Teil 24
Solange es draußen weiter blitzte und donnerte hatte es keinen Sinn sich auf die Suche nach den dreien zu machen. Also gingen wir ins Haus, zogen trockene Klamotten an und wärmten uns auf. Janne hatte Gummistiefel und Parkas an der Tür platziert, so dass wir sofort los konnten, wenn das Gewitter weitergezogen war. „Ich versuche Leena zu erreichen, vielleicht kann sie uns suchen helfen.“ Die Telefonleitung war jedoch tot. „Janne, was machen wir denn jetzt?“ Ich war der Verzweiflung so nah und konnte meine Tränen kaum noch zurückhalten. „Was wenn den dreien etwas passiert?“ Janne nahm mich in den Arm. „Es dauert nicht mehr lange, dann ist das Gewitter weggezogen. Dann gehen wir sofort los und suchen sie. Vielleicht sind sie nicht sehr weit. Und so lange bereiten wir alles vor, okay?“ Ich nickte schniefend und Janne nahm mich in den Arm und streichelte mir beruhigend über den Rücken. „So, und jetzt gehst du dich warm anziehen. Und sieh nach ob dein Handyakku voll ist, falls wir uns verlieren. Und ich besorge Taschenlampen, okay? Hast du eine Mütze?“
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Eine halbe Stunde später stiegen wir dick eingepackt in unsere Gummistiefel und traten vor die Haustür. Das Gewitter war vorbeigezogen, doch es regnete immer noch kräftig. „Hör zu, wir gehen zusammen los. Hast du deine beiden Taschenlampen?“ Ich nickte. „Handy?“ Wieder nickte ich. „Pferdeleckerlies?“ – „Ja ich hab alles, wir können los.“ Seite an Seite stapften wir über den Hof in die Richtung, in die zumindest die Stuten gelaufen waren. Beide hatten wir Führstricke dabei und für King Kong ein Halfter. „Wenn wir die Stuten finden und King Kong nicht bei ihnen ist müssen wir sie mitnehmen wenn wir ihn suchen. Zumindest wenn sie nicht verletzt sind. Ich glaube nicht, dass wir es hinkriegen ihm ein Halfter umzulegen.“ Janne nickte zustimmend. Während wir der Spur der Pferde folgten, durch den Regen war der Boden aufgeweicht und man konnte die Hufabdrucke sehen, versuchten wir abwechselnd Leena zu erreichen, doch auch das Handynetz blieb tot. „Selbst wenn wir sie erreichen würden, wer weiß was bei denen für ein Chaos herrscht. Wir müssen es alleine schaffen.“
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Es dauerte nicht lange, bis die Spuren in den Wald führten. Das war zu erwarten gewesen und wir schlugen uns durch das Dickicht. Die Wege, die Sergej und Ari in den letzten Monaten angelegt hatten, hatten die Pferde natürlich verlassen. Beide leuchteten wir mit unseren Taschenlampen in die Dunkelheit, blieben oft stehen und lauschten, doch kein Geräusch ließ erahnen, wo die drei hingelaufen waren. Doch dass sie zusammen waren ließ sich aus den Spuren ablesen. Ich ging hinter Janne und rannte in ihn hinein, als er plötzlich stehen blieb. „Was ist los?“ Ich trat neben ihn und sah das Malheur. „Sie haben sich getrennt“, sagte er überflüssigerweise. „Das heißt wir müssen uns nun auch trennen“, stellte ich fest. „Hast du Angst?“ – „Ja. Alleine durch den Wald zu stapfen finde ich nicht sehr anregend.“ – „Wir können auch weiter zusammen gehen.“ Ich schüttelte den Kopf und das Wasser spritzte nur so zu allen Seiten. „Nein, das dauert zu lange. Ich schaffe das schon.“ Wir nahmen uns kurz in den Arm und folgten dann getrennt den beiden Spuren. Eine ganze Weile riefen wir noch gegenseitig unsere Namen, um festzustellen, ob wir noch nah beieinander waren, doch irgendwann hörte ich Janne nicht mehr. Ängstlich folgte ich der Spur. Der Regen hatte mittlerweile aufgehört oder kam durch die vielen Blätter nicht durch, es tröpfelte nur noch. Trotzdem war ich bis auf die Unterwäsche durchnässt und zitterte vor Kälte. Als ich nach einer Stunde immer noch kein Pferd entdeckt hatte versuchte ich Janne anzurufen, ob er mehr Glück gehabt hat. Doch, wie zu erwarten gewesen war, hatte ich keinen Empfang. „Oh Janne, ich wünschte du wärst hier!“ Ich hatte Angst, fror wie ein Schneider, war müde und erledigt. Die Tränen brannten heiß auf meinen Wangen, und es machte mich wütend, dass ich weinte. „So eine verdammte Scheiße auch!“ Ein gellender Schrei und lautes Knacken und Geraschel brachte mein Herz dazu, für zwei Schläge auszusetzen. „Janne?“ Nichts. „Janne“, rief ich lauter. Ein wütendes Wiehern war die Antwort. Ich leuchtete ins Dickicht. „Sunshine? Jessy?“ Solange ich rief hörte ich das Pferd toben und schnauben. Es schien sich jedoch nicht zu bewegen. Vorsichtig folgte ich den Geräuschen. „King Kong!“ Wie vom Donner gerührt erstarrte ich, als sein Gesicht plötzlich vor mir auftauchte, die Nüstern weit aufgebläht und die Augen in Panik aufgerissen. Wie zwei Salzsäulen standen wir uns gegenüber und sahen uns an. Warum griff er mich nicht an? Normalerweise stürmte er sofort auf jeden zu, der versuchte sich ihm zu nähern und versuchte auszutreten. „Hey, was ist los Süßer?“ Ich versuchte beruhigend auf ihn einzureden und ging vorsichtig einen Schritt auf ihn zu. Er tänzelte, doch irgendwas sah komisch aus. Es dauerte ein wenig bis mir auffiel, was mich störte. Er tänzelte nervös und ängstlich hin und her, doch sein Kopf bewegte sich nicht mit. Vorsichtig hob ich die Taschenlampe und leuchtete. „Oh du Armer, du bist ja ganz verheddert.“ Seine Mähne war, da man nicht an ihn rankam, sehr lang und hatte sich im Dornengebüsch verheddert. Anscheinend versuchte er schon länger sich zu befreien, denn er hing so fest, dass er sich kaum bewegen konnte. Ich redete weiter behutsam auf ihn ein. „Okay mein Guter, ich hole dich da raus, aber dafür darfst du mich nicht treten, okay?“ Während ich beruhigend auf ihn einredete und mich ihm langsam näherte fummelte ich mein Taschenmesser aus der Hosentasche. Janne hatte Gott sei Dank daran gedacht, dass es nicht schlecht wäre ein Messer dabei zu haben.
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