Teil 14
Janne schenkte mir das Bild, ich fand aber nicht, dass es gut genug oder bedeutungsvoll genug war, um es aufzuhängen. Also packte ich es in Papier ein und legte es auf meinen Schrank. Trotzdem fühlte ich mich komischerweise nach meiner ’Kunstsession’, wie Janne das Ganze nannte, tatsächlich irgendwie besser. Es war als hätte mir jemand ein Gewicht von den Schultern genommen.
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Ein paar Wochen später musste Janne mit der Mannschaft ins Trainingslager nach Frankreich. Zuerst gammelte ich nur rum und ärgerte mich, als ich merkte, dass ich ohne Janne anscheinend nicht wusste, was ich mit meiner vielen Zeit anfangen sollte. Da ich mir nicht anders zu helfen wusste verbrachte ich meine Zeit mit Ari und Sergej. Zuerst wollten sie nicht, dass ich ihnen bei ihrer Arbeit half, aber nachdem ich gestand, dass ich nicht wusste was ich sonst tun sollte, ließen sie mich mitmachen. Sie brachten mir bei mit einer Motorsäge gefällte Bäume zu zerteilen, Holz mit der Axt zu spalten und woran ich erkannte ob ein Baum krank war oder nicht. Nachdem wir einzeln stehende Bäume gefällt, zerteilt und zu Kaminholz verarbeitet hatten kämpften wir uns durch den Wald. Auch hier wollten die beiden „aufräumen“ und alles unnötige, abgestorbene und kranke entfernen. Trotzdem war ich froh, als Janne nach zwei Wochen wiederkam. Freudestrahlend begrüßte ich ihn. „Na, was ist denn mit dir passiert?“ Verwundert sah ich ihn an. „Was soll mit mir passiert sein?“ – „Na du hast Muskeln in den Armen bekommen und bist total braun und zerkratzt. Hast du Kampfsporttraining im Freien gemacht?“ Er musterte meine nackten Arme, die tatsächlich ganz schön zerkratzt, dafür aber schön braun geworden waren. – Ich grinste und lief neben ihm die Treppe zur Haustür hoch. „Nein, ich wusste nicht wie ich meine Zeit rumkriegen sollte, da hab ich mich an Sergej und Ari gehängt. Wir haben zig Bäume gefällt, zu Kaminholz verarbeitet und angefangen den Wald aufzuräumen. Dafür werden die beiden noch ewig brauchen. Findest du echt ich hab Muskeln bekommen?“ Janne nickte und stellte seine Taschen ab. „Und du siehst ziemlich zufrieden aus. Ist was außergewöhnliches passiert? Hast du jemanden kennengelernt?“ – „Ach quatsch. Ich hab nur gemerkt, dass ich körperliche Arbeit ganz gerne mag. Die letzten zwei Wochen hab ich jede Nacht durchgeschlafen. Das konnte ich nicht mehr seit… Naja, seit dem Unfall.“ Janne lächelte mich nur an. „Na dann will ich dich erstmal in Ruhe ankommen lassen, ich geh noch ne Runde spazieren.“
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Nachdem wir abends eine Kleinigkeit gegessen hatten saßen wir mit einem Glas Wein auf der Treppe vorm Haus und Janne erzählte vom Trainingslager. „Du siehst also: Das ist alles schön und gut, aber man kann doch froh sein, wenn man die ganze Bande nur noch zum Training sieht.“ Ich lachte und trank einen Schluck. „Ja, das verstehe ich dann doch.“ Wir schwiegen eine Weile. Das war das allercoolste an unserem Zusammenleben. Wir konnten stundenlang über Gott und die Welt reden, wir konnten aber auch einfach nur zusammensein und schweigen, ohne dass es unangenehm wurde. Janne riss mich aus meinen Gedanken, indem er sein Lieblings- und mein Hassthema anschnitt. „Und, haben dich die letzten beiden Wochen weitergebracht? Hast du ne Idee was du mit deiner Zeit anfängst?“ Ich verdrehte die Augen. „Gedanken gemacht hab ich mir, ich bin aber zu keinem Ergebnis gekommen.“ – „Erzähl mir von deinen Gedanken.“ Ich goss uns Wein nach und lehnte mich zurück. „Also ich hab ein bisschen mit Sergej und Ari geredet. Die beiden haben einen ganzen Tag lang alle Berufe aufgezählt, die ihnen eingefallen sind. Bei jedem hab ich überlegt, ob das was für mich sein könnte, aber ich hatte keinen Treffer.“ Ich sah Janne an, dass er schon wieder ungeduldig wurde. Er war ansonsten der geduldigste und ausgeglichenste Mensch den ich kannte, aber bei diesem Thema hatte ich immer das Gefühl, dass er mich einfach nur schütteln wollte, bis mir etwas einfiel. „Janne, ich hab manchmal so das Gefühl, du willst so dringend, dass ich was finde, damit ich dir nicht immer am Pelz hänge. Wenn ich dich nerve sag’s mir einfach.“ Janne warf mir nur einen Blick zu, der mir sagte, dass meine Vermutung Schwachsinn war. „Ich meine ja nur. Die letzten zwei Wochen haben mir immerhin die Erkenntnis gebracht, dass ich keine Menschen um mich rum haben will.“ – Wie meinst du das denn bitteschön? Nerve ich dich etwa?“ – „Du weißt, dass du das nicht tust. Nein ich meine eher, dass ich nicht gezwungen sein will mich mit Menschen abzugeben die ich nicht mag. Egal ob als Kunden oder Kollegen oder so. Ich wär gern mein eigener Boss. So wie hier zuhause. Ich konnte mir aussuchen ob du hier wohnst oder nicht. Und ich konnte mir aussuchen, ob ich Ari und Sergej hier um mich haben will oder nicht. Ich habe überlegt mir Tiere anzuschaffen. Aber davon bin ich schon wieder weg.“ – „Darf ich fragen warum? Die Idee ist doch ganz gut.“ Ich grinste und nahm noch einen großen Schluck. „Weil ich mich kenne. Angenommen ich gehe los und will mir einen Hund kaufen. Ich garantiere dir, ich kann mich nicht entscheiden und nehme mindestens zwei. Fange ich damit an gibt es kein Ende mehr. Dann sehe ich vielleicht auf der Straße jemanden mit einem Dackel und dann will ich auch einen Dackel haben. Das ist wie mit Pralinen: Hast du eine probiert willst du die anderen auch.“ Janne fing an grölend zu lachen und beruhigte sich lange nicht. „Du vergleichst Hunde mit Pralinen? Ich wusste mit dir stimmt was nicht. Aber was ist so schlimm daran? Du hast die Kohle!“ – „Ja, und ich habe Angst, dass ich unvernünftig werde und ich irgendwann alles ausgegeben habe. Und wenn das passiert stehe ich dumm da!“ Janne wurde ernst und nickte. „Ich weiß was du meinst. Ich weiß ja nicht wie es genau finanziell bei dir aussieht, aber nach dem was Erja mir erzählt hat bräuchtest du nie im Leben arbeiten gehen und könntest trotzdem das Geld aus dem Fenster schmeißen.“ – „Das stimmt ja auch. Aber bedenke was das kostet, so viele Tiere! Vielleicht komme ich ja noch auf die Idee mir ein Boot oder Flugzeug zu kaufen und durch die Welt zu jetten.“ – „Nimmst du mich dann mit?“ Ich rutschte näher an Janne heran, hakte mich bei ihm unter und legte meinen Kopf auf seine Schulter. „Na klar. Ich glaub du wärst der einzige Mensch, den ich wirklich gern dabei hätte.“
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