – „Ich weiß.“

-

Am nächsten morgen machte ich Frühstück für uns beide in der Küche. Wir hatten zwar auch zwei Speisezimmer, saßen aber lieber zusammen in dem großen, für eine Küche ziemlich gemütlichen Raum. Janne kam wenig später, noch leicht verschlafen und mit Knittergesicht und setzte sich. „Na, hast du gut geschlafen?“ Ich nickte nur und goss und Kaffee ein. „Was passiert mit der Leinwand?“ Janne kaute schnell auf und fragte mich, welche Leinwand ich meinte. „Na die von gestern Abend.“ – „Das ist keine Leinwand mehr, das ist ein Bild.“ Als Antwort zog ich lediglich die Augenbrauen hoch und sah ihn an, als hätte er gerade behauptet die Erde wäre eine Scheibe und Britney Spears würde die neue Präsidentin der USA werden. „Komm mal mit.“ Ich folgte Janne in seinen Salon, oder besser: sein Atelier. Wir stellten uns vor das ’Bild’ und sahen es in Ruhe an. „Das ist ein Kunstwerk Kaija, ob du es glaubst oder nicht. Es macht für dich vielleicht keinen Sinn weil es nichts darstellt, kein Haus oder ein Tier oder einen Wald oder so. Aber...“ – „Doch, es macht Sinn“, unterbrach ich ihn. Erwartungsvoll stand Janne neben mir. „Ich hab aus lauter Wut mit Farbe rumgespritzt und da habe ich gedacht, dass die Leinwand wie mein Leben ist. Alles war perfekt. Weiß. Aber das weiße, das perfekte hat Flecken abbekommen. Und dann habe ich gemalt. Es war irre, ich habe an nichts gedacht, einfach nur gemalt. Dieses Bild ist mein Leben.“ – „Momentan. Das ist nur eine Momentaufnahme. In sechs Monaten würdest du ein anderes Bild von deinem Leben malen.“ Ich seufzte. „Ich hoffe du hast Recht.“


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein schweres Erbe (Janne Ahonen)
BeitragVerfasst: Do 23. Apr 2009, 17:24 
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Bakken Putzer

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Teil 14

Janne schenkte mir das Bild, ich fand aber nicht, dass es gut genug oder bedeutungsvoll genug war, um es aufzuhängen. Also packte ich es in Papier ein und legte es auf meinen Schrank.
Trotzdem fühlte ich mich komischerweise nach meiner ’Kunstsession’, wie Janne das Ganze nannte, tatsächlich irgendwie besser. Es war als hätte mir jemand ein Gewicht von den Schultern genommen.

-


Ein paar Wochen später musste Janne mit der Mannschaft ins Trainingslager nach Frankreich. Zuerst gammelte ich nur rum und ärgerte mich, als ich merkte, dass ich ohne Janne anscheinend nicht wusste, was ich mit meiner vielen Zeit anfangen sollte. Da ich mir nicht anders zu helfen wusste verbrachte ich meine Zeit mit Ari und Sergej. Zuerst wollten sie nicht, dass ich ihnen bei ihrer Arbeit half, aber nachdem ich gestand, dass ich nicht wusste was ich sonst tun sollte, ließen sie mich mitmachen. Sie brachten mir bei mit einer Motorsäge gefällte Bäume zu zerteilen, Holz mit der Axt zu spalten und woran ich erkannte ob ein Baum krank war oder nicht. Nachdem wir einzeln stehende Bäume gefällt, zerteilt und zu Kaminholz verarbeitet hatten kämpften wir uns durch den Wald. Auch hier wollten die beiden „aufräumen“ und alles unnötige, abgestorbene und kranke entfernen.
Trotzdem war ich froh, als Janne nach zwei Wochen wiederkam. Freudestrahlend begrüßte ich ihn. „Na, was ist denn mit dir passiert?“ Verwundert sah ich ihn an. „Was soll mit mir passiert sein?“ – „Na du hast Muskeln in den Armen bekommen und bist total braun und zerkratzt. Hast du Kampfsporttraining im Freien gemacht?“ Er musterte meine nackten Arme, die tatsächlich ganz schön zerkratzt, dafür aber schön braun geworden waren. – Ich grinste und lief neben ihm die Treppe zur Haustür hoch. „Nein, ich wusste nicht wie ich meine Zeit rumkriegen sollte, da hab ich mich an Sergej und Ari gehängt. Wir haben zig Bäume gefällt, zu Kaminholz verarbeitet und angefangen den Wald aufzuräumen. Dafür werden die beiden noch ewig brauchen. Findest du echt ich hab Muskeln bekommen?“ Janne nickte und stellte seine Taschen ab. „Und du siehst ziemlich zufrieden aus. Ist was außergewöhnliches passiert? Hast du jemanden kennengelernt?“ – „Ach quatsch. Ich hab nur gemerkt, dass ich körperliche Arbeit ganz gerne mag. Die letzten zwei Wochen hab ich jede Nacht durchgeschlafen. Das konnte ich nicht mehr seit… Naja, seit dem Unfall.“ Janne lächelte mich nur an. „Na dann will ich dich erstmal in Ruhe ankommen lassen, ich geh noch ne Runde spazieren.“

-

Nachdem wir abends eine Kleinigkeit gegessen hatten saßen wir mit einem Glas Wein auf der Treppe vorm Haus und Janne erzählte vom Trainingslager. „Du siehst also: Das ist alles schön und gut, aber man kann doch froh sein, wenn man die ganze Bande nur noch zum Training sieht.“ Ich lachte und trank einen Schluck. „Ja, das verstehe ich dann doch.“ Wir schwiegen eine Weile. Das war das allercoolste an unserem Zusammenleben. Wir konnten stundenlang über Gott und die Welt reden, wir konnten aber auch einfach nur zusammensein und schweigen, ohne dass es unangenehm wurde. Janne riss mich aus meinen Gedanken, indem er sein Lieblings- und mein Hassthema anschnitt. „Und, haben dich die letzten beiden Wochen weitergebracht? Hast du ne Idee was du mit deiner Zeit anfängst?“ Ich verdrehte die Augen. „Gedanken gemacht hab ich mir, ich bin aber zu keinem Ergebnis gekommen.“ – „Erzähl mir von deinen Gedanken.“ Ich goss uns Wein nach und lehnte mich zurück. „Also ich hab ein bisschen mit Sergej und Ari geredet. Die beiden haben einen ganzen Tag lang alle Berufe aufgezählt, die ihnen eingefallen sind. Bei jedem hab ich überlegt, ob das was für mich sein könnte, aber ich hatte keinen Treffer.“ Ich sah Janne an, dass er schon wieder ungeduldig wurde. Er war ansonsten der geduldigste und ausgeglichenste Mensch den ich kannte, aber bei diesem Thema hatte ich immer das Gefühl, dass er mich einfach nur schütteln wollte, bis mir etwas einfiel. „Janne, ich hab manchmal so das Gefühl, du willst so dringend, dass ich was finde, damit ich dir nicht immer am Pelz hänge. Wenn ich dich nerve sag’s mir einfach.“ Janne warf mir nur einen Blick zu, der mir sagte, dass meine Vermutung Schwachsinn war. „Ich meine ja nur. Die letzten zwei Wochen haben mir immerhin die Erkenntnis gebracht, dass ich keine Menschen um mich rum haben will.“ – Wie meinst du das denn bitteschön? Nerve ich dich etwa?“ – „Du weißt, dass du das nicht tust. Nein ich meine eher, dass ich nicht gezwungen sein will mich mit Menschen abzugeben die ich nicht mag. Egal ob als Kunden oder Kollegen oder so. Ich wär gern mein eigener Boss. So wie hier zuhause. Ich konnte mir aussuchen ob du hier wohnst oder nicht. Und ich konnte mir aussuchen, ob ich Ari und Sergej hier um mich haben will oder nicht. Ich habe überlegt mir Tiere anzuschaffen. Aber davon bin ich schon wieder weg.“ – „Darf ich fragen warum? Die Idee ist doch ganz gut.“ Ich grinste und nahm noch einen großen Schluck. „Weil ich mich kenne. Angenommen ich gehe los und will mir einen Hund kaufen. Ich garantiere dir, ich kann mich nicht entscheiden und nehme mindestens zwei. Fange ich damit an gibt es kein Ende mehr. Dann sehe ich vielleicht auf der Straße jemanden mit einem Dackel und dann will ich auch einen Dackel haben. Das ist wie mit Pralinen: Hast du eine probiert willst du die anderen auch.“ Janne fing an grölend zu lachen und beruhigte sich lange nicht. „Du vergleichst Hunde mit Pralinen? Ich wusste mit dir stimmt was nicht. Aber was ist so schlimm daran? Du hast die Kohle!“ – „Ja, und ich habe Angst, dass ich unvernünftig werde und ich irgendwann alles ausgegeben habe. Und wenn das passiert stehe ich dumm da!“ Janne wurde ernst und nickte. „Ich weiß was du meinst. Ich weiß ja nicht wie es genau finanziell bei dir aussieht, aber nach dem was Erja mir erzählt hat bräuchtest du nie im Leben arbeiten gehen und könntest trotzdem das Geld aus dem Fenster schmeißen.“ – „Das stimmt ja auch. Aber bedenke was das kostet, so viele Tiere! Vielleicht komme ich ja noch auf die Idee mir ein Boot oder Flugzeug zu kaufen und durch die Welt zu jetten.“ – „Nimmst du mich dann mit?“ Ich rutschte näher an Janne heran, hakte mich bei ihm unter und legte meinen Kopf auf seine Schulter. „Na klar. Ich glaub du wärst der einzige Mensch, den ich wirklich gern dabei hätte.“


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein schweres Erbe (Janne Ahonen)
BeitragVerfasst: Di 28. Apr 2009, 06:56 
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Bakken Putzer

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Teil 15

Am nächsten Samstag kam Janne mit einer Tüte Brötchen unterm Arm und einer zerfledderten Zeitung in die Küche. „Janne, was hast du mit der Zeitung gemacht? Ich wollte die auch noch lesen.“ – „Ja ja, motz nicht rum. Platz!“ – „Was?“ Janne packte mich bei den Schultern und drückte mich auf einen Stuhl. „Sorry, ich wollte sagen setz dich. Hier, das ist doch DIE Idee!“ Ich glättete das zerknüllte Papier der Zeitung und las den Artikel auf den Janne gezeigt hatte. Die Überschrift lautete „Tierheim in Not“.
„Also das Tierheim ist überfüllt. Und was willst du mir damit sagen? Denen hilft es auch nicht wenn ich mir doch ein oder zwei Hunde zulege.“ Janne setzte sich mir gegenüber und sah mich mit glänzenden Augen an. „Das nicht, aber was hältst du davon hier auch so eine Art Tierheim oder Gnadenhof aufzumachen. Den Platz hast du, das Geld auch und du hättest eine Beschäftigung die dir Spaß machen würde. Und wenn du jemanden einstellst kannst du dir aussuchen wen. Und das allerbeste ist, sowas wird staatlich unterstützt, das heißt du würdest auf den Kosten nicht alleine sitzen. Ich hab gedacht man kann doch mal mit den Tierheimleuten sprechen und sich informieren.“ Ich überlegte einen Moment und nickte dann. „Ja vielleicht. Ich denk da mal in Ruhe drüber nach, okay?“ An Jannes nervösem Fingertrommeln merkte ich, dass er mehr Begeisterung von mir erwartete, ich fand die Idee auch nicht prinzipiell schlecht. Aber sowas sollte auch gut überlegt sein.
Nach dem Frühstück zog ich mich in mein Schlafzimmer zurück und dachte nach. So richtig konnte ich mich aber nicht konzentrieren, als machte ich wie so oft einen Streifzug über das Gut. Ich kam erst nachmittags wieder, es hatte viel zum Nachdenken gegeben. Ich hatte mir nicht nur Gedanken über Jannes Vorschlag gemacht. Ich kam gerade aus den ehemaligen Stallungen und Janne saß auf der Terrasse. „Hey, wo warst du denn so lange? Ich wollte was zum Mittag kochen, aber du bist nicht aufgetaucht.“ Erschrocken fasste ich in meine Hosentasche: mein Handy hatte ich nicht dabei. „Oh man, tut mir leid! Ich hätte Bescheid sagen sollen oder wenigstens mein Handy dabei haben sollen.“ Mit schlechtem Gewissen setzte ich mich neben Janne auf die Hollywoodschaukel. Zuerst dachte ich er wäre beleidigt. Wir schaukelten vor uns hin und er sagte kein Wort. Ich dachte schon fast er wäre eingeschlafen als er mich ansprach. „Und, hast du drüber nachgedacht?“ Ich nickte und zog meine Beine an. „Ja, ich glaube es schadet nicht sich mal mit den Verantwortlichen im Tierheim zu treffen. Ich werde Montag mal anrufen oder vorbeifahren.“ – „Und um zu dem Schluss zu kommen warst du den halben Tag unterwegs?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich hab noch über viel mehr nachgedacht.“ Eine ganze Weile schwiegen wir, schaukelten vor uns hin und ich war kurz davor einzuschlafen. „Verrätst du mir worüber du noch nachgedacht hast?“ – Willst du das wirklich wissen?“ – „Sonst hätte ich nicht gefragt.“ Ich rutschte hin und her weil ich nicht sehr bequem saß. Erst als ich im Schneidersitz saß redete ich weiter. „Ich hab über alles nachgedacht. Ich habe festgestellt dass es mir besser geht. Vielleicht fange ich an alles zu verarbeiten oder so, aber es … ich kann es schwer beschreiben. Es geht mir einfach besser als noch vor ein paar Wochen.“ – „Das ist gut!“ – „Ja das ist es.“ Wieder schwiegen wir eine Weile und dösten vor uns hin. „Ich hab überlegt wie es wäre hier eine Art Tierasyl aufzubauen. Man müsste eine Menge umbauen. Die Boxen in den Stallungen müssten aufwendig ausgebessert oder komplett neu gemacht werden, die Dächer sind undicht, der Hof total uneben, überall liegt unnützes Zeug rum. Es wäre viel Arbeit. Aber ich glaube es würde sich lohnen. Es wäre ja doch viel hübscher hier. Und ich hab überlegt was für Tiere ich gerne hätte. Ich würde es gerne auf Pferde und Hunde begrenzen. Meinetwegen auch Esel und Ziegen oder Hühner. Nur kein Kleinvieh wie Hamster und Kaninchen und Katzen. Ich hab nichts gegen die, aber… Muss nicht sein, weißt du?“ Janne hatte sich erstaunt aufgesetzt. „Wow, ich bin ehrlich überrascht, dass du dir so viele Gedanken gemacht hast und schon so genaue Vorstellungen hast.“ – „Ja schön. Kannst du bitte weiterschaukeln?“ Janne fläzte sich wieder hin und wir schaukelten eine Weile schweigend weiter. „Ich hab auch darüber nachgedacht, dass ich mich ganz schön zurückgezogen habe. Eigentlich kann man sagen, dass ich einsam bin.“ Da Janne nicht reagierte redete ich weiter. „Der Kreis der Menschen mit denen ich wirklich mal rede und mit denen ich etwas zu tun habe beschränkt sich auf genau fünf Personen: Erja, Lasse, Ari, Sergej und du. Ich habe zu niemandem anders Kontakt. Früher bin ich so viel ausgegangen und hatte so viele Freunde und Bekannte.“ Wieder reagierte Janne nicht und nach ein paar Minuten fuhr ich fort. „Ich wünsche mir das gar nicht zurück. Wahrscheinlich bin ich durch… Durch die Ereignisse erwachsener geworden oder so. Ich will gar nicht mehr so ein flippiges Leben haben. Aber es wäre vielleicht doch schön ein paar Leute zu haben. Einfach den Bekanntenkreis wieder erweitern, ein paar Freunde mehr haben.“ Janne schwieg weiter und ich sah ihn an ob er vielleicht schlief, aber er hatte seine Augen geöffnet und blickte in die Ferne. „Du sagst ja gar nichts.“ Diesmal schwieg Janne nur einen Augenblick. „Was soll ich dazu schon sagen?“ Dann stand er auf und ging ins Haus.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein schweres Erbe (Janne Ahonen)
BeitragVerfasst: Mi 29. Apr 2009, 07:32 
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Bakken Putzer

Registriert: Di 16. Sep 2008, 22:14
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Teil 16

Ich blieb total perplex zurück. Glaubte er jetzt etwa er würde mir als Freund nichts bedeuten oder ich hätte lieber jemanden anders um mich? Wie sehr konnte ich jetzt jemanden zum reden brauchen. Erja fiel mir ein, ich ging ins Haus und wählte ihre Nummer. Lasse nahm das Gespräch entgegen und sagte mir Erja sei im Moment nicht da. Ich bat ihn ihr auszurichten, dass sie mich zurückrufen soll.
Als sie mich abends zurückrief erzählte ich ihr von dem Gespräch am Nachmittag. „Kaija Schatz, da wirst du irgendwie einen wunden Punkt bei ihm getroffen haben. Da musst du ihn mal drauf ansprechen.“ Wir verabredeten noch, dass sie am Sonntag zum Kaffeetrinken vorbeikommen würde. Lasse wäre eh nicht da, da er sich mittags auf den Weg nach Schweden machen muss, um einen geschäftlichen Termin wahrzunehmen. Wir beendeten das Gespräch und ich brachte das Telefon zurück in die Eingangshalle. Dabei hörte ich Geräusche aus der Küche und sah nach. „Du kochst?“ Janne werkelte und blickte nur kurz über die Schulter als ich ihn ansprach. „Ja. Ich hole das von heute Mittag nach. In einer halben Stunde gibt’s Essen.“ Wenn er mich schon zum Essen einlud konnte er ja so sauer nicht sein. Also ging ich duschen um zum Essen fertig zu sein.
Zuerst saßen wir uns schweigend gegenüber. Ich wusste nicht so recht wie ich anfangen sollte und Janne hatte offensichtlich auf stur geschaltet, denn er sagte kein Wort. Als er aufgegessen hatte und schon sein Geschirr wegstellen wollte nahm ich all meinen Mut zusammen. „Janne, hab ich heute Nachmittag irgendwas gesagt was dich gekränkt hat?“ Er schnaufte und setzte sich wieder hin. „Ja und nein.“ Er suchte anscheinend nach den richtigen Worten. „Was du gesagt hast hat mir so ein bisschen das Gefühl gegeben, als würde ich dir als Freund nicht reichen. Ich meine wir verstehen uns ja wirklich gut und reden über alles, da frag ich mich schon was dir da fehlt.“ Ich stand auf, ging um den Tisch herum, setzte mich neben Janne und nahm ihn in den Arm. „Mir fehlt gar nichts, wirklich. Du bist der allerbeste Freund, den ich je hatte und ich schwöre dass du wirklich der einzige Mensch auf der Welt wärst, den ich auf eine Weltreise mitnehmen würde.“ Janne lachte und legte seinen Arm um mich. „Das beruhigt mich. Ich dachte ich hätte was falsch gemacht.“ – „Nein, hast du nicht. Es ist nur so dass ein größerer Freundeskreis schön wär. Ich brauche nicht mehr Leute mit denen ich so eng befreundet bin wie mit dir. Aber wenn die Skisprungsaison anfängt bist du wochenlang weg. Dann hab ich niemanden, verstehst du? Oder wenn wir uns mal richtig streiten sollten hab ich niemanden, mit dem ich drüber reden kann. Klar kann ich Erja anrufen, so wie heute, aber das ist nicht das Gleiche. Sie ist meine Tante und ich liebe sie, aber das ist was anderes als eine wirklich gute Freundin.“ – „Ich verstehe was du meinst. Tut mir leid das ich eingeschnappt war.“
Ein paar Minuten später wuschen wir einträchtig das Geschirr ab und beseitigten das Chaos welches immer entstand, wenn Janne kochte. „Hast du echt Erja angerufen?“ – „Ja habe ich. Ich wusste nicht was ich falsch gemacht hatte und wie ich damit umgehen sollte, dass du einfach so gegangen bist. Sie kommt übrigens morgen Nachmittag vorbei und bringt nen Kuchen mit.“ – „Alles klar, kommt Lasse auch mit?“ – „Nein, der muss geschäftlich nach Schweden.“

-

Erja kam etwa eine Stunde früher als erwartet. Janne und ich trugen gerade das Geschirr auf die Terrasse um den Tisch zu decken. Sie half uns und da es noch zu früh für Kaffee und Kuchen war unterhielten wir uns. Es war wie immer sehr lustig. Janne und ich konnten zusammen prima absoluten Müll reden und dabei lachen bis wir Bauchschmerzen hatten. Und Erja war fast die einzige, die dann nicht den Kopf schüttelte und sich dachte, was wir für kindische Idioten waren. Schließlich, um auch wieder etwas ernster zu werden, erzählte Janne ihr von seiner Idee mit dem Tierasyl und in wie weit wir das ganze Projekt schon durchdacht hatten. Erja fand die Idee prima und war, da war ich mir sicher, auch sehr erleichtert. Auch wenn sie es nicht zugab, sie machte sich ständig Sorgen um mich.
Um Erja und mich unseren Frauengesprächen zu überlassen, wie Janne es nannte, ging er wenig später in die Küche um Kaffee zu kochen und Sahne zu schlagen. Kaum war er verschwunden setzte Erja sich neben mich auf die Bank. „Janne und du, ihr kommt wirklich gut miteinander aus, nicht wahr?“ Ich nickte. „Er ist wirklich ein Geschenk und ich bin froh, dass du den Vorschlag gemacht hast, dass er hier einzieht. Wir sind sozusagen die perfekte WG.“ Erja grinste und nahm einen Schluck Saft. „Ja ihr harmoniert wirklich gut miteinander. Das merkt man sobald man das Haus betritt, es herrscht so eine tolle Atmosphäre.“ Was sollte ich dazu sagen? Sie hatte Recht und ich nickte nur. „Und er sieht auch ganz schön gut aus, oder?“ – „Joa. Darüber hab ich noch nie so nachgedacht. Sicher wirkt er auf Frauen attraktiv und… ERJA!!! Du willst uns jetzt nicht verkuppeln, oder?“ Sie grinste und legte einen Arm um mich. „Du musst zugeben, dass ihr sehr gut zusammenpassen würdet. Wenn man euch zusammen sieht und es nicht weiß, kann man schon denken ihr wärt ein Paar. Könntest du dir das denn nicht vorstellen?“ Ich überlegte einen Moment und schüttelte dann den Kopf. „Irgendwie nicht. Du hast ja nicht ganz Unrecht. Wir verstehen uns blendend, können über alles lachen und uns alles erzählen und er sieht auch wirklich gut aus. Aber dieses Gefühl von Verliebtsein fehlt. Ich kann gar nicht sagen wieso, aber ich könnte mich nicht in ihn verlieben, glaube ich.“ – „Ach, schade eigentlich.“ Ich knuffte Erja in die Seite. „Jetzt hör auf mit dem Thema, Janne hat schon den Kuchen in der Hand, er kommt gleich.“

-

Das Gespräch mit Erja ging mir die ganzen nächsten Tage nicht aus dem Kopf. Ich beobachtete Janne und unser Verhältnis zueinander sehr genau und fand wirklich alles ziemlich perfekt. Klar eckten wir hier und da aneinander, aber wir konnten nicht lange sauer aufeinander sein. Ich beschäftigte mich intensiv damit zu erforschen warum ich keine Gefühle für ihn hatte, kam jedoch nicht dahinter und akzeptierte es schließlich einfach. Denn selbst wenn ich in ihn verliebt wäre war nicht sicher ob er das gleiche auch für mich empfinden konnte. Zwei Wochen später hatte ich das Thema abgehakt und dachte nicht mehr daran.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein schweres Erbe (Janne Ahonen)
BeitragVerfasst: Mi 29. Apr 2009, 17:21 
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Bakken Putzer

Registriert: Di 16. Sep 2008, 22:14
Beiträge: 86
Teil 17

Während Janne mit der Mannschaft zu den Sommerwettkämpfen unterwegs war, traf ich mich mit Leena vom Tierheim. Sie war dort die Chefin und, nachdem ich ihr meine Idee unterbreitet hatte, etwas kühl. Als ich ihr jedoch von meiner Situation erzählte taute sie auf und fing mehr und mehr an sich dafür zu begeistern. „Ich verstehe dich ziemlich gut glaube ich. Mir sind Tiere lieber als Menschen. Zumindest lieber als die meisten Menschen.“ Wir unterhielten uns eine ganze Weile, sie führte mich durchs Tierheim, erklärte mir viel und ich lud sie für den nächsten Abend zu mir ein. Vor Ort konnte ich ihr viel besser erklären was ich mir vorstellte.

Zu Hause machten Sergej und Ari gerade Feierabend. „Hey ihr zwei, habt ihr noch Zeit was zu trinken? Ihr seht halb verdurstet aus!“ Beide stimmten zu und setzten sich auf die Stufen vorm Hauseingang. Ich holte Wasser und Eistee und wir redeten ein bisschen. Bei der Gelegenheit erzählte ich ihnen von meinem Plan mit dem Tierasyl. Ich war mir nach dem Besuch im Tierheim ziemlich sicher, dass ich das Projekt auch realisieren wollte. Beide fanden die Idee sehr gut und Sergej erzählte, er wäre auf einem Bauernhof aufgewachsen. Das war das Stichwort, auf das ich gewartet hatte. „Ich wollte euch beide eh mal fragen wie ihr es so mit Tieren haltet. Wenn ich das ganze wirklich in die Tat umsetze kann ich mich nicht allein um alles kümmern. Ich müsste jemanden einstellen und ich wollte fragen, ob ihr euch das vorstellen könnt. Dann hättet ihr beide einen Vollzeitjob und ich muss mich nicht an neue Leute gewöhnen, die ich vielleicht auch nicht mag.“ – „Ich fänd das schon toll, allerdings habe ich noch nie viel mit Tieren zu tun gehabt. Meine Tochter hat eine Katze, das ist alles.“ Ich konnte Ari’s Bedenken natürlich verstehen aber Sergej war optimistisch. „Das ist nicht schwer, man muss gut zu den Tieren sein, dann geht das fast wie von alleine. Und du kannst alles lernen.“ Sergej versuchte seinem Kollegen Mut zu machen und hatte sogar teilweise Erfolg. Ari würde gerne ganztags arbeiten und es auf jeden Fall versuchen und Sergej war eh total begeistert.

Kurz nachdem die beiden gegangen waren rief Janne an. Die Qualifikation war gerade durch und er wollte hören was so in Finnland abging. Ich erzählte ihm von meinem Treffen mit Leena und dem Gespräch mit Ari und Sergej. „Ich find’s gut, dass du das jetzt richtig anpackst. Auch wenn ich es schade finde, dass ich gerade jetzt nicht da bin. Aber du erzählst mir immer alles, ja?“ Ich versprach immer korrekt Bericht abzulegen, fragte ihn noch wie es lief und wie die Stimmung im Team war, dann musste er schon auflegen, da die Dusche endlich frei war.

-

Als Leena am folgenden Abend mit dem Rad die Auffahrt hochfuhr saß ich schon auf der Treppe und wartete auf sie. „Sieht ja ganz schön nobel aus, dein Häuschen. Aber wo um Himmels Willen willst du hier ein Tierasyl aufbauen?“ Ich grinste und führte sie hinters Haus. „Na jetzt bin ich baff. Das erwartet man von vorne nicht unbedingt. Erzähl mir, wie du dir das vorstellst.“ Ich zeigte ihr die Stallungen und die Scheune und den Schuppen, die Wiesen und zeigte ihr auf einer Landkarte, wie groß das Grundstück insgesamt war. Sie äußerte sich zwar nicht negativ, ich merkte jedoch dass sie skeptisch war. Als wir mit einem Tee auf der Terrasse saßen lächelte sie. „Du hast das alles ziemlich gut durchdacht. Aber das wird einen riesigen Haufen Geld kosten das alles zu bauen oder zu restaurieren. Bist du dir sicher, dass du dich da nicht übernimmst?“ Ich nickte entschlossen und redete das erste Mal wirklich über mein Erbe. „Das sind nicht nur ein paar hunderttausend, die meine Eltern mir vermacht haben. Es ist definitiv kein Problem und ich wüsste nichts Besseres mit dem Geld anzufangen.“ Leena machte große Augen. „Na wenn das so ist… Willst du das ganz alleine aufziehen?“ – „Wie meinst du das?“ Sie zog einen Ordner aus ihrem Rucksack und schlug ihn auf. „Das sind alles Papiere vom Tierheim. Du brauchst Genehmigungen, musst Unmengen von Anträgen ausfüllen, du machst dich selbstständig. Das ist sehr viel Papierkram und kann an Kleinigkeiten scheitern.“ Ich fing an, an meinen Fingernägeln zu knabbern, eine Angewohnheit, die ich mir eigentlich längst abgewöhnt hatte. „Sowas hatte ich schon befürchtet. Ich hasse Bürokratie! Aber da muss ich wohl durch. Vielleicht kann ich einen Anwalt um Hilfe bitten. Wie habt ihr das denn gemacht?“ – „Auch mit Anwalt, es war trotzdem schwierig. Ich hätte aber eine Idee, wie du das alles vereinfachen kannst.“ Gespannt sah ich sie an. „Na das liegt doch auf der Hand. Du steigst ins Tierheim mit ein und das hier wird eine Art Zweigstelle. Ich hab’s dir gestern schon erzählt: wir müssen zum Beispiel oft Pferde ablehnen, weil wir nur Platz für zwei haben. Und überhaupt platzen wir aus allen Nähten. Du könntest hier die Pferdeabteilung sein.“ Ich dachte nach: eine Zweigstelle des Tierheims wäre wirklich gut. „Das klingt gar nicht schlecht. Ich würde mich da trotzdem gerne beraten lassen.“ – „Das ist doch klar. Such dir nen Anwalt, sprich mit ihm dein Vorhaben durch und er soll sich mit unserem Anwalt in Verbindung setzen. Und sobald klar ist ob alles klappt, kannst du mit dem Umbau anfangen.“


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein schweres Erbe (Janne Ahonen)
BeitragVerfasst: Fr 1. Mai 2009, 08:38 
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Bakken Putzer

Registriert: Di 16. Sep 2008, 22:14
Beiträge: 86
Teil 18

Eine Woche später hatte ich einen Termin beim Anwalt. Er war sehr nett, sah sich meine Unterlagen genau durch und versprach die Rechtslage zu klären und sich dann bei mir zu melden. Gespannt fuhr ich wieder nach Hause. Ich kam gerade rechtzeitig, Janne war gerade vom Mannschaftsbus abgesetzt worden und schleppte seine Sachen ins Haus. Wie ein geölter Blitz rannte ich auf ihn zu, er fing mich auf und wirbelte mich durch die Luft. „Ich freu mich auch, dich wiederzusehen!“ Ich grinste und versuchte ein paar Tränen zurückzuhalten. Ich hatte ihn wirklich sehr vermisst. „Komm erst mal in Ruhe an, soll ich was kochen?“

-

Eine Stunde später saßen wir bei einem Glas Wein beieinander und Janne erzählte von der Sommersaison. „Ich bin erstmal echt froh, dass es vorbei ist. Die Wettkämpfe im Sommer nerven mich irgendwie. Ich bin froh jetzt erstmal frei zu haben. Und was war hier so los?“ Ich erzählte bestimmt eine Stunde, bis Janne wieder auf den Laufenden war. „Wow, so viel Initiative hätte ich dir gar nicht zugetraut! Hast du schon einen Architekten?“ Ich schüttelte den Kopf und nippte an dem Wein. „Wusstest du, dass ich früher nie Wein getrunken habe? Erst seit wir beide zusammen wohnen. Ich hab überlegt einen Klimaschrank für Wein zu kaufen. Wir süppeln nämlich ganz schön was weg.“ Janne lachte und meinte, er fänd die Idee sehr gut. „Ich bin total das Wein-Opfer und jetzt hab ich dich auch noch abhängig gemacht! Muss ich ein schlechtes Gewissen haben?“ – „Nicht so lange wir bei dem gesunden Maß bleiben.“

-

Ich wachte am nächsten Morgen mit dickem Kopf auf, weil mein Handy klingelte. Fünf Minuten später sprintete ich in Jannes Schlafzimmer, sprang in sein Bett und rüttelte ihn wach. „Janne. JANNE WACH AUF! Wahnsinn, wahnsinn, wahnsinn!“ – „Was’n los? Willst du mich umbringen?“ – „Nein, aber mein Anwalt hat angerufen. Er hat schon alles ausgearbeitet. Ich kann nachher zum unterschreiben hinfahren und dann ist alles unter DACH UND FACH!!!“ Janne fiel grinsend wieder in sein Kissen und zog mich in seine Arme. „Ich freu mich für dich, ganz ehrlich. Das sind tolle Neuigkeiten! Hast du auch so einen Kater wie ich?“ Grinsend fing ich an mich zu entspannen und genoss, dass Janne meinen Kopf kraulte, der auf seiner Brust ruhte. „Ja, hab ich. Ich dachte ich sterbe als mein Handy plötzlich angefangen hat zu klingeln.“ Zufrieden hörte ich auf Jannes Herzschlag, während er lachte. „Sag mal Janne?“ – „Was ist?“ – „Schläfst du eigentlich nackt?“ – „Nein, ich trage Boxershorts.“ – „Dann ist ja gut. Ich geh jetzt trotzdem wieder in mein Bett. Wir sehen uns später, ja?“ Janne nickte und war wahrscheinlich schon wieder eingeschlafen, als ich das Zimmer verließ.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein schweres Erbe (Janne Ahonen)
BeitragVerfasst: Di 12. Mai 2009, 19:05 
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Bakken Putzer

Registriert: Di 16. Sep 2008, 22:14
Beiträge: 86
Teil 19

Nach ein paar Stunden Schlaf, einer Dusche und einer Pizza zum verspäteten Mittagessen zog ich mich nervös um. In einer Stunde traf ich mich mit Leena und unseren Anwälten. Janne sah mich ein wenig besorgt an. „Soll ich mitkommen?“ – „Hast du Ahnung von Verträgen?“ Janne nickte nur. „Wenn du willst werfe ich einen Blick drauf.“ – „Das wäre toll!“ Er ging sich umziehen und gemeinsam fuhren wir in die Kanzlei. Leena kam kurz nach uns an. Wir bekamen die Verträge vorgelegt und Janne und ich zogen uns erstmal zurück, um alles in Ruhe durchzugehen.

Letztendlich wurde nur ein Punkt abgeändert, dann unterschrieben Leena und ich die Verträge. Um ein bisschen zu feiern kauften wir uns im Supermarkt 3 Piccolos und setzten uns auf eine Parkbank. „Und, wie geht’s jetzt weiter?“ fragte Leena. Auch Janne sah mich gespannt an. „Ich muss einen Plan erstellen was alles gemacht werden muss und welche Reihenfolge am sinnvollsten ist. Dann muss ich Firmen beauftragen und los geht’s.“ Wenn es doch nur schon so weit wäre.

-

Zuhause angekommen fragte ich Janne, ob er ein wenig Zeit für mich hätte. „Für dich doch immer, was gibt’s?“ – „Ich will planen. Und ich vertraue dabei auf dein Urteil.“ Wir gingen also raus auf den Hof und mit Jannes Hilfe war der Plan schnell erstellt. Zuerst würde ich die Stallungen von außen ein wenig aufpolieren lassen, dann musste das Dach neu gedeckt werden. Dann müssten die Boxen neu gemacht werden. Nach genauer Begutachtung riet Janne mir nämlich von einer Restauration ab. Danach würde ich den Hof neu pflastern lassen, Koppelzäune mussten erreichtet werden und da ich nicht auf Hunde verzichten wollte bräuchte ich auch ein paar Zwinger. „Am besten du suchst dir eine Firma die sich um alles kümmert.“ – „Gibt’s das denn?“ – „Naja, zumindest haben die entsprechende Kontakte und können dir Empfehlungen für andere Firmen geben. Such dir eine Firma, die solche Kontakte hat.“ Mit den Händen in die Hüften gestemmt stand Janne neben mir und schaute sich um. Mir wurde das Herz richtig warm, er interessierte sich ebenso für das Projekt wie ich und mir war klar, dass ich nie einen besseren Freund hatte. „Ach Janne, was täte ich nur ohne dich?“ – „Wahrscheinlich würdest du dich immer noch verkriechen.“ Er hatte das als Witz gemeint, ich entgegnete jedoch seufzend, dass er damit sehr wahrscheinlich Recht hatte. Janne, der mein Seufzen natürlich bemerkt hatte, nahm mich in den Arm und wiegte mich hin und her. „Danke Janne“, murmelte ich in sein T-Shirt und als Antwort streichelte er lediglich meinen Rücken.
Wir standen eine ganze Weile so und als wir einander losließen sah ich ihm ein paar Sekunden zu lange in die Augen. Ich merkte wie ich ein wenig rot wurde und wand meinen Kopf ab. „Was hältst du eigentlich davon, wenn ich uns mal was zu essen mache?“ Ich ging schnellen Schrittes los und Janne folgte mir mit einigem Abstand. Eigentlich maß ich der Situation nicht sonderlich viel Bedeutung bei, schließlich hatten wir uns schon des Öfteren direkt in die Augen gesehen. Durchaus auch schon länger als eine Sekunde, aber irgendwas war anders gewesen. Nur was?

-

Beim Essen war zwischen uns alles wieder normal und ich war ziemlich überzeugt mir das nur eingebildet zu haben. Nachdem wir gegessen hatten durchforsteten wir die gelben Seiten. „Janne das bringts nicht. Ich hab keine Lust die alle anzurufen. Die wittern eh nur das Geschäft und erzählen mir was ich hören will.“ – „Du hast ja Recht. Ich rufe morgen mal die an, die mein Haus gebaut haben.“


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