Forum für Finnen-Fans

Tummelplatz für alle Freunde des finnischen Skispringens
Aktuelle Zeit: Do 2. Mai 2024, 12:11

Alle Zeiten sind UTC + 1 Stunde




Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 23 Beiträge ]  Gehe zu Seite 1, 2  Nächste
Autor Nachricht
 Betreff des Beitrags: Watch over you
BeitragVerfasst: Di 19. Mai 2009, 20:36 
Offline
Bakken Putzer

Registriert: Di 16. Sep 2008, 22:14
Beiträge: 86
Hier eine nicht ganz neue Story von mir ;)


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
 Betreff des Beitrags:
Verfasst: Di 19. Mai 2009, 20:36 


Nach oben
  
 
 Betreff des Beitrags: Re: Watch over you
BeitragVerfasst: Di 19. Mai 2009, 20:36 
Offline
Bakken Putzer

Registriert: Di 16. Sep 2008, 22:14
Beiträge: 86
Teil 1

Also ich war es ja von klein auf gewohnt gewesen, dass die Leute mich mehr oder weniger auslachten, ich auf jeden Fall nie so wirklich ernst genommen wurde. Aber es ist schon recht deprimierend wenn man mit 19 Jahren noch für einen Jungen gehalten wird. Besonders wenn man, wie ich, keiner ist...
Und heute ist mir echt fast der Kragen geplatzt. Ich war mit meinem Bruder Anders beim Springen gewesen. Er ist Skispringer im Norwegischen Nationalteam und heute war das Abschlussspringen einer erfolgreichen Saison. Unsere Jungs hatten so ziemlich alles abgeräumt was es abzuräumen gab, außer dem Gesamtsieg, der ging an Janne Ahonen aus Finnland. Auf jeden Fall hat mein Bruder mich mitgenommen. Da ich ebenfalls sprang und während den Springen in Norwegen auch als Vorspringerin tätig war, wollte ich natürlich nicht fehlen. Mir wurde sogar die große Ehre zuteil als letzte vom Holmenkollen zu springen. Mein Sprung war echt nicht schlecht und dementsprechend happy fuhr ich den Auslauf entlang und bremste kurz vor der Bande hinter der alle anwesenden standen, allen voran mein Bruder mit seinen Teamkollegen, die kurz vor mir gesprungen waren. Strahlend nahm ich meinen Helm ab als ich die Jungs lachen hörte. Anscheinend merkten sie nicht das ich in ihrer Nähe stand, denn gerade machte sich Björn Einar Romøren über mich lustig. „Hey Anders, bist du dir sicher das deine Schwester kein Kerl ist? Ich meine sogar du siehst weiblicher aus als sie...“ Der Spruch hatte gesessen. Besonders von Björn, den ich heimlich ein kleines bisschen verehrte. Aber ich war solche Sprüche gewohnt, schulterte lautstark meine Skier und stapfte an den Jungs vorbei. „Hey Romøren, ich sehe sogar männlicher aus als du. Ist ja kein Kunststück, das schafft sogar deine Freundin...“
Ohne jeden weiteren Kommentar ging ich zu meinem Auto, lud meine Skier ein und zog meine Winterjacke über. „Hey Schwesterchen, nimm dir das nicht so zu Herzen...“ Anders war mir gefolgt und sah mich etwas bedröppelt an. „Was soll ich mir nicht zu Herzen nehmen? Glaubst du ich höre auf das, was dieser Möchtegern-Playboy sagt?“ Anders brauchte mich nur scharf ansehen und schon war meine Deckung, die vor anderen Leuten immer hielt, eingebrochen. „Oh man Anders... warum durchschaust du mich immer?“ Er grinste. „Tjaaaaaaaa ich bin halt dein einzigartiger, wundervoller, vollkommener Lieblingsbruder und weiß halt was in dir vorgeht.“ Ich seufzte und er legte den Arm um mich. „Ach komm schon Sirka, vergiss das und komm mit feiern. Er meint es ja gar nicht böse.“ Ich reckte mich ein bisschen und strich Anders über die Wange. „Ach Bruderherz, du bist zu gut für diese Welt. Aber lass ma stecken, ich fahr lieber schon nach Hause. Ruf mich einfach ab wenn du abgeholt werden willst, ich schätze du kannst dann nicht mal mehr gerade laufen...“ „Da hast du wahrscheinlich sogar Recht. Trotzdem ich würde mich freuen wenn du dableiben würdest.“ Er nahm mich in den Arm und drückte mich an sich, ich befreite mich jedoch und stieg ins Auto und startete den Motor. Dann kurbelte ich noch einmal das Fenster herunter und sah ihn tröstend an. „Hey jetzt guck nicht so... geh zu den anderen und feier ordentlich. Ich hab da doch eigentlich eh nichts zu suchen. Und vergiss nicht anzurufen, okay?“ Er nickte und trat einen Schritt zurück. Ich fuhr aus der Parklücke und entfernte mich rasch Richtung Heimat.
Zuhause angekommen lief ich gleich an unseren Eltern vorbei, die natürlich wissen wollten wie es war und warum ich schon zurückkam. Ich antwortete jedoch nicht sondern stürmte gleich in den Keller, zog meinen Sprunganzug aus und schlüpfte in ein paar Boxershorts und ein T-Shirt. Dann musste ich erst mal meine Wut an unserem Sandsack auslassen. Anders hatte mal eine Phase gehabt in der er Boxen lernen wollte und der Sandsack stammte noch aus dieser Zeit. Ich benutzte ihn von je her um meine Aggressionen daraus auszulassen indem ich einfach wütend drauf los kloppte und trat. Das half eigentlich immer ganz gut. Und ich benötigte ihn auch relativ oft, denn dumme Sprüche hörte ich nahezu jeden Tag. Bis ich 16 war hatten mir immer alle gesagt ich wäre halt ein Spätzünder und mein Körper würde halt später die fraulichen Proportionen annehmen als bei anderen. Tja, jetzt war ich 19 und hatte die Hoffnung aufgegeben, dass sich da jemals was entwickeln würde...
In der Schule war ich immer als wandelndes Brett betitelt worden und das dachten die Leute wahrscheinlich heute noch, wenn sie es auch nicht mehr aussprachen. Das Skispringen war das Einzige, wo ich froh war einen so kleinen Busen zu haben, da störte der nämlich nicht *gg* Denn die meisten Mädchen die mal als Knirps mit mir angefangen hatten zu springen hatten irgendwann aufhören müssen, weil ihre Oberweite schlicht und ergreifend zu groß geworden war. Das Problem hatte ich nie. Und da ich auch nicht besonders groß war wurde ich halt trotz der langen Haare meistens für einen Jungen gehalten.
Die Leute dachten alle das würde mir nichts ausmachen, sogar meine Eltern dachten so. Anders war komischerweise der Einzige der wusste, wie es in mir drin aussah. Wir verstanden uns wirklich schon immer sehr gut und deshalb war er auch der Einzige mit dem ich reden konnte wenn mich mal wieder ein Junge hatte abblitzen lassen indem er mich ausgelacht hatte, nachdem ich ihn gefragt hatte ob er mal mit mir ausgehen wollen würde.
Naja, nachdem ich mich 20 Minuten lang an dem Sandsack ausgelassen hatte, indem ich mir vorstellte es wäre Björn, ging ich nach oben und begab mich unter die Dusche. Danach zupfte ich ein paar Klamotten aus dem Schrank und schmiss mich dann auf mein Bett um meine Tante Martta in Finnland anzurufen.
Sie war die ältere Schwester meines Vaters und hatte sich schon als junges Mädchen in einen Finnen verliebt und war mit ihm in seine Heimat gegangen. Vor 2 Jahren war Onkel Jarkko an Lungenkrebs gestorben und seitdem wohnte sie alleine in einem für sie viel zu großem Haus in Nastola, einer kleinen Stadt die nur einen Katzensprung von Lahti entfernt war. Wir hatten ihr mehr als einmal angeboten zu uns zu ziehen, doch sie wollte sich nicht von dem Haus trennen und fühlte sich mittlerweile in Finnland mehr zu Hause als in Norwegen.
Sie freute sich tierisch über meinen Anruf und wir quatschten eine ganze Weile über Gott und die Welt. Doch nach einer Weile räusperte sie sich und wurde ernst. „Und jetzt mein Mädchen erzähl mir was du auf dem Herzen hast.“ „Ähhh...ich??? Was soll ich denn auf dem Herzen haben? Mir geht’s gut. Heute war das Abschlussspringen und ich hatte einen echt guten Sprung. Hey und ich durfte als letzte Springen!!! Irgendwie hab ich bei Mika einen Stein im Brett.“ „Man das freut mich für dich. Und jetzt erzähl was los ist. Hat mal wieder irgendwer einen besonders blöden Spruch abgelassen?“ Boah diese Frau hatte das gleiche Talent wie Anders mich immer wieder zu durchschauen. „Och Tantchen... Also du und Anders ihr treibt mich noch in den Wahnsinn... Also gut, der Romøren hat nach meinem Sprung nen Spruch gelassen. Aber halb so schlimm, ich hab ihm ordentlich Kontra gegeben. Wirklich!!!“ „Ach kleines... Es ist trotzdem nicht schön. Sag mal du hast doch gerade Ferien. Was hältst du davon, wenn du mich mal wieder besuchst? Ich hab dich schon ewig nicht mehr gesehen.“ Ich dachte kurz nach. Ein paar Tage hier raus wäre schon was Tolles. „Joa aber Tantchen, ich hab doch nur noch eine Woche...“ „Ach komm schon Sirka. Du bist meine Lieblingsnichte und ich hab dich ewig nicht gesehen. Also leg dich jetzt ins Bett und schwing dich morgen früh in dein Auto oder in den Zug und komm hier rüber.“
Ich musste schmunzeln. Meine Tante hatte eine total niedliche Art alle Leute dazu zu bringen das zu tun was sie wollte. „Oooooooookay... ich gebe mich geschlagen. Aber ich denke ich werde mit dem Zug kommen, ich habe keine Lust die Strecke mit dem Auto zu fahren. Ich ruf dann noch mal kurz durch und sage dir Bescheid wann ich am Bahnhof in Lahti bin okay? Kannst du mich abholen?“ Meine Tante war gelernte Designerin und arbeitete bei einem kleinen Modelabel und konnte zu Hause arbeiten und sich so ihre Zeit einteilen wie sie wollte. „Aber natürlich, dann können wir auch gleich noch einen kleinen Stadtbummel machen. Ich freue mich mein Herz. Bis morgen dann und grüß mir deine Eltern und besonders deinen Bruder.“
Gleich nach dem Telefonat packte ich meinen Koffer und ging danach zu meinen Eltern. Die waren zuerst ein bisschen mürrisch, dass ich das so spontan und ohne sie zu fragen entschieden hatte, doch ich erinnerte sie daran, dass ich kein Kind mehr war. Das mussten sie wohl oder übel einsehen und freuten sich dann doch, dass ich zu meiner Tante fuhr. Nach dem Abendessen legte ich mich dann relativ früh schlafen und wachte das nächste Mal auf als mein Handy klingelte und am anderen Ende mein stark angetrunkener Bruder rumlallte und mich bat ihn abzuholen. Ich versprach ihm sofort loszufahren und sah nachdem ich mich angezogen hatte noch mal auf die Uhr. Kurz nach fünf Uhr morgens... Da brauchte ich schon fast nicht mehr ins Bett zu gehen wenn wir wieder zu Hause waren. Aber egal, ich hatte es Anders immerhin angeboten. Also setzte ich mich gähnend ins Auto und fuhr in Richtung Schanze.
Als ich dort ankam erkannte ich noch einige andere Autos. Anscheinend war Anders nicht der einzige, der selbst nicht mehr fahren konnte. *gg*
Ich stieg also aus und zog meine Jacke noch ein bisschen enger an mich. Anders stand mit seinem Team zusammen und sie sangen lautstark irgendwelche schmutzigen Lieder. Als er mich erblickte machte er sich von den anderen los und wankte auf mich zu, wollte mich dann in den Arm nehmen, stolperte aber und plumpste auf mich drauf. Ich konnte ihn gerade so halten und hatte Mühe nicht selbst gleich im Schnee zu liegen. Auch ein besoffener Skispringer wiegt viel. Er fing sich jedoch wieder und ich stellte ihn einigermaßen gerade hin.
Er gab mir dann noch einen feuchten Kuss auf die Wange und meinte, ich wäre ja die allerbeste Schwester die man sich vorstellen konnte. Dann fragte er mich ob wir vielleicht noch Björn mitnehmen könnten, er hätte versucht jemanden zu erreichen der ihn abholt, aber es hätte sich niemand gefunden. Ich meinte zwar er solle sich doch ein Taxi rufen, aber Anders war der Meinung, da Björn nur ein paar Häuser weiter wohnte könnte dieser sich das Geld doch sparen.
Ich murmelte meine Meinung dazu in meinen nicht vorhandenen Bart und konnte mich nun mit zwei Besoffenen rumärgern. Nachdem ich Anders auf die Rückbank verfrachtet hatte, weil er sich ein wenig lang machen wollte, ging ich zurück zu der Truppe und eiste Björn von den Anderen los und schob ihn freundlich aber bestimmt auf meinen Beifahrersitz. Ich fragte die Jungs nochmal ob auch wirklich keinem von beiden irgendwie ansatzweise schlecht war oder so und als beide verneinten fuhr ich langsam los um ihre Mägen zu schonen.
Ich war noch nicht weit gefahren als von hinten schon ein leises Schnarchen ertönte. Ich sah in den Rückspiegel und verfluchte mich, dass ich keinen Fotoaperrat mitgenommen hatte. Mein Bruder war so herrlich niedlich wenn er schlief. Björn sang die ganze Zeit leise vor sich hin, aber das war mir tausend mal lieber als irgendwelche dummen Sprüche oder sonstiges. Bei ihm zu Hause angekommen musste ich ihm aus dem Auto helfen und ihn zur Haustür bringen, da er hundertprozentig das Schlüsselloch nicht finden würde, wie er mir versicherte. Also schleppte ich ihn zur Haustür und suchte an seinem umfangreichen Schlüsselbund nach dem richtigen Schlüssel.
Björn lehnte an der Wand und sah mir dabei zu. Er nuschelte die ganze Zeit was vor sich hin aber ich achtete nicht wirklich auf das was er von sich gab, da ich nicht davon ausging, dass es etwas sinnvolles war. Doch als er mich antickte und fragte ob ich ihm zuhören würde unterbrach ich meine Schlüsselsuche und sah ihn an. „Isch hap disch was gefragt...“ *lall* „Und was willst du wissen?“ „Ob du misch ma küssen würdest...“ Ich ließ vor Schreck beinahe das Schlüsselbund fallen und sah ihn an. „Was??? Warum das denn???“ Er grinste und brauchte anscheinend einen Augenblick um die richtigen Worte zu finden. „Najaaaaaaa... isch wollte schon imma wissen wie es is einen Mann zu küssen.“
Einen Augenblick stand ich wie versteinert vor ihm. Dann schmiss ich ihm das dämliche Schlüsselbund vor die Füße und stapfte wütend zum Auto. Björn stand zwar wild protestierend vor seiner Haustür, aber es war mir gerade herzlich egal ob er sich sonst was abfror oder nicht. Ich startete den Wagen und raste davon. Ich wollte jetzt nur noch nach Hause.
Zu Hause musste ich meinen Bruder aber erst mal stützen damit er sich in Ruhe einige Sachen im Erdbeerbeet unserer Mutter durch den Kopf gehen lassen konnte. (INSIDER!!!) Die rasante Heimfahrt war ihm leider nicht so gut bekommen.
Als ich Anders dann wohlbehalten in sein Bett gebracht hatte verzog ich mich erst mal wieder für eine halbe Stunde in den Keller. Und das erste Mal fiel mir auf das der Sandsack mittlerweile doch schon sehr abgenutzt aussah. Und Anders hatte ihn eigentlich nur ein paar Mal benutzt als er mit dem boxen anfing. Die Begeisterung war jedoch sehr schnell wieder verflogen und seitdem hing er eigentlich nur noch für mich im Keller. Und so wie er aussah hatte ich zweifellos schon eine Menge an ihm ausgelassen. Irgendwie war das ja ein Armutszeugnis für mich und mein Leben.
Der Gedanke deprimierte mich zutiefst und nachdem ich noch mal schnell geduscht hatte legte mich noch einmal ins Bett um wenigstens noch eine kleine Mütze voll Schlaf zu kriegen.

Ein paar Stunden später wachte ich auf, stellte mich erneut unter die Dusche um überhaupt richtig wach zu werden und schlurfte dann samt Gepäck runter in die Küche und machte mir ein Müsli um überhaupt etwas in den Magen zu kriegen.
Nicht erheblich lange nach mir kam Anders die Treppe runtergeschlurft, und hatte ich vorher noch gedacht, dass ich nicht ganz taufrisch aussehen würde, so wurde ich nun eines besseren belehrt. Er sah wirklich erbärmlich aus, auch wenn er meinte es ginge ihm erstaunlich gut. „Wem gehört eigentlich das ganze Gepäck im Flur? Ich hätte mich da eben beinahe böse langgemacht. Haben wir Besuch?“ „Das ’ganze Gepäck’ wie du es nennst ist eine Reisetasche und ein Rucksack und gehört mir. Ich fahre heute zu Tante Martta nach Nastola.“ Er ließ seine Tasse Kaffe sinken und sah mich an. „Wie du fährst nach Nastola?“ Ich kaute schnell auf bevor ich antwortete. „Welchen Teil von ’Ich fahre nach Nastola’ hast du nicht verstanden?“ „Ja ich hab das schon verstanden... Aber was willst du in Nastola?“ Oh man, wenn der mal gesoffen hatte war er am nächsten Tag aber auch immer schlecht von Begriff. „Ich fahre doch nur Tante Martta besuchen, was ist daran so schwer zu verstehen?“ „Hey Schwesterchen jetzt keif hier nich so rum. Ich hab das schon verstanden! Aber was willst du da? Ich meine Tante Martta kannst du auch wann anders besuchen, über ein Wochenende oder so. Aber du hast noch eine Woche Ferien, da willst du doch nicht in Nastola rumhängen. Das ist doch die Provinzstadt schlechthin. Ich meine da ist doch wirklich nichts los.“
„Boah Anders, vielleicht brauch ich das aber mal. Einen Platz wo ich mal eine Weile meine Ruhe habe. Außerdem war ich ewig nicht mehr da. Bisher hat Martta uns ja meistens besucht. Und sie würde sich bestimmt freuen wenn du sie auch mal besuchen kommen würdest. Ich soll dich im Übrigen schön von ihr grüßen.“ Anders setzte seine Tasse Kaffee an und schien zu überlegen. „Ja du hast ja Recht. Das könnte ich wirklich mal wieder tun. Weißt du was? Fahr doch mit dem Zug bis Lahti. Sie holt dich bestimmt gerne ab. Und in einer Woche komm ich vorbei und hole dich wieder ab, dann sehe ich sie auch mal wieder...“ Ich grinste, mein Bruder war manchmal wirklich sehr schnuffig. „Ich hatte sowieso vor mit dem Zug zu fahren und ich halte es für eine hervorragende Idee, wenn du mich abholen würdest. Vielleicht kannst du ja auch das Wochenende da bleiben?“ Er zuckte mit den Schultern was soviel hieß wie ’Ich werde es mir überlegen...’
„Tja Schwesterlein, das wär ja nun besprochen. Ich glaub ich pack mich erst mal unter die Dusche um nicht wie der letzte Mensch rumzulaufen. Ich würde dich ja dann zum Bahnhof fahren, aber ich glaube wenn ich dann angehalten werde habe ich ein Problem.“ Ich zwinkerte ihm verschwörerisch zu. „Oh ja das glaube ich auch.“
Nachdem ich fertig gefrühstückt hatte und noch ein bisschen in der Zeitung rumgeblättert hatte verabschiedeten Anders und ich unsere Eltern. Sie waren beide in der Geschäftsleitung eines großen norwegischen Unternehmens beschäftigt und sehr oft auf Geschäftsreisen, bevorzugt miteinander. Das waren wir gewohnt.
Nachdem sie weg waren begann auch ich mich fertig zu machen um mit dem Bus zum Bahnhof zu fahren. Anders begleitete mich zur Bushaltestelle und trug freundlicherweise meine Reisetasche.
„Also dann Sirka, auch wenn sich das anhört wie bei unseren Eltern: Ruf bitte an wenn du gut bei Tante Martta angekommen bist, ja? Und lass mal von dir hören...“ Er nahm mich in den Arm und ich versprach mich öfters bei ihm zu melden um dann auch abzusprechen wann er mich abholen würde. Dann gab ich ihm noch den Rat keine Party zu feiern wenn er sturmfrei hatte, denn leider gehörten seine Skisprungkollegen auch zu seinen besten Freunden, und sein bester Freund war (was ich noch nie verstehen konnte) Björn und wenn die Jungs richtig feierten würde man hinterher wahrscheinlich neu renovieren müssen. Er grinste mich an und meinte, er wäre noch gar nicht auf die Idee gekommen eine Party zu veranstalten, aber er bedankte sich augenzwinkernd für den Tipp. Dann musste ich jedoch endgültig einsteigen und Anders winkte mir noch hinterher bis der Bus um die nächste Straßenecke verschwand.
Am Bahnhof kaufte ich mir mein Zugticket Richtung Lahti und ich hatte Glück, ich würde nur einmal umsteigen müssen. Nachdem ich auch noch ein bisschen Proviant besorgt hatte machte ich mich auf den Weg zu meinem Gleis und eine viertel Stunde später rollte der Zug langsam und gemütlich aus dem Bahnhof.
Neun Stunden später rüttelte mich jemand leicht unsanft an der Schulter. „Hallo??? Hallo??? Sie müssen aussteigen, wir sind in Lahti, das ist die Endstation...“ Bei dem Wort ’Endstation’ wurde ich endgültig wach und sah erschrocken in das freundliche Gesicht von einem älteren Schaffner. „Oh ich hab wohl geschlafen...“ Er grinste mich an. „Ja das haben sie wohl. Tief und fest. Aber beeilen sie sich lieber, draußen auf dem Bahnsteig läuft eine Dame aufgeregt wie ein junges Reh auf und ab. Ich schätze die wartet auf sie.“ Oh man das musste mein Tantchen sein. Schnell packte ich mein Gepäck und stieg aus dem Zug.


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
 Betreff des Beitrags: Re: Watch over you
BeitragVerfasst: Di 19. Mai 2009, 20:37 
Offline
Bakken Putzer

Registriert: Di 16. Sep 2008, 22:14
Beiträge: 86
Teil 2

„Sirka... Oh mein Herz, ich hab schon gedacht wir hätten uns verpasst oder du hättest es dir anders überlegt oder so.“ Tante Martta kam leicht hektisch auf mich zu und ich nahm sie grinsend in den Arm. „Ach quatsch. Ich war nur eingeschlafen und hab voll verpennt. Wenn hier nicht schon die Endstation gewesen wäre und der Schaffner mich nicht geweckt hätte dann würde ich wahrscheinlich jetzt noch schlafen.“ Tante Martta fuhr mir grinsend durch die Haare. „Das sieht dir irgendwie ähnlich. Jetzt komm aber, ich steh im absoluten Halteverbot und will nicht schon wieder einen Strafzettel kassieren. Das wäre nämlich schon der dritte diese Woche...“ Das wiederum sah meiner Tante sehr ähnlich. Aber mich hatte ihr leicht chaotisches Leben schon immer fasziniert und sie war nicht umsonst meine Lieblingstante.
„Es kann übrigens möglich sein das Anders mich dann mit dem Auto abholt und ein oder zwei Nächte dableibt.“ „Oh das wäre aber toll. Seit er als Profi springt kenne ich ihn nur noch aus dem Fernsehen. Das ist irgendwie ein bisschen deprimierend.“ Wir sahen uns an und mussten gleichzeitig losprusten. Denn meine Tante konnte nichts wirklich deprimieren, dazu war sie einfach viel zu fröhlich. Ich selbst hatte sie auch erst einmal in meinem ganzen Leben traurig gesehen, und das war auf der Beerdigung von meinem Onkel. Martta riss mich aus meinen Gedanken und fragte ob ich noch Lust hätte mit ihr ein wenig in die Stadt zu fahren und zu shoppen. „Du Tantchen tut mir echt leid, aber ich bin ganz schön kaputt von der langen Zugfahrt. Können wir das vielleicht verschieben?“ „Oh aber natürlich. Dann lass uns erst nach Hause fahren und deine Sachen verstauen, dann setzen wir uns ein bisschen zusammen und tratschen ein wenig.“
Während sie uns durch Lahtis Straßen stadtauswärts Richtung Nastola kutschierte dachte ich daran, dass ich mir momentan eigentlich nichts mehr wünschte als eine Dusche und ein kuscheliges Bett, aber sie freute sich halt total das ich sie besuchte. Und schlafen kann man immerhin auch noch wenn man alt und grau ist...
Nachdem ich meine Sachen verstaut hatte setzten Martta und ich uns gemütlich ins Wohnzimmer und quatschten über Gott und die Welt. Doch nach einer halben Stunde musste ich passen und auch meine Tante sah ein, dass ein Gespräch mit mir gerade nicht so viel Sinn hatte. Also schlurfte ich die Treppe hoch, verzichtete sogar auf meine ersehnte Dusche und gab mich mit einer ausgiebigen Wäsche zufrieden und fiel dann totmüde ins Bett.


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
 Betreff des Beitrags: Re: Watch over you
BeitragVerfasst: Di 19. Mai 2009, 20:38 
Offline
Bakken Putzer

Registriert: Di 16. Sep 2008, 22:14
Beiträge: 86
Teil 3

Ich schaffte es tatsächlich bis zum nächsten morgen durchzuschlafen und schlurfte gegen 9 Uhr die Treppe runter. In letzter Zeit war ich wirklich immer übelst müde. Meine Tante war nirgends zu sehen, aber da ihr Auto auf dem Hof stand, konnte ich davon ausgehen, dass sie im Keller saß und an einer neuen Kollektion arbeitete.
Ich überprüfte die Kaffeemaschine und stellte fest, dass sie heute bestimmt noch nicht gelaufen war. Also hatte Martta auch noch nicht gefrühstückt.
Ich ging in den Flur, nahm meine Jacke von der Garderobe, schlüpfte in meine Turnschuhe und joggte zum nächsten Bäcker um erst einmal Brötchen zu holen.
Als ich zurückkam strömte mir der Geruch von frischem Kaffee entgegen. Welch ein Timing.
Nach dem Frühstück überredete meine Tante mich zu einem Einkaufsbummel. Normalerweise plante ich solche Unternehmungen schon Tage im Voraus. Ich schrieb mir genauestens auf was ich brauchte und wo ich es voraussichtlich bekommen würde, zog dann los und war spätestens nach einer Stunde fertig. Nicht aber mit meiner Tante. Sie zog mich stundenlang durch irgendwelche Boutiquen die ich sonst nie im Leben betreten hätte und ich musste Klamotten anprobieren, die ich zwar wirklich hübsch fand, aber normal im Leben nicht anziehen würde weil ich meiner Meinung einfach nicht fraulich darin aussah. Ich sah in gar nichts wirklich fraulich aus.
Um meine Tante nicht komplett zu beleidigen (denn sie fasste sowas beinahe als Verrat auf) nahm ich an mir von ihr so zwei, drei Outfits schenken zu lassen. Ich wusste genau dass sie in der hintersten Ecke meines Schrankes vergammeln würden.
Als wir nach 2 Schuhläden in einem Café halt machten, fiel mir sofort ein Junge in meinem Alter auf, der mit einem Mädchen um die 14 ein paar Tische weiter saß. Ich erkannte ihn sofort, es war Veli Matti Lindström. Ich bewunderte ihn tierisch für seinen Stil beim Springen und hatte mir ein paar Kniffe bei ihm abgeguckt. Vor ein paar Wochen war ich sogar bei einem Springen am Holmenkollen vor ihm gesprungen nachdem der Springer vor ihm gestürzt war.
Ich beachtete ihn jedoch nicht weiter und erzählte meiner Tante das neueste vom Springen und aus der Schule.
Wir hatten gerade unseren zweiten Kaffee bestellt als ein Mädchen an unseren Tisch trat. Eben hatte sie noch bei Vellu am Tisch gesessen. Sie wirkte etwas aufgeregt und wandt sich an meine Tante. „Entschuldigen Sie bitte, sind Sie nicht Martta Laakonen? Die Designerin von ’Angelique’?“ Angelique war das Modelabel für das meine Tante arbeitete. „Ja, ich bin Martta Laakonen. Freut mich sehr deine Bekanntschaft zu machen und wer bist du?“ Das Mädchen errötete. „Ich bin Siina Maari Lindström und ein großer Fan von ihnen. Ich möchte später auch Designerin werden und am liebsten an der Uni in Oslo studieren.“
Ich musste grinsen. Genauso hatte es meine Tante gemacht, denn die Uni in Oslo hatte sehr viele gute Designer hervorgebracht und war in Sachen Design eine der renommiertesten in ganz Skandinavien und anscheinend war diese kleine hier Vellus Schwester. Ich sah zu ihm hinüber und hätte fast laut gelacht. Er saß da, sah der Kleinen zu, schüttelte grinsend den Kopf und hielt sich dann die Hand vor die Augen.
„Na, wenn du Talent hast wirst du das bestimmt schaffen Siina. Ich drücke dir die Daumen.“ Sie wurde noch eine Spur röter. „Oh, danke. Ich hoffe das ich Talent habe, ich...“ „Hey Siina, belästige Frau Laakonen doch nicht.“ Wow, ich war ganz baff. Vellu war an unseren Tisch getreten um seine Schwester in ihrem Eifer zu stoppen und er hatte eine verdammt tiefe Stimme. „Ach Quatsch, sie belästigt mich doch nicht. Herr Lindström was denkst du immer???“ Jetzt war ich erstaunt, meine Tante duzte ihn. Aber woher sollte sie ihn persönlich kennen? „Ich denke nur gutes von ihnen Martta.“ Er grinste sie breit an während ich gespannt die Situation beobachtete. „Herr Lindström, als ich dir das ’du’ angeboten habe meinte ich das auch so, und jetzt siez mich nicht mehr und setz dich mit deiner Schwester endlich zu uns.“
Ja so und nicht anders war meine Tante. Die kleine Siina nahm mit hochrotem Kopf neben mir Platz, doch Martta deutete auf den Platz neben sich. „Du setz dich mal zu mir. Du bist also Vellus Schwester!“ Vellu hatte die Getränke vom anderen Tisch zu uns hergeschafft und auch unser Kaffee wurde gebracht.
Er setzte sich neben mich und meine Tante nahm das Ruder wieder in die Hand. „Die junge Dame hier ist übrigens meine Nichte Sirka aus Oslo. Sie springt auch.“ Vellu schüttelte meine Hand während seine Schwester mir nur schüchtern zunickte. „Bist du nicht beim Springen vor ein paar Wochen vor mir vom Bakken gegangen?“ Oh jetzt war ich etwas baff, denn ich dachte nicht, dass die Profis uns Vorspringer überhaupt wahrnehmen würden. „Ja genau, das war ich.“ Er machte mir ein Kompliment für meinen Sprung und wandt sich dann meiner Tante zu. „Ich wusste gar nicht dass du Verwandtschaft in Norwegen hast.“ Martta sah ihn gespielt empört an. „Wusstest du etwa nicht dass ich gebürtige Norwegerin bin?“ Vellu schüttelte den Kopf und seine Schwester platzte heraus: „Vellu, sowas weiß man doch.“ Wahrscheinlich erschrocken über sich selbst lehnte sie sich wieder zurück und ihre Gesichtsfarbe wechselte wieder von normal in knallrot. Meine Tante rettete die Situation in ihrer gewohnt lockeren Art. „Genau. Nimm dir mal ein Beispiel an deiner Schwester.“ Und an Siina gewandt meinte sie: „Also wenn du Lust hast kannst du gerne mal bei mir vorbeikommen und dir meine kleine ’Werkstatt’ ansehen. Ich könnte dir auch die Kollektion zeigen an der ich gerade arbeite.“ Siinas Schüchternheit schien vollkommen zu verschwinden und sie sah meine Tante völlig verblüfft an. „Ja wirklich? Das wär... das wär voll galaktisch. Oh Vellu hast du das gehört?“ Vellu lachte und nickte. „Ja, das hab ich gehört. Martta das ist wirklich voll nett von dir. Siina hat ihr ganzes Zimmer mit Bildern von deinen Kleidern tapeziert.“ „Oh wirklich?“ Meine Tante schien ein wenig überrascht. „Ich dachte Mädchen in ihrem Alter tapezieren sich die Wände mit Postern von den Backyard Boys.“ Ohje, meine Tante schien keine Ahnung zu haben warum wir in so großes Gelächter ausbrachen. Als wir ihr aber erklärten das es Backstreet Boys hieß und die ja sowas von out waren lachte sie mit uns. „Ohje, anscheinend werde ich alt... Na bring mir die Kleine morgen einfach mal vorbei.“ Vellu nickte. „Ja werde ich tun.“ Er sah auf die Uhr. „Mensch wenn ich noch zum Training will muss ich mich beeilen. Los Siina, trink aus. Tschüß Martta, Ciao Sirka, war nett dich kennen zu lernen.“ Ich schüttelte seine Hand. „Dito. Macht’s gut.“
Als die beiden bezahlt hatten und Martta und ich wieder alleine waren sah sie mich grinsend an. „Ich wusste nicht, dass ihr euch kennt.“ „Wir kennen uns auch nicht, ich bin nur mal vor ihm gesprungen. Aber woher kennst du ihn?“ „Ich hab die Outfits für die letzten Olympischen Spiele entworfen, da lernt man sich schon mal kennen. Und da wir sogar im gleichen Nest wohnen...“
Nachdem wir unseren Kaffe ausgetrunken hatten ließ ich es mir nicht nehmen meine Tante einzuladen. Zum Glück konnte ich mich erfolgreich gegen den Besuch weiterer Boutiquen wehren und wir fuhren nach Hause.
„Och Sirka, komm schon. Ich hab mich schon breitschlagen lassen die Shoppingtour abzubrechen. Jetzt lass mich dir die Klamotten wenigstens passend machen.“ Meine Tante nörgelte ein wenig herum und ich verdrehte die Augen. „Warum haben wir die Sachen denn gekauft wenn sie nicht passen?“ Martta sah mich mit einem Blick an der mir deutlich sagte was sie dachte. Nämlich dass ich keine Ahnung hatte. „Sirka, es weiß doch jeder, dass du vielleicht einmal in deinem ganzen Leben ein Kleidungsstück kaufen wirst, das dir so passt wie angegossen und wo nichts dran geändert werden muss.“ Ich stemmte die Hände in die Hüften. „Heißt das die komplette Weltbevölkerung läuft mit Klamotten rum die eigentlich nicht passen?“ Meine Tante schien zu überlegen und nickte dann. „Ja ich würde sagen so über den Daumen gerechnet mehr als 99,9 % der Weltbevölkerung.“ „Wen kümmert es da ob sie mir passen oder nicht?“ Martta war sichtlich empört, denn sie bekam so kleine rote Flecken im Gesicht und sah mich mit weit aufgerissenen Augen an. „Sirka, als meine Nichte läufst du bestimmt nicht in Klamotten rum die dir nicht passen!“
Oh man, ich fühlte mich gerade wie das Töchterchen eines Ölmilliardärs die einen Smart fahren will und der Vater sagt: „Du bist meine Tochter, du hast gefälligst diesen Porsche zu fahren.“
Okay, zugegeben, gegen einen Porsche würde ich nichts sagen... Aber so. Allerdings wollte ich keinen Streit mit meiner Tante, deshalb lenkte ich ein und sagte ich würde mich gerne erst ein bisschen hinlegen und dann könnten wir das doch nach dem Abendbrot machen. Meine Tante stimmte sichtlich erleichtert zu und ich begab mich ganz schnell in die horizontale und war auch sehr schnell eingeschlafen.

Ich wachte auf, weil jemand an meiner Schulter rüttelte. „Sirka, aufwachen.“ Martta!!! „Was is’n?“ Sie sah mich seufzend an. „Es ist schon 6 Uhr morgens. Du hast tatsächlich durchgeschlafen.“ Ungläubig guckte ich auf mein Handy und tatsächlich, es war 6 Uhr morgens. „Boah, ich fühl mich trotzdem wie gerädert. Warum hast du mich geweckt?“ Martta war schon fast wieder zur Tür raus und rief: „Ich dachte du möchtest vielleicht ein bisschen joggen und auf dem Rückweg beim Bäcker vorbeischauen.“
Ich schlug mir mit der Hand gegen den Kopf, beschloss aber trotzdem aufzustehen, immerhin hatte ich knappe 12 Stunden geschlafen, das musste doch reichen. Also ging ich ins Bad um mir ordentlich kaltes Wasser ins Gesicht zu kippen, zog mich dann an und machte mich auf den Weg. Ich liebte die Gegend in der Tante Martta wohnte. Auch wenn Anders immer über Nastola lästerte, dass es ja das letzte Kaff vor der Milchstraße wär, ich mochte die Gegend, allein schon der schönen Wege zum joggen wegen.
Eine Stunde später stand ich ein wenig außer Atem mit einer Tüte Brötchen in der Küche. Als ich beim Bäcker in der Schlange stand fing es draußen an zu gießen wie nichts Gutes. Also habe ich einen Sprint zu Tante Martta hingelegt und tropfte nun die Küche voll.
Nachdem Martta mich eine Runde ausgelacht hatte schickte sie mich unter die Dusche, was ich mir natürlich auch nicht zweimal sagen ließ.
Zwanzig Minuten später stand ich mit noch feuchten Haaren in der Küche und suchte die Ablagen nach einem Küchenmesser ab. Da stand tatsächlich ganz dreist ein Typ in unserer Küche und durchsuchte Marttas Schränke. Ich griff nach der nächstbesten Wasserflasche und gerade in dem Moment drehte er sich um. „Bleib wo du bist du Schwein, sonst ziehe ich dir die Flasche über die Rübe.“ Langsam tat ich einen Schritt auf ihn zu, wusste aber gar nicht was ich eigentlich machen sollte. Ersah mich zweifelnd an und meinte dann: „Du musst Sirka sein!“ Leicht verwirrt blieb ich stehen. „Äh...ja...“ In dem Moment betrat Martta die Küche. „Oh Sirka, du bist fertig. Sehr schön. Darf ich dir Mika vorstellen. Er ist mein… nunja...mein Freund.“ Leicht verwirrt sah ich von ihr zu ihm und wieder zu ihr. „Dein Freund???“ Fassungslos starrte ich die beiden an. Irgendwie war mir die Vorstellung Martta könnte nach Onkel Jarkkos Tod mit jemand anderes zusammen sein, nie in den Sinn gekommen. „Ähhh... oh dein Freund. Dann sind sie also kein Einbrecher!“ Martta sah mich an als hätte ich Pocken oder so. „Wie kommst du darauf dass Mika ein Einbrecher sein könnte?“ Also musste ich zu meiner Erniedrigung die ganze Story erzählen, wobei die beiden sich natürlich herrlich amüsierten.
Während des Frühstücks stellte sich heraus dass dieser Mika ein echt netter Typ war, auch wenn ich den Gedanken trotzdem ein wenig komisch fand. Ich konnte mir auch gut vorstellen, dass ich ihn gehasst hätte, hätte ich Onkel Jarkko besser gekannt. Da dem aber nicht so war und es mich eigentlich auch nichts anging konnte ich ihn ruhigen Gewissens total okay finden.
Nach dem Frühstück verabschiedete Mika sich, denn er musste noch zur Arbeit.
Ich räumte mit Tante Martta zusammen noch die Küche auf, dann verließ sie mich in Richtung Keller um zu arbeiten. Also pflanzte ich mich gemütlich vor den Fernseher und sah mir Zeichentrickserien an.
Allerdings kam Martta schon nach einer Stunde wieder hoch und meinte sie würde jetzt gerne meine neuen Klamotten ändern. Um sie nicht wieder wütend zu machen stapfte ich also hoch um die Tüten zu holen und trug sie dann gleich weiter in den Keller.
Martta maß und steckte ab was das zeug hielt. Und, so erschreckend ich das auch fand, ich hatte irgendwie Spaß daran, was meiner Tante auch auffiel. Als wir fertig waren gingen wir hoch um uns einen Kaffee zu genehmigen.
„Sag mal Sirka, hättest du nicht vielleicht Lust mir bei meiner neuen Kollektion zu helfen?“ Ich verschluckte mich fast vor lachen. „Wie soll ich dir denn da bitte bei helfen?“ Ich war nun wirklich der künstlerisch untalentierteste Mensch der Welt und hatte außerdem von Mode nicht den leisesten Schimmer. „So wie du es eben auch gemacht hast. Ich stecke lieber am lebenden Menschen ab als an einer Puppe. Also was ist, hast du Lust?“ Wie gesagt, das ganze hatte mir ja schon irgendwie Spaß gemacht und da ich eh nichts anderes vorhatte sagte ich zu.
Ich musste wohl oder übel auch zugeben das meine Tante da wirklich sehr schöne Sachen machte und ich fühlte mich ein ganz bisschen geehrt sie als erste anhaben zu dürfen. Ich steckte gerade in einem langen, wallenden Abendkleid und Martta steckte es an der Taille ab. Ich durfte mich wirklich kein Stück bewegen, ansonsten wäre ich wohl über den Saum fallen. Bis jetzt war das Kleid noch gute 15 cm zu lang. Als es klingelte meinte Martta das ich doch bitte schnell hochlaufen soll, sie wäre ja nun auch nicht mehr die jüngste und würde die Treppen nicht so schnell hochkommen. Also raffte ich das Kleid hoch, sprang von dem Hocker und sprintete die Treppen hoch, sehr darum bemüht an dem Kleid nichts zu zerstören. Ich öffnete die Tür und wäre beim Anblick der Person vor der Tür am liebsten im Boden versunken.
„Hey wie siehst du denn aus?“ „Anders, sag nichts und komm einfach rein.“ Ich packte meinen Bruder am Arm und zog ihn in den Flur. Er musterte mich von oben bis unten und ich erwartete schon einen Spruch, aber er nickte nur anerkennend und murmelte etwas, das sich anhörte wie ’Das solltest du öfter tragen’. Naja, mein Bruder halt. „Was machst du schon hier?“ fragte ich ihn. „Er stellte seine Tasche ab und hängte seine Jacke an die Garderobe. „Joa, ich dachte ich komme ein paar Tage früher und wir fahren mal nach Lahti rein und machen die Stadt unsicher. Nicht das du mir in der einen Woche komplett versauerst. „Hm, wenn du meinst. Komm mit runter, Martta wartet.“ Wir waren gerade die Hälfte der Treppe runtergegangen als es erneut klingelte. Ich seufzte. „Geh einfach runter, der zweite Raum auf der linken Seite, ich komm gleich nach.“
Während Anders weiterging machte ich kehrt und lief erneut zur Tür. Ich riss sie auf und blickte einem großen Strauß Blumen ins ’Gesicht’. „Ähhh.“ Der Strauß verschwand und Vellu kam zum Vorschein. Auch er besah mich erst mal in aller Ruhe. „Wow, du siehst toll aus.“ „Danke“, meinte ich zerknirscht. „Komm doch rein.“ „Ja. Äh, ich will dir nicht zu nahe treten, das Kleid ist toll, aber meinst du nicht es ist ein wenig zu lang?“ Er sah mir amüsiert zu wie ich das Kleid zusammenraffte um wieder vernünftig gehen zu können. Warum ist da auch so viel Stoff dran? „Äh, ja ich bin wahrscheinlich einfach zu klein. Nee im Ernst, Martta steckt es gerade um. Wir sind im Keller.“ Plötzlich hörte man Martta schreien. Wir sahen uns erschrocken an, aber ich konnte Vellu nach der ersten Schrecksekunde beruhigen. „Das war Martta. Mein Bruder ist eine Minute vor dir überraschend vorbeigekommen und hat sie entweder tierisch erschreckt oder sie freut sich einfach so.“
Vellu grinste. „Ach so. Ja, gehen wir dann auch runter oder ist das Sperrgebiet?“ Ich grinste ihn an. „Normalerweise darf da ja nicht jeder rein, aber ich denke wir können mal ’ne Ausnahme machen. Folge mir unauffällig.“ Wir tappten die Treppe runter und brachen gleich in einen kollektiven Lachflash aus. Da stand Martta auf dem Sockel und kniff Anders, der davor stand, in die Wangen. „Oh mein Junge, wie lange hab ich dich nicht gesehen?“
„Ähhh Martta, wir haben Besuch.“ Die beiden bemerkten uns und Anders half Martta von dem Sockel zu kommen. „Hallo Vellu, schön das du vorbeikommst. Sind die für Sirka?“ Sie deutete auf die Blumen in seiner Hand. Vellu wurde etwas verlegen und meinte es wäre nur noch ein schöner Strauß dagewesen und er wollte lieber mit einem hübschen und ohne hässlichen zweiten kommen. Außerdem wäre der dafür, dass seine Schwester mal vorbeikommen dürfe. Nur heute würde es wohl nicht passen, daran hätte gestern nur keiner von den beiden gedacht. „Das ist vollkommen okay Vellu, ich werde ihn mir mit Sirka teilen. Und du komm wieder auf den Sockel damit wir weitermachen können, wir können uns nebenbei noch unterhalten.“ Ich sah aus den Augenwinkeln wie Anders und Vellu sich freundschaftlich begrüßten. Klar, sie waren wochenlang gemeinsam unterwegs, da mussten sie sich ja kennen. Ich raffte das Kleid wieder zusammen und versuchte auf den Sockel zu klettern was nicht ganz so einfach war. Kurzerhand packte Anders mich und stellte mich oben ab. „Vielen Dank Bruderherz.“ „Für dich doch alles Schwesterlein.“ Vellu und Martta mussten stark grinsen. Vellu stellte sich schräg hinter Martta und sah Anders und mich an. „Ich hab echt nicht gewusst dass ihr Geschwister seid, dabei seht ihr euch schon ziemlich ähnlich.“ Anders legte den Arm um mich. „Ja, die Schönheit ist in unserer Familie wirklich gerecht aufgeteilt.“ Ich kniff ihn in den Arm und meinte: „Anders du hast doch echt ’nen Vogel.“ „Hey Schwester, mach mich nicht so von oben herab an, ich komm dir da gleich hoch.“ Dazu muss ich sagen das ich locker 20 cm kleiner als mein lieber Bruder bin und ich ihn durch den Sockel gerade mal um vielleicht 5 cm überragte. Ich grinste ihn an und streckte ihm die Zunge raus. Er drehte sich beleidigt weg und wandte sich an Vellu: „Komm Lindström, lass uns hoch gehen was trinken. Wir sind hier anscheinend nicht erwünscht.“
Vellu grinste und folgte Anders nach oben.
Als Martta mit dem Kleid fertig war bat ich sie um eine Pause. „Tantchen ich würde mich echt gerne hinlegen, ich bin saumüde.“ Martta nickte und sah mich etwas besorgt an. „Du bist in letzter Zeit dauernd müde. Was ist nur los mit dir? Vielleicht solltest du dich mal untersuchen lassen.“ Ich nickte. „Ja vielleicht mache ich das mal.“ Ich sagte das nicht nur so, ich wär momentan wirklich immer müde und ich hatte mir vorgenommen dieses Jahr früher mit dem Training anzufangen da meine Kondition in letzter Zeit auch rapide abgenommen hatte und wenn ich soviel trainieren musste und nebenbei noch zur Uni gehen wollte, dann konnte ich mir echt nicht erlauben immer müde zu sein.
Irgendwann würde ich geweckt... Naja... Ob man das so nennen kann? Anders stürmte in mein Zimmer und rief: „Aufstehen Schwesterlein, PAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAARRRRRRTTTTTYYYYYYYYYYYYYYYYYYYY.“ Ich rieb mir die Augen und sah ihn böse an. „Sag mal Anders, hast du nen Schaden mich mitten in der Nacht zu wecken?“ Er grinste und sprang zu mir ins Bett. „Von wegen mitten in der Nacht, es ist gerade mal halb zehn und Vellu und ich haben beschlossen noch wegzugehen. Und du kommst mit!“ Ich maulte das ich keine Lust hätte und zog mir die Decke über den Kopf. Anders zog sie allerdings gleich wieder weg. „Komm schon Sirka, du schläfst jetzt schon seit über vier Stunden, das muss doch reichen. Bitte!“ Oh wenn er diesen Dackelblick aufsetzte konnte ich einfach nicht nein sagen. „Boah na gut, wenn du dann endlich Ruhe gibst. Ich mach mich fertig.“ „Jäs!“ Damit sprang er von meinem Bett und lief auf den Flur und die Treppen runter. „Vellu, sie kommt mit.“ Oh man. Genervt schlug ich die Decke zurück und sprang unter die Dusche. Sonst würde ich wahrscheinlich schon beim anziehen wieder einschlafen. Danach zog ich mir meine Klamotten über und ging runter. Martta, Anders und Vellu saßen im Wohnzimmer. Kaum das ich den Raum betrat sprang Martta auf. „Hey Sirka, ich hab dir eben schon eins deiner neuen Outfits fertig gemacht. Lauf schnell hoch und zieh es an.“ Oh nein, nicht auch das noch. „Ähhh Tante Martta, ich glaub nicht dass das heute unbedingt sein muss. Soweit ich weiß wollten wir nur in eine Kneipe gehen was trinken. NICHT WAHR JUNGS?“ Die beiden grinsten mich an und Anders meinte: „Nö, wir dachten richtig schön an Disco, mit tanzen und allem drum und dran. Da kannste dich ruhig schön aufbrezeln.“ Oh ich hätte meinen Bruder erwürgen können. „Ich hab aber keine Lust mehr mich noch umzuziehen.“
Daraufhin startete eine Diskussion darüber ob ich mich noch umziehen sollte oder nicht. Dabei stand es Martta und Anders gegen mich. „Boah Vellu sag doch auch mal was,“ bat ich ihn. Etwas überrascht so plötzlich seine Meinung äußern zu sollen sagte er erst mal nichts und überlegte. „Naja, ohne jetzt jemandem nahe treten zu wollen, wenn sie das jetzt nicht anziehen will kann sie ja keiner zwingen.“ Oh dafür hätte ich ihn knuddeln können. „Ha, seht ihr? Also ich ziehe das nich an.“ „Moooomentchen mal“, schaltete sich Anders noch ein. „Es steht jetzt 2:2, also unentschieden.“ Überlegen grinste er Vellu und mich an. „Ja aber Vellu kommt gebürtig von hier, seine Stimme zählt doppelt und jetzt los, sonst könnt ihr alleine gehen.“
Zum Glück gab Anders nach und wir verabschiedeten uns ganz schnell. Im Auto fragte Anders wo wir denn nun hinwollten, nach Lahti oder in Nastola bleiben. „Ich würde ja sagen Lahti, weil in Nastola ist ja eh nix los.“ Ich schlug mir mit der Hand gegen die Stirn. „Wollt ihr damit sagen das ihr nicht mal wisst wo wir heute Abend hingehen?“ Anders nickte. „Genau so ist es. Was hättest du denn lieber?“ „Das ist einfach, am liebsten hätte ich mein Bett. Aber da euch das als Antwort wohl nicht reicht, würde ich sagen Nastola genügt vollkommen.“ Anders verdrehte die Augen. „Siehste Vellu, die liebt euer Kaff wirklich. Ich weiß nicht was man hier so toll finden kann, hier klappen doch um 8 die Bürgersteige hoch.“ Vellu sah Anders gespielt böse an. „Ich glaube jetzt hast du dir zwei Feinde gemacht.“ Damit schnallte er sich ab, öffnete die Tür und stieg hinten bei mir wieder ein. „Breit grinsend meinte er zu Anders: „Ich glaub du bist überstimmt, Bardal. Fahr schon los, ich sag dir wo lang.“ Darauf hatte Anders komischerweise keinen blöden Spruch auf Lager und irgendwann hielten wir vor einer Kneipe. Schon war Anders wieder am motzen. „Was ist das denn? Ich denke wir gehen in ne Disco und lassen es ordentlich krachen?“ „Und ich dachte wir gehen einfach gemütlich was trinken. Ich meine das reicht doch wirklich. Und guck dir deine Schwester mal bitte an, die schläft gleich wieder ein.“ Er zwinkerte mir zu, als Zeichen dass die Anspielung nicht böse gemeint war.
Anders war also wirklich überstimmt. Er maulte zwar rum, aber wir versprachen ihm auch nochmal nach Lahti zu fahren um so richtig die Sau rauszulassen. Damit gab er sich vorerst zufrieden.
Wir betraten die Kneipe und ich war sehr überrascht. Es war wirklich urgemütlich und der Wirt war sehr niedlich. Der war noch kleiner als ich, kugelrund und er hatte anscheinend beste Laune. Vellu und Anders stritten rum wer zurück fährt, denn beide hatten anscheinend Lust sich vollaufen zu lassen. „Lasst mal Jungs, ich fahr schon.“
Die beiden sahen mich verwundert an. „Bist du dir sicher?“ Anders befühlte meine Stirn, als ob ich Fieber hätte. „Ja sichi. Ich schlag mich gerne mit zwei Besoffenen rum.“ *gg* Anders hob die Augenbrauen und wandt sich dann an Vellu. „Weißt du, sie guckt nämlich auch ganz gerne mal tief ins Glas und in Oslo entscheiden wir uns dann meist fürs Taxi.“ Vellu grinste mich an. „Das wär doch die Idee, wir bestellen uns einfach ein Taxi und morgen... Mittag joggen wir her und holen das Auto.“ Anders war sofort Feuer und Flamme, aber ich winkte ab. „Nee lasst mal, mir ist heute nicht nach saufen.“ Anders sah mich zweifelnd an. „Du solltest echt mal zum Arzt gehen, pennst den lieben langen Tag und willst nicht saufen. Du MUSST krank sein.“
Ich nickte. „Genau so wird es sein.“ Ich hatte jetzt absolut keine Lust auf eine Diskussion mit meinem Bruder.
Wir bestellten dann zwei Bier und eine Cola und man merkte den beiden Jungs den Alkohol wirklich schnell an. Im Großen und Ganzen war es auch ein wirklich gelungener Abend. Total gegenteilig zu dem was ich erwartet hatte. Als der Wirt dann die Stühle hochstellen wollte bezahlten wir und ich schleppte die beiden zum Auto. „Lass doch ma noch ssu Macces fahn“, lallte Anders von der Rückbank. Ich verdrehte die Augen und fuhr ohne auf ihn zu reagieren weiter. Zum Glück schlief er kurz danach ein und auch Vellu war ins Land der Träume übergesiedelt. Allerdings kannte ich mich in Nastola wohl doch nicht so gut aus wie ich behauptet hatte, denn irgendwann musste ich mir selbst eingestehen das ich mich absolut verfahren hatte.
Vorsichtig weckte ich Vellu, der mich mit ganz kleinen Augen ansah. „Sin wa denn schon da?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nee, ich glaub ich hab mich verfahren.“ „Oh.“ Vellu setzte sich richtig hin und sah sich einen Moment lang um. „Los, lass ma Plätze tauschn, isch fahr jetz.“ Ich hielt ihn davon ab sich abzuschnallen. „Vellu, du darfst nich mehr fahren.“ „Isch hap abba nen Führerschein.“ Oh war der niedlich wenn er besoffen war. „Ich weiß, aber du hast zu viel getrunken.“ „Oh, isch hap misch schon gewundert dasses hier so nach Bier riescht.“ Ich grinste, erinnerte mich dann aber wieder an unser Problem. „Also, weißt du wo wir sind?“ Er nickte. „Du muss umdrehn und anna Kreuzung links.“ Ich betete zu Gott das er Recht hatte und fuhr los.
Allerdings schien er wirklich noch gut beieinander zu sein, denn wir fanden ohne weitere Zwischenfälle zurück.
Ich fuhr Vellu noch zu Hause vorbei und musste mich dann mit Anders rumärgern, der erst nicht aus dem Auto rauswollte und dann meinte nicht mehr gehen zu können um sich volle Breitseite auf mich zu lehnen.
Am nächsten morgen schlief ich wieder bis in die Puppen und wurde irgendwann von Anders geweckt. Das war schon sehr ungewöhnlich, denn normalerweise war er der Langschläfer der Familie. „Sag mal Sirka, wie sind wir eigentlich nach Hause gekommen?“ Ich grinste innerlich und meinte mit todernster Miene: „Also wie du nach Hause gekommen bist weiß ich nicht, Vellu und ich sind mit dem Auto gefahren!“ Anders sah mich an als würde mir ein Geweih aus dem Kopf wachsen. „Und ihr habt mich nicht mitgenommen?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Du wolltest ja nicht. Der Herr wollte sich ja nicht von seiner heißen Blondine losreißen. Ja und die meinte dann auch, sie bringt dich noch nach Hause.“ Anders bekam Augen wie Tischtennisbälle. „Ich hab ne heiße Blondine abgeschleppt?“ Ich grinste. „Naja, ich würde eher sagen die hat dich abgeschleppt.“ Anders grinste breit und machte sich auf wieder zu gehen. „Krass, muss ich mal gucken ob ich irgendwo ihre Nummer habe.“


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
 Betreff des Beitrags: Re: Watch over you
BeitragVerfasst: Di 19. Mai 2009, 20:38 
Offline
Bakken Putzer

Registriert: Di 16. Sep 2008, 22:14
Beiträge: 86
Teil 4

Nachmittags, ich lag gerade im Bett und schlief, sprang plötzlich meine Zimmertür auf. Ich blinzelte und erkannte Anders, der wie ein Racheengel in der Tür stand. „Was’n los? Schon wieder Party?“ Anders kam im Stechschritt an mein Bett, stemmte die Hände in die Hüften und schnappte nach Luft. „Vellu sagt ich hab gar keine Blondine abgeschleppt!“ Im Türrahmen tauchte Vellu auf der eine Grimasse zog. „Boah Vellu, du bist so ne Petze.“ Er grinste nur und nickte. Anders sah eingeschnappt zwischen Vellu und mit hin und her. „Ihr seid doch doof, ihr habt euch gegen mich verbündet!“ Ich verdrehte die Augen. „Man Anders, stell dich nicht so an. Und jetzt lasst mich weiterschlafen!“ Anders wollte etwas erwidern, Vellu ließ ihn jedoch nicht zu Wort kommen und zog ihn mit einem Augenzwinkern an mich aus dem Zimmer. Kopfschüttelnd drehte ich mich um und war im nächsten Augenblick wieder eingeschlafen.
Als ich aufstand saßen Vellu, Anders und Martta im Wohnzimmer und aßen Pizza. „Ihr könnt doch nicht einfach mittags Pizza bestellen und mir nicht bescheid sagen,“ motzte ich. Martta grinste mich an und deutete mit dem Kopf in Richtung Küche. "Deine liegt auf dem Tisch, müsste sogar noch warm sein. Ach und es ist kurz vor acht Uhr abends.“ Mit einem Blick den ich nicht genau zu deuten wusste sah sie mich an. „Abends? Ui dann hab ich aber lange geschlafen, oder?“ Die drei nickten synchron und in Marttas Blick glaubte ich sowas wie Besorgnis zu sehen. „Ja dann hab ich den Schlaf wohl bitter nötig gehabt. Wisst ihr was? Ich geh jetzt erstmal ne Runde laufen, die Pizza mach ich mir danach nochmal warm.“ Und schon war ich oben und zog mich um.
Eigentlich wollte ich gemütlich durch Nastolas Straßen joggen, aber nach einer halben Stunde fühlte ich mich so kaputt und war am japsen, als hätte ich die Strecke im Sprint zurückgelegt. „Das kann doch nicht normal sein“, murmelte ich zu mir selbst und ging zurück. So langsam fing ich selbst an mir Gedanken zu machen. Meine Kondition wurde von Tag zu Tag massiv schlechter und ich war trotz des vielen Schlafs dauernd müde und unkonzentriert. Da konnte doch irgendwas nicht stimmen.

Am Sonntag Nachmittag verabschiedeten Anders und ich uns schweren Herzens von Martta, fuhren noch schnell bei Vellu vorbei um ihm ebenfalls tschüss zu sagen und machten uns dann auf den Weg Richtung Oslo. Ich verschlief die ganze Fahrt und war froh darüber, dass Anders ein Navi besaß und ich ihm somit nicht den Weg ansagen musste. Zuhause angekommen berichtete Anders unseren Eltern von der schönen Ferienwoche, während ich Martta anrief um ihr zu sagen, dass wir wieder da waren.

Die nächsten Wochen waren ziemlich relaxt. Anders fuhr mit Björn und ein paar anderen Springern in den Urlaub um sich von der stressigen Saison zu erholen. Unsere Eltern flogen ebenfalls drei Wochen in die Sonne und ich genoss die Zeit allein zu Hause. Ich konnte mich in Ruhe auf die Uni vorbereiten, viel schlafen und gezielt an meiner Kondition arbeiten.


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
 Betreff des Beitrags: Re: Watch over you
BeitragVerfasst: Di 19. Mai 2009, 20:38 
Offline
Bakken Putzer

Registriert: Di 16. Sep 2008, 22:14
Beiträge: 86
Teil 5

Es war Anfang Mai als das erste Training stattfand. Anders und ich packten ganz aufgeregt unsere Sachen zusammen und unsere Eltern sahen uns kopfschüttelnd dabei zu, wie wir durchs Haus wuselten. Das erste Training des Jahres war immer etwas total besonderes, vor allem seit Mika Trainer war. Er ließ sich immer eine Überraschung für uns einfallen. An solchen Tagen war ich immer heilfroh die einzige aktive Skispringerin zu sein, die bei den Jungs mittrainieren durfte.
Ganz aufgeregt fuhren wir zur Schanzenanlage und es gab ein großes Hallo mit allen Springern. Meine Laune sank erst bei Björns Anblick, aber ich ignorierte ihn und versuchte ihm aus dem Weg zu gehen.
Als Mika ankam wurde er von allen stürmisch begrüßt und dann zogen wir los zum umziehen. Draußen teilte Mika uns den Ablauf mit. Wir sollten uns warm machen, dann wurde die Kondition überprüft. Obwohl das klar war atmete ich tief durch. Trotz meines intensiven Trainings wurde meine Kondition weiter schlechter und schlechter.
Wir spielten Volleyball, wobei ich versuchte Björns Frotzeleien zu überhören. Zwischendurch wurden einzelne Springer rausgeholt und zum Konditionscheck gebracht. Ich musste ausgerechnet mit Björn raus. Zum Glück hielt er seine Klappe und wir traten zu Mika. „Schön das ihr da seid. Wer fängt an?“ Ich zeigte sofort auf Björn und der zuckte nur mit den Schultern, ließ sich den Pulsmesser anschnallen und trabte los.
„Sag mal Sirka, hast du was besonderes vor diese Saison?“ Verwirrt sah ich Mika an. „Du siehst gut aus. Aber vielleicht ein bisschen zu dünn. Hast dich wohl gut vorbereitet?“ Ich zuckte mit den Schultern. Mir war auch schon aufgefallen, dass ich abgenommen hatte, obwohl ich nichts dafür getan hatte. „Nachher beim wiegen müssen wir mal drauf achten. Kann sein dass du dir so zwei, drei Kilo antrainieren musst.“ Ich nickte und ging auf Geir Ole zu, der mir den Pulsmesser anlegen wollte, nachdem Björn fertig war. Ich hob mein T-Shirt hoch und ließ mich von Geir Ole verkabeln. Ich erwartete schon einen Spruch von Björn, der mit Sicherheit nicht gehen würde bevor ich nicht fertig war, aber es kam nichts. Ich zog mein Shirt wieder runter und sah mich nach Mika um. Björn stand mit einem seltsamen Gesichtsausdruck neben Mika, der nicht minder komisch dreinblickte. Ich dachte mir jedoch nichts weiter dabei und fing an meine Runden zu laufen.
Nach wenigen Minuten winkte Geir Ole mich heran. „Also entweder ist das Gerät kaputt, oder du stehst kurz vorm Kreislaufzusammenbruch.“ Mika sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Schnaufend ließ ich mir das Gerät abnehmen und sah Mika zerknittert an. „Ich glaube wir müssen reden Mika!“ Dieser nickte und ging ein paar Meter. Immer noch schnaufend folgte ich ihm. Misstrauisch beobachtet von Geir Ole und Björn standen wir uns gegenüber. „Mika ich weiß nicht was mit mir los ist.“ Sofort wurde sein Blick weicher. „Ich bin seit Wochen nur noch müde. Ich könnte den ganzen Tag schlafen. Meist tue ich das auch. Trotzdem bin ich dauernd kaputt. Und meine Kondition ist in den letzten zwei Monaten trotz Training immer schlechter geworden. Du hast es selbst gesehen, Kondition ist das eigentlich nicht mehr zu nennen. Ich habe wirklich trainiert aber...“ Hilflos zuckte ich mit den Achseln. „Sie verschwindet einfach und ich kann nichts dagegen tun.“ Mir stiegen Tränen in die Augen, denn bisher hatte ich mit niemandem über meine Sorgen geredet, nicht mal mit Anders. „Warst du mal bei einem Arzt und hast dich untersuchen lassen?“ Mika hatte mich in den Arm genommen und strich mir über den Kopf. Schniefend schüttelte ich den Kopf. „Sirka du...“ Wir wurden von einem Schrei unterbrochen der aus der Halle kam. Mit einem entschuldigenden Blick spurtete Mika Geir Ole hinterher in die Halle. Ich ging ihnen langsam nach. „Was ist los?“ Verwirrt sah ich in Björns Gesicht. Er hatte tatsächlich gewartet. „Was geht es dich an?“ Ich schlenderte in Richtung Sporthalle als ich auf einmal an der Hand gepackt wurde und Björn mich in Richtung Umkleidekabinen zog. „Ey du weist schon dass das hier die Frauenumkleide ist und du hier nichts zu suchen hast, oder?“ Mir wurde mulmig als Björn die Tür verschloss. „Was ist los mit dir?“ Wütend stand ich auf. „Ich hab dir schon mal gesagt, dass dich das nen feuchten Dreck angeht Romören!“ Völlig unbeeindruckt sah er mich an. „Mika hat dir also nichts gesagt nehme ich an.“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Verwirrt sah ich ihn an. „Was soll Mika mir gesagt haben? Will er mich vom Training ausschließen weil meine Kondition nicht stimmt?“ Björn grinste mich irgendwie schief an und schüttelte den Kopf. „Du weißt genau dass Mika das nicht so einfach machen würde. Komm mal her.“ Er zog mich zu sich ran und wollte mein Shirt hochziehen. „Sag mal hast du sie noch alle? Oder willst du mal wissen wie es ist einem Kerl das Shirt auszuziehen???“ Björn verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich ärgerlich an. „Jetzt vergiss doch mal die blöden Sprüche von mir, du...“ – „Ach du gibst also zu dauernd blöde Sprüche zu lassen. So viel Einsicht hätte ich dir ja gar nicht zugetraut.“ Wütend tippte ich ihm gegen die Brust bis er genervt meine Hand wegschob. „Jetzt hör doch mal auf dauernd darauf rumzureiten. Sirka mal ehrlich, hast du in letzter Zeit mal in den Spiegel geguckt? An deinem Rücken sind lauter blaue Flecke, woher kommen die?“ Verwirrt sah ich ihn an. Blaue Flecke? Während ich in den Duschraum stürmte zog ich mir das Shirt über den Kopf. Vor dem Spiegel drehte ich mich so, dass ich einigermaßen gute sicht auf meinen Rücken hatte. Tatsächlich waren dort grob verteilt einige blaue Flecke. Im Spiegel sah ich Björns verwirrten Blick. Im Moment war es mir egal dass er mich im knappen Sportoberteil sah, ich konnte den Blick nicht von den Flecken nehmen. Ich fing an meinen Körper abzusuchen und auch am Bauch, an den Oberarmen und den Oberschenkeln waren die ersten Flecken zu sehen.„Du bist aber verdammt dünn geworden.“ Unter normalen Umständen hätte ich ihm dafür wahrscheinlich einen Spruch an den Kopf geworfen, doch ich nickte nur. „Ich verliere ohne Grund an Gewicht und an Kondition, ich schlafe fast den ganzen Tag und bin trotzdem dauernd müde.“ Es entstand eine Pause, keiner von uns redete. Ich spürte wie mir die Tränen kamen. „Björn irgendwas ist in mir und macht mich kaputt!“


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
 Betreff des Beitrags: Re: Watch over you
BeitragVerfasst: Di 19. Mai 2009, 20:39 
Offline
Bakken Putzer

Registriert: Di 16. Sep 2008, 22:14
Beiträge: 86
Teil 6

Ich ließ es zu, dass Björn mich an seine Brust zog und ich ließ es zu, dass er mich in den Arm nahm und mich hielt als meine Beine ihren Dienst versagten. Björn rutschte an der Tür hinunter und ich saß mit der Schulter an seine Brust gelehnt zwischen seinen Beinen. Seine langen und meine weniger langen Beine verschränkten sich irgendwie und ich weinte und weinte in seinen Armen während Björn mit seiner Hand immer wieder beruhigend über meinen knochigen Rücken fuhr. Keiner von uns reagierte als jemand an die Tür der Umkleide polterte und keiner reagierte als Mika plötzlich vor uns stand. Ich weiß nicht wieso, ich schätze ein Blick von Björn hat alles gesagt, denn Mika ließ uns wieder alleine und schloss die Tür wieder ab.
Es dauerte lange bis ich mich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Total erschöpft und ausgelaugt lehnte ich mich an Björn. „Du musst zu einem Arzt gehen.“ Ich antwortete nicht denn ich wusste, dass er recht hatte. Mir war seit Wochen klar, dass ich einen Arzt aufsuchen müsste, aber ich konnte nicht. „Ich hab Angst“ flüsterte ich. Björn schob mich ein Stück von sich weg und zwang mich ihm ins Gesicht zu sehen. „Du musst! Sirka es ist offensichtlich, dass irgendwas mit dir nicht in Ordnung ist.“ Schniefend nickte ich und blickte auf den Boden. Er hatte so recht! Wieder nahm er meinen Kopf in seine Hände und sah mir in die Augen. „Wenn du willst komm ich mit.“ Erstaunt sah ich ihn an. „Das würdest du tun?“ Vergessen war die Wut auf ihn und der ständige Drang ihm ein blaues Auge zu verpassen. „Klar, wenn du willst! Manchmal ist es leichter sowas mit jemandem zu machen, der einem vielleicht nicht so nah steht.“ Ich nickte. „Ich will nicht, dass Anders davon erfährt. Er würde durchdrehen.“ Björn nickte, half mir auf und gab mir mein Shirt. „Wenn du es nicht willst schweige ich wie ein Grab. Ich kann verstehen wenn du deine Familie damit nicht belasten willst. Vielleicht gibt es ja auch eine ganz harmlose Erklärung dafür. Dann machen sie sich nur umsonst Sorgen.“ Ich nickte. Sicher gab es eine harmlose Erklärung dafür. „Aber du solltest es Mika sagen.“ Ich drehte den Wasserhahn auf und wusch mir mit eiskaltem Wasser das Gesicht. „Seh ich wieder einigermaßen menschlich aus?“ Björn nickte. „Okay dann geh ich jetzt zu Mika.“ Vorsichtig legte er mir die Hand auf die Schulter. „Du packst das. Komm.“ Er schloss die Tür und nahm mich an der Hand. Er ließ sie erst wieder los als wir aus der Halle in die Maisonne traten. Alle anderen standen draußen und sahen uns entgegen. Anders kam mir entgegen und zog mich ein paar Meter weiter. „Alles wieder gut?“ Erschrocken blickte ich ihn an, Mika hatte doch wohl nichts verraten? „Naja Mika hat gesagt ihr habt euch so gefetzt, dass er euch in einer Umkleide eingeschlossen hat damit ihr euch zusammenrauft.“ Erleichtert nickte ich. „Ja alles okay. Wir haben uns ausgesprochen.“ Anders nickte. Wahrscheinlich hatte er jetzt schon ein Bild seiner nächsten Party im Kopf, die ausnahmsweise ganz friedlich verlief weil sein bester Freund und seine kleine Schwester sich nicht mehr ankriegten. „Kommst du dann? Wir können dann nach Hause.“ Jetzt musste mir schleunigst eine Ausrede einfallen, denn ich wollte ja noch mit Mika reden. Doch der stand schon neben mir. „Also eigentlich war Sirka mit dem Test ja noch nicht durch.“ Dankend sah ich ihn an. „Ja also wenn das in Ordnung ist bring ich sie nachher rum. Ich war mit dem Test ja auch noch nicht fertig. Das ist kein Problem.“ Erstaunt sah Anders zwischen Björn und mir hin und her. „Ja also ich kann auch mit Björn fahren, du musst nicht warten.“ Misstrauisch sah Anders mich an. „Ooookay. Dann...fahr ich mal. Und du...fährst mit Björn nach Hause!?!“ Ich nickte und während Anders auf sein Auto zusteuerte hörte ich ihn noch ein ’Wenn ich das Mama und Papa erzähle’ murmeln. Die Romörens waren gut mit unseren Eltern befreundet und hatten früher immer den Traum, dass Björn mal ihr Schwiegersohn werden würde. Bei Gartenpartys war das immer ein beliebtes Thema und wahrscheinlich hatte genau das dazu beigetragen, dass Björn und ich schon früh beschlossen uns gegenseitig zu hassen.
Als der Parkplatz leer war schickte Mika auch Geir Ole nach Hause und deutete mir und Björn ihm in sein Büro zu folgen. Vor der Tür hielt Björn mich zurück. „Wenn du willst kannst ich draußen auf dich warten.“ Ich war erstaunt über sein Verhalten, rechnete es ihm aber hoch an und stellte erstaunt fest, dass er mir in der letzten Stunde relativ sympathisch geworden war. „Quatsch, du kannst mit reinkommen. Du weißt ja eh bescheid und vielleicht brauch ich ein bisschen seelische Unterstützung.“ Björn lächelte mich aufmunternd an und schob mich in Mikas Büro. Wir setzten uns, wobei ich mir gleich mal mein Knie an Mikas Schreibtisch anstieß. Der ließ sich davon nicht beirren und fragte ohne Umschweife was los war.
Das erste Mal sprach ich offen und ausführlich von den letzten zwei Monaten und die ganze Zeit drückte Björn mir aufmunternd die Hand.
„Es fing schon am Ende der letzten Saison an, dass ich mich immer irgendwie schlapp fühlte. Ich hab das aufs Springen geschoben weil ich ja ziemlich oft mit euch mitdurfte um als Vorspringerin zu agieren. Aber nach der Saison wurde es schlimmer und schlimmer. Ich kann problemlos den ganzen Tag durchschlafen und bin trotzdem dauernd müde. Es stimmt auch, dass ich abgenommen habe, aber das war nicht meine Absicht. Es lief gut letzten Winter, ich hätte gar keinen Grund gehabt was zu ändern. Meine Kondition ist ja, wie du eben gesehen hast, gleich null. Ich hab in den letzten Wochen trainiert wie wahrscheinlich noch nie in meinem Leben, aber sie wurde immer schlechter und schlechter. Und dann sind da ja die blauen Flecken, du hast es ja gesehen.“ Mika nickte. „Ich hab sie vorher gar nicht wahrgenommen. Erst als Björn mich drauf hingewiesen hat hab ich im Spiegel nachgeguckt. Sie sind übrigens auch am Bauch und an Oberarmen- und Schenkeln. Es scheint ganz offensichtlich etwas nicht mit mir in Ordnung zu sein, aber ich hab keine Ahnung was das sein könnte.“
Ich hatte meinen Bericht so sachlich wie möglich vorgetragen, doch nun kamen mir wieder die Tränen. Björn wollte mir tröstend die Hand aufs Knie legen doch ich zuckte nur zusammen und stieß sie weg. Erschrocken sahen wir uns an, dann mein Knie. Wo ich mich eben noch gestoßen hatte war innerhalb weniger Minuten ein kräftiger blauer Fleck entstanden. „Oh mein Gott!“ Ich schlug mir die Hände vors Gesicht und heulte los. Sofort nahm Björn mich in den Arm. Mika kam um den Schreibtisch herum und griff dann wortlos zum Telefon. Ich hörte wie er mit dem Teamarzt sprach und dem meine Symptome erklärte. Er legte auf und gemeinsam versuchten die beiden mich zu beruhigen. Als das Telefon wieder klingelte nahm Mika schnell ab, schrieb etwas auf einen Zettel, bedankte sich und legte auf.
„Sirka, er hat dir einen Termin im Krankenhaus besorgt. Ich möchte dass du da morgen hinfährst und dich durchchecken lässt, okay?“ Ich nickte, was blieb mir anderes übrig? „Soll ich dich nach Hause bringen? Wir können es deiner Familie gemeinsam sagen.“ Hektisch schüttelte ich den Kopf. „Nein! Nein, die sollen sich nicht umsonst Sorgen machen. Außerdem würde Anders durchdrehen. Die sollen nichts wissen.“ Mika nickte, aber ich konnte ihm ansehen, dass er das nicht gut fand. „Okay, soll ich dann morgen mit dir ins Krankenhaus fahren?“ Ich mochte Mika wirklich gern, aber ich wollte es nicht. Wahrscheinlich weil ich ihn zu gern mochte und ich nicht wollte, dass er sich Sorgen machte. Auch wenn er das bestimmt schon zu genüge tat. Hilfesuchend sah ich Björn an. „Ähm...ja vielleicht ist es besser wenn ich mit Sirka da hinfahre. Bei mir fällt es auch ein bisschen weniger auf. Wenn ich morgen beim Training fehle kannst du sagen ich wär krank. Wenn Sirka nicht da ist und du auch fehlst könnte Anders misstrauisch werden. Er kriegt ja mit, dass es ihr nicht so gut geht.“ Überrascht sah ich ihn an doch sein Blick ließ mich schweigen. „Er hat Recht. Ich würde lieber mit Björn fahren wenn’s dir recht ist.“ Mika nickte. „Aber das ihr mich anruft wenn ihr wisst was los ist!!!“ Wir nickten synchron und Björn steckte den Zettel mit den Daten für meinen Termin ein. „Also dann, lasst morgen von euch hören. Und Sirka..“ Mika konnte den mitfühlenden Ausdruck seiner Augen nicht verbergen. „Viel Glück!“ Ich bedankte mich und verließ mit Björn das Büro. „Okay, lass uns umziehen gehen und dann fahr ich dich nach Hause. Wir treffen uns am Auto!“ Ich nickte Björn zu und ging mich umziehen.


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
 Betreff des Beitrags: Re: Watch over you
BeitragVerfasst: Di 19. Mai 2009, 20:39 
Offline
Bakken Putzer

Registriert: Di 16. Sep 2008, 22:14
Beiträge: 86
Teil 7

Als ich aus dem Gebäude trat stand Björn schon an seinem Auto und wartete. Ich verstaute meine Sachen und ließ mich auf dem Beifahrersitz nieder. Wortlos fuhren wir eine Weile. „Was meintest du eigentlich eben damit, dass Anders es eh mitkriegt, dass es mir nicht gut geht?“ Björn setzte den Blinker, schaute über seine Schulter und bog ab. „Naja er hat in den letzten Wochen häufiger angedeutet, dass er sich Sorgen um dich macht. Ich glaube er kriegt mehr mit als du ahnst. Du solltest also entweder oscarverdächtig schauspielern oder ihm reinen Wein einschenken. Ich halt meine Klappe, aber wenn er mich fragt lüge ich ihn nicht an!“ Er sah mich kurz an, konzentrierte sich dann aber wieder auf den Verkehr. „Sorry aber er ist mein bester Freund.“ Ich nickte und lächelte ihn an. „Ist okay. Mit ein bisschen Glück weiß ich morgen schon was Sache ist. Wenn’s nix schlimmes ist kann ich es meiner Familie ja sagen. Und wenn’s was Schlimmes ist...“ Ich ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen. Plötzlich machte Björn einen Schlenker und hielt auf einem Behindertenparkplatz. „Was ist wenn’s was Schlimmes ist?“ – „Du stehst auf einem Behindertenparkplatz, fahr weiter!“ Björn machte den Wagen aus, verschränkte die Arme vor der Brust und blickte starr geradeaus. „Was ist wenn’s was Schlimmes ist?“ Der Klang seiner Stimme war scharf und ich drückte mich weiter in den Sitz. „Daran möchte ich nicht denken.“ Meine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern und sofort legte Björn den Arm um meine Schulter und zog mich näher zu sich. „Tut mir leid. Ich kann mir vorstellen, dass du daran nicht denken magst. Aber was ist wenn? Das kannst du deiner Familie nicht verheimlichen!“ – „Weiß ich ja. Dann muss ich es ihnen sagen. Aber ich will trotzdem nicht darüber nachdenken.“ Björn legte seine Stirn gegen meine und sah mir in die Augen. „Ich weiß. Hör zu, ich weiß, dass das doof klingt, wenn ausgerechnet ich das sage. Aber ich bin für dich da, okay? Ich helfe dir so gut ich kann, egal was morgen passiert.“ Spontan schnallte ich mich ab um Björn richtig umarmen zu können. Im ersten Augenblick wirkte er überrascht, schlang dann aber ebenfalls seine Arme um mich. „Danke Björn, ich weiß das sehr zu schätzen.“ Er versuchte das herunterzuspielen doch ich unterbrach ihn sofort. „Nichts da. Ich könnte es nicht ertragen zum Beispiel Anders um mich zu haben wenn er wüsste was du weißt. Er würde durchdrehen und das würde mich fertiger machen als ich eh schon bin.“ Björn nickte und setzte an etwas zu sagen, als jemand energisch gegen das Fenster klopfte. Ich kurbelte die Scheibe runter und wir sahen der Politesse entgegen. „Also entweder legen sie ihren Behindertenausweis gut sichtbar auf die Armaturen oder aber sie fahren so schnell wie möglich los und suchen sich einen Parkplatz wo sie auch parken dürfen und kuscheln da weiter. Dann habe ich nichts gesehen.“
Wir grinsten, ich schnallte mich wieder an und Björn fuhr los. „Wow, die hat echt gedacht wir kuscheln. Wenn die wüsste!“ Björn grinste. „Mach dich nicht so fertig und lächle weiter. Das steht dir besser als dieser ängstliche Ausdruck.“ Ich lächelte ihn an und den Rest der Fahrt verbrachten wir schweigend.
Zuhause bedankte ich mich fürs heimbringen, schnappte mir meine Sachen und spazierte ins Haus. Schon im Flur stürmten Anders und meine Eltern auf mich zu. „Und wie war’s? Habt ihr euch nicht gegenseitig den Kopf abgerissen?“ Ich zucke lediglich mit den Schultern. „Nö, Björn kann ganz okay sein wenn er sich viel Mühe gibt. War auszuhalten.“ Meine Eltern warfen sich sofort vielsagende Blicke zu und Anders grinste. „Ich geh dann mal duschen.“
Als ich wieder runter kam hatten meine Eltern draußen den Tisch gedeckt und Anders stand am Grill. Das Wetter war durchaus schon so gut, dass man Abends noch ein wenig draußen sitzen konnte und das wollten sie wohl ausnutzen. Hunger hatte ich nicht wirklich, aber wie hatte Björn gesagt: Ich muss Oscarverdächtig schauspielern! Ich gab mein bestes und es schien niemand Verdacht zu schöpfen. Plötzlich klingelte mein Handy. Ich kannte die Nummer nicht und meldete mich: „Bardal?“ – „Hey ich bin’s, Björn!“ Verwundert sah ich das Handy an. „Woher hast du meine Nummer? Ähhh warte mal.“ Ich bemerkte, dass meine Familie mich interessiert beim telefonieren beobachtete, stand auf und setzte mich am anderen Ende des Gartens ins Gras. „So, jetzt kann ich reden. Also woher hast du meine Nummer?“ – „Naja die hat Anders mir mal gegeben. Falls der Notfall eintritt, wir besoffen sind, kein Taxi kriegen und er sein Handy verloren oder vergessen hat.“ – „Aha.“ Etwas geistreicheres fiel mir nicht ein. „Und warum rufst du an?“ – „Haben deine Eltern komisch geguckt als du nach Hause gekommen bist?“ Ich ahnte was er wollte und lachte. „Ja, Anders hat erzählt, dass du mich nach Hause bringst und als ich reinkam standen alle im Flur. Meine Eltern hatten diesen Blick drauf. Ich wette die planen schon unsere Hochzeit.“ Nun war es Björn, der am anderen Ende dunkel lachte. „Ja so ungefähr war das bei mir auch. Deine Ma hat meine wohl sofort angerufen und als ich nach Hause kam wurde ich sofort von ihr überfallen und sie hat mich gefragt ob wir jetzt immer nett zueinander wären.“ Ich grinste, das sah unseren Müttern so ähnlich. „Grinst du gerade?“ Ich stutzte. „Ja wieso?“ Einen Moment lang war es still am anderen Ende. „Ich...stell mir das nur gerade vor. Und es freut mich.“ Ich wusste nicht was ich darauf sagen sollte und schwieg. „Was ich dir noch sagen wollte: Wenn was ist kannst du mich jederzeit anrufen. Du hast ja jetzt meine Nummer.“ – „Danke Björn, das ist echt lieb von dir, aber bis morgen schaff ich das schon noch. Meine schauspielerische Leistung ist gerade echt oscarverdächtig.“ „Okay, ist ja auch nur für den Notfall. Also dann noch guten Hunger. Und Sirka?“ – „Ja, was ist?“ – „Steh wieder auf, um diese Jahreszeit ist es noch zu kalt um auf dem Boden zu sitzen.“ Und damit legte er auf. Verdattert sah ich das Telefon an. Woher...? Ich stand auf und sah zwischen unseren Nachbarhäusern durch. Björn stand auf dem Balkon seines Elternhauses und winkte. Ich zeigte ihm einen Vogel und ging zurück zum Essen.
„Na, wer hat denn da so geheimnisvolles angerufen, dass du nicht am Tisch sitzen bleiben konntest?“ Anders piekste mich etwas zu doll in die Seite und ich wich erschrocken zurück. Das würde wieder einen schmerzenden blauen Fleck geben. „Ähhmmmm.. das geht dich doch überhaupt nichts an!“
Nach dem Essen verzog ich mich auf mein Zimmer und legte mich aufs Bett. Ich dachte über den kommenden Tag und den Termin im Krankenhaus nach und bekam immer mehr Angst. Ich versuchte mich abzulenken und schnappte mir ein Buch.


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
 Betreff des Beitrags: Re: Watch over you
BeitragVerfasst: Di 19. Mai 2009, 20:39 
Offline
Bakken Putzer

Registriert: Di 16. Sep 2008, 22:14
Beiträge: 86
Teil 8

Als ich das Buch durch hatte seufzte ich schwer. Ich konnte schlecht die ganze Nacht durchlesen, also machte ich mich fertig und versuchte zu schlafen. Als ich das dritte mal tränenüberströmt aus meinem Albtraum aufwachte gab ich auf. Ich schaltete den Fernseher an, versuchte erneut zu lesen, hörte Musik. Doch nichts half. Ich hatte Angst! Und diese Angst ließ mich verrückt werden. Als ich glaubte es nicht mehr auszuhalten zog ich mich an und verließ leise das Haus. Ich plante eigentlich trotz mangelnder Kondition ein bisschen laufen zu gehen, doch nach wenigen Metern besann ich mich und gestand mir ein, dass ich nicht mutig genug war um nachts allein durch Oslo zu laufen. Der gestrige Abend kam mir in den Sinn und das Gespräch mit Björn. Kurzerhand lief ich zum Haus der Romörens. Natürlich hatte ich mein Handy nicht dabei und konnte Björn deshalb nicht anrufen. Klingeln kam natürlich nicht in frage. Also kletterte ich über das Gartentor und schlich um das Haus herum zum Balkon auf dem Björn kurz zuvor gestanden hatte. Ich wusste, dass dieser zu Björns Zimmer gehörte, seit Anders dort vor Jahren mal runtergefallen war. Ich schnappte mir ein paar Kieselsteine, warf und hoffte, dass ich traf. Es dauerte eine kleine Ewigkeit bis das Licht anging. Doch dann tat sich nichts weiter. Ich fing wieder an Steinchen zu werfen. Auf einmal ging die Tür auf, doch ich hatte gerade geworfen. "Autsch! Was soll das?" Im nächsten Augenblick sah Björn über das Geländer. "Sirka? Bist du das?" Ich nickte, dann fiel mir auf, dass er das von dort oben kaum erkennen konnte. "Ja. lässt du mich rein?" - "Ist irgendwas passiert?" - "Bitte Björn.." Es klang flehender als ich wollte, brachte Björn allerdings endlich dazu nicht weiter zu fragen. "Komm zur Haustür, ich lass dich rein." Ich schlich wieder um das Haus herum und Björn erwartete mich schon an der Tür. Besorgt wollte er mich in den Arm nehmen doch ich hielt ihn zurück. "Wenn du mich jetzt in den Arm nimmst fang ich richtig an zu heulen und dann kannst du schonmal Kaffe für uns und deine Eltern kochen! Die sind dann nämlich wach und wollen wissen warum ausgerechnet ich mitten in der Nacht zu dir will." Björn hob grinsend die Arme. "Okay okay. Komm rein." Ich betrat das Haus und schon zog Björn mich hinter sich her in sein Zimmer. "Okay jetzt kannst du heulen so laut du willst, wir haben dicke Wände und meine Eltern schlafen unten auf der anderen Seite." Das war wie mein Stichwort, denn sofort kamen mir die Tränen und Björn zog mich in seine Arme. "Hey was ist denn los?" Als ich mich ein wenig beruhigt hatte erzählte ich Björn von meinem Albtraum und dass ich alles versucht hatte um mich abzulenken. "Tut mir leid dass ich dich geweckt habe. Ich wusste einfach nicht mehr was ich tun soll." Geknickt ließ ich den Kopf hängen, doch Björn legte mir aufmunternd die Hand auf die Schulter. "Hey ich hab gesagt, dass du jederzeit anrufen kannst und das hab ich auch so gemeint. Und ob du jetzt hier bist oder anrufst ist letztendlich Käse." Ich nickte und Björn reichte mir ein Taschentuch. "So und jetzt setz dich und erzähl." Ich pflanzte mich in Björns Sessel während er es sich im Schneidersitz auf seinem Bett bequem machte. Und dann erzählte ich. Von meinem Albtraum im speziellen, aber auch generell von meiner Angst.
"Woher weißt du eigentlich genau, was du tun und sagen musst um das es mir besser geht?" Björn lachte. "Ist das so? Freut mich. Aber was meinst du genau?" - "Naja, zum Beispiel das du sagtest, dass es wahrscheinlich einfacher für mich ist mit jemandem der mir nicht so nahe steht zum Arzt zu gehen." Björn dachte gründlich nach bevor er antwortete. "Weißt du, als mein Opa starb war er vorher wirklich lange krank. Ich war damals ja noch ziemlich klein und ich hab ihn gefragt ob er Angst vorm sterben hat. Und damals hat er mir gesagt, dass er keine Angst mehr hat seit er weiß, dass er sterben wird. Aber es war schlimm für ihn dass alle wussten, dass es ihm schlecht ging und er zum Arzt musste. Sie haben ihn nervöser und ängstlicher gemacht als er ohnehin schon war. Das hab ich mir lediglich gemerkt und ich kann mir vorstellen wie Anders reagieren würde, wenn er wüsste was mit dir los ist. Und das würde ich ihm und schon gar nicht dir antun wollen." Ich nickte, das klang plausibel. Und ich stellte fest, dass Björn mir in den letzten Stunden immer sympathischer wurde. "Kannst du mal was Gemeines zu mir sagen?" Björn sah mich an, als wäre ich geisteskrank. "Wieso sollte ich etwas Gemeines zu dir sagen?" - "Komm schon das fällt dir sonst auch nicht so schwer. Mach mal bitte." - "Das ist sonst aber was anderes!!!" Ich verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn säuerlich an. "Okay du brauchst nichts gemeines mehr sagen, das hat gerade gereicht." Fragend sah Björn mich an. "Naja wenn du sagst 'Sonst ist das was anderes' geh ich davon aus, dass du gerade mal nett zu mir bist weil ich krank bin. Und wenn alles wieder gut wird bist du so bescheuert wie sonst auch. Das hat mir halt gerade gereicht." - "Ich hab immer noch nicht den Durchblick. Wieso sollte ich gemein zu dir sein?" Ich trat an die Balkontür und sah hinaus. "Weil wir gerade davon sprachen, dass es gut ist wenn ich mit jemanden ins Krankenhaus fahre der mir nicht so nah ist. Und mir ist aufgefallen, dass du mir auf einmal irgendwie wichtig bist. Ich hab eine Seite an dir kennengelernt die ich vorher nicht kannte. Und die Seite mag ich total gerne. Dadurch warst du mir auf einmal irgendwie nah. Naja und weil ich nicht wollte, dass du mir nah bist solltest du was Gemeines sagen. Du hast den alten Zustand wiederhergestellt, also ist alles gut." Ich hörte wie Björn aufstand. Auf einmal schlangen sich zwei Arme um meine Mitte und Björn legte sein Kinn auf meine Schulter. "Ich bin dir aber gern nah. Irgendwie. Und jetzt sei bitte nicht mehr sauer, denn ich mag dich wirklich unheimlich gern und kann es gar nicht ab wenn du sauer auf mich bist. Und du kannst drauf wetten, dass du solche dummen und blöden Sprüche von mir nicht mehr hören wirst und ich werde jedem die Fingerknochen brechen, von dem ich höre, dass er dich beleidigt. Und ich fänds schön wenn du mir auch gerne nah bist." Ich stand da wie versteinert, hatte er das jetzt wirklich gesagt? Ich musste hart schlucken als er mich umdrehte und ich diesen Ausdruck in seinen Augen sah. Seine Stimme war nicht mehr als ein kratziges Flüstern. "Sirka, du bist mir wichtig und ich werde immer für dich da sein!" Immernoch unfähig mich zu bewegen stand ich da. Und bevor ich etwas erwidern konnte spürte ich seine Lippen auf meinen, kurz nur und wie ein Hauch. Aber es fühlte sich an wie ein Versprechen.


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
 Betreff des Beitrags: Re: Watch over you
BeitragVerfasst: Di 19. Mai 2009, 20:40 
Offline
Bakken Putzer

Registriert: Di 16. Sep 2008, 22:14
Beiträge: 86
Teil 9

"Was hältst du davon wenn ich dir nen Trainingsanzug von mir gebe, du den überziehst und wir auf dem Balkon den Sonnenaufgang angucken? Ist nämlich gleich soweit." Ich nickte, zog den Trainingsanzug über und wir machten es uns auf zwei Stühlen bequem. Die Sonne ging langsam auf und ließ erahnen wie wunderschön dieser Tag werden würde. "Ist das nicht ein wunderschöner Sonnenaufgang?" Björn hing ganz verträumt auf seinem Stuhl. "Du tust gerade so, als ob es mein letzter wäre!" Er schreckte auf und sah mich mit weit aufgerissenen Augen auf. Erst als er meinen Gesichtsausdruck richtig deutete entspannte er sich. "Du bist doof. Über sowas macht man keine Witze." Ich kuschelte mich enger in die Decke, die Björn mir zwischenzeitlich rausgeholt hatte, weil es doch nicht so warm war wie es aussah. "Tut mir leid, aber wenn ich jetzt ernst sein muss drehe ich durch." Björn nickte und wir verfielen wieder in ein angenehmes Schweigen. Ein paar Minuten später klopfte es an Björns Tür und ein paar Sekunden später wurde sie geöffnet. Björns Mutter betrat das Zimmer und kam zum Balkon. "Also hab ich mich doch nicht getäuscht als ich dachte Stimmen zu hören. Guten morgen Sirka. Es freut mich dich zu sehen." Zum Glück blieb sie nicht lang, denn ich hatte keine Lust auf ein Gespräch. "Sie hatte den gleichen Gesichtsausdruck wie meine Mutter gestern." Björn lachte. "Ich kann’s mir bildhaft vorstellen. Ich verwette mein Auto, dass sie schon am Telefon hängt und deine Eltern rausklingelt." Er hatte Recht, denn ich sah zu unserem Haus rüber und konnte erkennen wie sich meine Mutter in Nachthemd und Bademantel bekleidet und mit dem tragbaren Telefon am Ohr in den Garten trat. Wir winkten ihr synchron und sie erschrak sichtbar. Wahrscheinlich hatte sie nicht damit gerechnet von uns gesehen zu werden. Zögerlich winkte sie zurück und verschwand dann wieder im Haus. "Oh man, am liebsten will ich nicht mehr nach Hause. Wenn ich allein schon an das Gelaber von Anders denke wird mir schlecht!" Björn lachte und nahm meine Hand. "Von mir aus kannst du hierbleiben. Ich gewähre dir gerne Asyl!" Ich lachte und fing an mit seinen Fingern zu spielen. "Das ist äußerst lieb von dir." "Ich kann super-lieb sein wenn ich will!" - "Ach und jetzt ist dir gerade nach super-lieb sein oder wie?" Schlagartig wurde er ernst und hielt meine Hand fest. "Bei dir will ich super-lieb sein." Sein Blick brachte mich komplett durcheinander und ich bekam so ein Gefühl, dass das gerade in die vollkommen falsche Richtung driftete. Vorsichtig entzog ich ihm meine Hand und wickelte mich aus der Decke. "Ich sollte dann gehen." Björn stand auf und folgte mir ins Zimmer. "Du musst doch jetzt nicht abhauen. Ich halte auch die Klappe!" Ich lachte auf und kniff ihm in die Wange. "Es ist aber vielleicht nicht schlecht wenn ich mich noch zwei Stündchen hinlege und versuche zu schlafen. Und dann kann ich mich schon fast fertigmachen, duschen und so. Vergiss nicht, wir haben nachher noch einen Termin." - "Und wenn du wieder den Albtraum hast? Du kannst dich auch hier zwei Stunden hinlegen und ich pass auf dich auf. Und eine Dusche haben wir auch!" Er zwinkerte mir zu aber ich verdrehte die Augen. "Genau. Willst du mir auch noch Klamotten von dir leihen? Sieht bestimmt super aus wenn die Hosen 15 cm zu lang sind." Björn lachte und gab nach. "Okay überredet. Auch wenn ich trotzdem finde, dass du hier schlafen könntest." Ich nickte nur und ging zur Tür. "Ist es okay wenn ich dir den Anzug später wiedergebe? Ich hab gerade so schön warm." - "Du kannst ihn auch behalten, vielleicht denkst du dann ab und zu an mich." Verwirrt und wahrscheinlich ziemlich dümmlich grinste ich ihn an und ging.


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
 Betreff des Beitrags: Re: Watch over you
BeitragVerfasst: Do 21. Mai 2009, 19:28 
Offline
Bakken Putzer

Registriert: Di 16. Sep 2008, 22:14
Beiträge: 86
Teil 10

Zu Hause schaffte ich es tatsächlich mich noch zwei Stündchen hinzulegen. Dann versuchte ich krampfhaft Anders zu ignorieren, der an meinem Bett saß und mir in regelmäßigen Abständen auf die Schulter tippte. Irgendwann wurde es mir allerdings zu viel, außerdem wollte ich nicht mit einer blauen Schulter im Krankenhaus auftauchen. „Man Anders, was ist?“ – „Du siehst blass aus Schwesterchen. Vermisst du Björn jetzt schon?“ Ich verdrehte die Augen und zog mir die Decke über den Kopf. Anders zog sie wieder weg und grinste mich an. „Ich weiß gar nicht was du von mir willst!“ Anders Grinsen wurde breiter. „Mama hat beim Frühstück erwähnt, dass du kurz nach Sonnenaufgang bei Björn auf dem Balkon gesessen hast und ich gehe nicht davon aus, dass ihr euch zum Sonnenaufgang-gucken verabredet habt!“ – „Boah Anders du...warte mal hast du eben gesagt beim Frühstück? Wie spät ist es?“ Hektisch sprang ich aus dem Bett und sah auf die Uhr. Ich hatte voll verschlafen!!! „Sirka, warum trägst du Björns Trainingsanzug?“ – „Man weil Björn mir meine Klamotten im Wahn unserer Lust zerrissen hat, wieso sonst? Anders hau ab ich hab voll verpennt. Wenn Björn kommt sag ihm er soll warten, ich bin unter der Dusche.“ Ich sprintete ins Bad um mich dort erstmal am Waschbeckenrand festzuhalten. Diese morgendliche Hektik bekam meinem Kreislauf anscheinend überhaupt nicht gut. Als ich in den Spiegel sah erschrak ich. Ich war wirklich noch blasser als sonst. Aber das lag wohl am Schlafmangel.
Während ich unter der Dusche stand hörte ich es klingeln. Das musste Björn sein, also beeilte ich mich richtig. Mit noch leicht feuchten Haaren stürmte ich die Treppe runter. Im Flur standen Björn und meine Familie. Argwöhnisch betrachtete ich sie. „Müsstet ihr nicht alle längst auf der Arbeit bzw. beim Training sein?“ Anders und meine Eltern zuckten mit Unschuldsmienen mit den Schultern. „Boah haut ab, Björn und ich haben von Mika ein Sondertraining verordnet bekommen weil unsere Tests gestern grottenschlecht waren. Also hopp hopp, wir müssen auch los.“
Anders ließ sich davon überzeugen, dass Björn und ich nicht zur Schanze mussten und alle verschwanden. „Puh sorry, aber du kennst sie ja.“ Björn beobachtete mich mit einem seltsamen Blick. „Komm guck mich nicht so an, wir müssen los. Ich hab echt voll verpennt.“ Im Auto schwiegen wir lange. „Sag mal Björn was ist los?“ Plötzlich grinste er. „Anders hat mir schon fast zu unserer Hochzeit gratuliert. Was hast du ihm erzählt?“ Ich grinste, mein lieber Bruder glaubte echt alles. „Er hat mich nur gefragt warum ich morgens bei dir auf dem Balkon sitze und beim aufstehen deinen Trainingsanzug trage. Ich war zu genervt mir eine Ausrede einfallen zu lassen und hab gesagt, dass du mir meine Klamotten im Wahn unserer Lust zerrissen hast. Der glaubt auch jeden Scheiß. Hey was ist los?“ Björn hatte einen wahnsinns Schlenker gemacht, am Straßenrand gehalten und lachte lauthals los. Ich schaltete das Warnblinklicht an und wartete bis er fertig war. „So witzig ist das nicht. Ich hab das sowas von triefend ironisch gesagt. Ich fasse es nicht, dass er das glaubt!“
Björn schüttelte ebenfalls noch grinsend den Kopf, schaltete das Warnblinklicht wieder aus, setzte den Blinker und ordnete sich wieder in den Verkehr ein. „Ich würde gern eine WG mit euch gründen, ich glaub wir drei zusammen: Das würde nie langweilig werden!“ Ich grinste und gab ihm einen Klaps gegen die Schulter. „Das würde mir einfallen. Mit zwei Kerlen eine Wohnung teilen. Lieber würde ich ins Kloster gehen!“
Am Krankenhaus suchten wir einen Parkplatz und stiegen aus. Björn nahm meine Hand und drückte sie. „Es wird alles gut, glaub mir!“ Zweifelnd sah ich ihn an. „Kannst du mir das versprechen?“ Mit gesenktem Kopf kickte er einen Stein weg, dann schüttelte er den Kopf. Zögernd traten wir vor die Eingangstür. Ich atmete tief durch und Björn fasste mich an den Schultern. „Sirka hör zu, egal was heute passiert: Versprich mir dass du den Kopf nicht hängen lässt. Ich werde für dich da sein was auch immer passiert! Ich lass dich nicht alleine, okay?“ Zögerlich nickte ich. Wir umarmten uns kurz, dann betraten wir Hand in Hand das Krankenhaus.
Eine Viertelstunde später saß ich in einem Behandlungszimmer und schilderte dem Arzt meine Situation. Er besah sich die blauen Flecken, nahm mir Blut ab und ließ es ins Labor bringen um ein Blutbild zu machen. Und schließlich sprach er mit mir auch über seinen Verdacht. „Gehen sie mit ihrem Freund ein bisschen in unseren Park spazieren oder essen sie etwas in der Cafeteria. In ungefähr zwei Stunden haben wir die erste Diagnose, dann sehen wir weiter ob sich mein Verdacht überhaupt bestätigt. Solange machen sie sich bitte keine Sorgen.“ Ich nickte, unfähig etwas zu sagen. Er brachte mich auf den Flur, wo Björn bereits wartete. Auch ihm sagte er, wir sollten die nächsten zwei Stunden irgendwie totschlagen.
Im Krankenhauspark setzten wir uns auf eine Bank. Björn sagte nichts, aber ich merkte wie nervös er war. „Ich weiß das ist viel verlangt, aber können wir vielleicht einfach nur hier sitzen? Ich bin nicht so in der Stimmung zu reden.“ Björn nickte mir zu, legte den Arm um mich und die nächsten zwei Stunden sagte keiner ein Wort.
Björns Angebot mit reinzukommen wenn der Arzt mir die Ergebnisse der Blutuntersuchung mitteilt lehnte ich ab. Ich lächelte ihm aufmunternd zu und betrat das Büro des Arztes.
Es dauerte nur fünf Minuten bis ich wieder aus dem Büro heraustrat und an Björn vorbei in Richtung Ausgang ging. Wir stiegen ins Auto und er fuhr ohne ein Wort zu sagen los. Natürlich bemerkte ich seine fragenden Blicke und er tat mir leid. „Können wir einfach irgendwohin fahren?“ Björn nickte verbissen und wenig später verließen wir Oslo. Als Björn anhielt fragte ich mich erneut, wieso er immer wusste was ich gerade brauchte. Wir parkten an einem See nicht weit weg von Oslo, jedoch schon immer wenig besucht. Früher hatten wir mit unseren Familien des Öfteren hier die Nachmittage verbracht. Ich stieg aus und ging auf den See zu. Björn stellte sich neben mich und sah ebenfalls aufs Wasser. „Ich hab Leukämie.“ Björns Gesicht war vom Entsetzen gezeichnet und mir liefen bereits einzelne Tränen an den Wangen herunter. „Björn ich muss vielleicht sterben.“ Als ich es ausgesprochen hatte brach alles aus mir heraus und ich schlug mir verzweifelt die Hände vors Gesicht. Ich weinte als könnte ich nicht mehr aufhören. Björn nahm mich in den Arm und hielt mich fest. Als ich aufsah bemerkte ich seine Tränen, die einfach so flossen. Ansonsten stand er da wie angegossen, ohne Regung, den Blick in die Ferne gerichtet.


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
 Betreff des Beitrags: Re: Watch over you
BeitragVerfasst: Do 21. Mai 2009, 19:29 
Offline
Bakken Putzer

Registriert: Di 16. Sep 2008, 22:14
Beiträge: 86
Teil 11

Die Zeit schien stillzustehen während wir dort Arm in Arm standen. Es dauerte schier eine Ewigkeit bis Björn sagte, dass es verdammt kalt ist. Er zog mich hinter sich her ins Auto. Seine Hände umfassten das Lenkrad so verkrampft, dass die Fingerknochen weiß hervorstachen. „Ist die Diagnose hundertprozentig richtig?“ Ich atmete zitternd aus. „Ziemlich. Ich soll morgen zur Knochenmarkspunktion vorbeikommen, dann hab ich die Bestätigung.“ – „Aber vielleicht hat er sich geirrt und bei dieser Knochenmarksdings bestätigt sich das gar nicht. Das wär doch möglich!“ Ich schüttelte bedauernd den Kopf. „Björn es bringt nichts sich an einem halbzerfallenen Strohhalm festzuhalten. Die Punktion ist nur dafür da den Verdacht hundertprozentig zu bestätigen. Meine Blutwerte sind eindeutig!“
Während der Fahrt schwiegen wir. An Björns Gesicht konnte ich sehen wie es in ihm arbeitete. Wo er mit seinen Gedanken war konnte ich mir denken. Ich hingegen war komischerweise die Ruhe selbst. Ich dachte an nichts und mein Kopf fühlte sich wie leergefegt an. Als Björn mich absetzte und ich die Tür öffnen wollte hielt er mich zurück. „Sagst du es ihnen?“ Ich ließ mich zurück in den Sitz fallen, überlegte kurz und schüttelte den Kopf. „Was ist mit Mika?“ Wieder schüttelte ich den Kopf. Björn machte mir ausnahmsweise keine Vorwürfe und sah mich nur fragend an. „Ich warte morgen noch ab. Wenn ich die eindeutigen Ergebnisse habe werde ich es sagen. Kannst du so lange die Klappe halten?“ Er nickte. „Auch wenn Anders dich fragt? Ich meine, weil er doch dein bester Freund ist.“ Ein schwaches Lächeln zierte sein Gesicht. „In diesem Fall werde ich wohl mal eine Ausnahme machen.“ Ich lächelte ihn dankbar an, nahm ihn in den Arm und ging ins Haus.
Im Flur saß Anders im Schneidersitz auf dem Boden und sah mir entgegen. „Seit wann meditierst du? Soll ich dir bei Gelegenheit ein Nagelbrett bauen?“ Ich versuchte zu scherzen, denn seinen Gesichtsausdruck kannte ich zu gut. „Sirka können wir reden?“ Auch sein Ton war mir bestens bekannt. Ich hatte keine Möglichkeit außer zuzustimmen. Er folgte mir in mein Zimmer, öffnete dann meinen Schrank und wühlte einen dicken Pulli heraus. „Was hast du vor?“ Er deutete mir ihm zu folgen und gemeinsam gingen wir runter und zogen unsere Schuhe an. Dann verließen wir das Haus. Ich latschte einfach hinter Anders her und sagte nichts. Ich wusste, wenn er etwas wichtiges bereden wollte brauchte er Zeit um sich zu sammeln. Wir gingen an Romörens Haus vorbei und ich sah Björn mit einer Zigarette auf dem Balkon stehen. Er sah uns fragend an, Anders bemerkte ihn jedoch nicht (oder wollte ihn nicht bemerken) und ich zuckte nur mit den Schultern.
Wir gingen ein Stück durch den Wald und am kleinen Waldsee kletterte Anders mit geübten Bewegungen einen Baum hinauf. Ich folgte ihm und er reichte mir die Hand und half mir hoch. Eine Weile saßen wir beide nur da. Ich abwartend und Anders, der in sich gekehrt auf den See blickte. Ich musste lächeln. Hier waren wir ewig nicht gewesen. Auf diesem Baum hatten wir früher Stunden verbracht wenn wir etwas angestellt hatten und nicht nach Hause wollten oder wenn es etwas wichtiges zu erzählen gab. Hier hatte mir Anders von dem ersten Mädchen erzählt in das er verliebt war und ich hatte ihn vom Baum gestoßen, weil ich sauer war und Angst hatte, er würde dann keine Zeit mehr für mich haben. Genauso hatte ich Anders später vom ersten Jungen erzählt, den ich toll fand und wieder war er vom Baum gefallen. Diesmal allerdings, weil er sich so aufregte und mir schwor dem Jungen alle Knochen zu brechen, sollte der mich auch nur angucken. Wenn ich genauer drüber nachdachte war Anders ziemlich oft von diesem Baum gefallen.
Da Anders anscheinend immer noch nicht reden wollte lehnte ich mich genüsslich gegen den Stamm, schloss die Augen und ließ mir die letzten Sonnenstrahlen, die den Weg durch das Geäst fanden, ins Gesicht scheinen. Ich dachte über diesen Baum nach und das er uns eigentlich durch unsere ganze Kindheit hindurch begleitet hatte und stiller Zeuge unserer Entwicklung geworden war. Wenn ich ihn ansah war es wie in einem Tagebuch zu blättern. Ich genoss es hier mit Anders zu sitzen, denn er war der Mensch, mit dem ich am allerbesten schweigen konnte. Mit ihm konnte ich Stunden so zusammensitzen und am Ende hatte ich immernoch das Gefühl, dass er genau wusste was mit mir los war. Und ich wusste, dass es ihm genauso ging, das hatte er mir einmal erzählt. Ich dachte an unsere Kindheit und mir fielen Ereignisse ein, an die ich schon Jahre nicht gedacht hatte. Als Anders sich räusperte öffnete ich die Augen und brauchte einen Moment um von den Erinnerungen auf die Gegenwart umzuschalten. Ich sah ihn an und wusste, dass er nun bereit zum reden war. Und ich wusste dass ich jetzt nicht lügen konnte!


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
 Betreff des Beitrags: Re: Watch over you
BeitragVerfasst: Do 21. Mai 2009, 19:29 
Offline
Bakken Putzer

Registriert: Di 16. Sep 2008, 22:14
Beiträge: 86
Teil 12

„Was ist los?“ Im ersten Moment musste ich ziemlich doof geguckt haben, denn Anders grinste mich an. „Wie meinst du das?“ Ich hatte mit einer Frage gerechnet die weitaus schwerer zu umgehen und vor allem viel konkreter gestellt war. „Also irgendwas liegt in der Luft, glaub nicht, dass ich das nicht merke. Und du hängst dauernd mit Björn ab. Ich glaube kaum, dass ihr freiwillig zusammen trainieren geht. Irgendwas heckt ihr aus und ich will wissen was es ist!“ Trotzig sah ich ihn an. Das könnte einfacher werden als ich dachte. „Und wenn es dich nichts angeht?“ Anders sah auf seinen in der Luft baumelnden Fuß. „Wenn es mich nichts anginge wüsste ich wahrscheinlich worum es geht. In der Hinsicht seid ihr beide euch sehr ähnlich, ihr könnt nichts für euch behalten. Björn erzählt mir alles und du bist genauso. Daraus schließe ich, dass irgendwas ist und ich hab den Verdacht, dass es nichts gutes ist.“ Ich hatte Anders unterschätzt und das ärgerte mich. Zumal ich ihm die perfekte Vorlage geliefert hatte. Ich versuchte mich rauszureden, obwohl ich wusste, dass das wenig Sinn hatte. „Es ist nichts Anders. Das bildest du dir ein!“ Anders lachte auf und sah mich an. „Es ist eure Sache was ihr mir sagt und was nicht. Aber bis jetzt dachte ich wir könnten über alles reden und es tut weh, dass es anscheinend nicht so ist.“ Ich konnte ihm die Enttäuschung richtig ansehen und das wiederum tat mir weh.
„Ach Anders!“ Geschickt kletterte ich auf seinen Ast und setzte mich neben ihn. „Hör zu, ich gebe zu da ist was. Aber...ich kann’s dir nicht sagen. Noch nicht!“ Er lachte bitter auf und sah mich böse an. „Aber dein neuer bester Freund Björn weiß bescheid, sehe ich das richtig?“ Es tat mir weh wie er mit mir sprach. So hatte ich ihn noch nie erlebt und ich musste mich sehr beherrschen um nicht zu weinen. „Anders, das hat nichts mit Björn zu tun. Er war nur zu falschen Zeit am falschen Ort, deshalb weiß er bescheid. Es hat nichts mit dir zu tun oder das ich finde es geht dich nichts an oder so. Es ist einfach so, dass ich es nicht sagen will!“ Anders nickte und ich sah ihm an wie sehr er sich zusammenriss. „Und wann gedenkst du etwas zu sagen? Oder wird das ein Geheimnis, dass du mit ins Grab nimmst?“ Bei seiner letzten Frage musste ich schlucken. Wenn er wüsste was diese Floskel in mir auslöste. „Morgen...morgen kann ich voraussichtlich mehr sagen.“ Ich hatte mich räuspern müssen um überhaupt antworten zu können. „So morgen also...voraussichtlich.“ Anders klang so abweisend wie ich es noch nie erlebt hatte. „Na dann können wir vielleicht morgen weitersprechen.“ Damit sprang er vom Baum und ging. Erst als er außer Sichtweite war schlug ich die Hände vors Gesicht und konnte hemmungslos weinen.
Kurze Zeit später hörte ich Anders wiederkommen und auf den Baum klettern. Er setzte sich neben mich und zog mich in seine Arme. Wie froh war ich, dass er sich anscheinend doch Sorgen um mich machte und zurückkam um sich zu entschuldigen. Erst als mir Haare im Gesicht kitzelten sah ich auf. „Björn.“ Er wischte mir die Tränen von den Wangen und zog mich wieder an sich. Froh darüber nicht allein sein zu müssen lehnte ich mich an ihn und weinte und weinte. Als ich mich beruhigt hatte war es schon nahezu dunkel. Ich sah Björn an und seine Augen funkelten in der Dunkelheit. „Anders kam mir entgegen. Als ich ihn gefragt habe was los ist meinte er nur ich sollte mich um dich kümmern, du würdest anscheinend nicht wollen, dass er für dich da ist.“ Ich lachte auf, das war so typisch Anders. „Er ist eingeschnappt, weil ich ihm nicht gesagt habe was los ist. Du hattest Recht, er weiß, dass etwas nicht in Ordnung ist.“ Björn nickte nur, dann schwiegen wir eine Weile.
Ich hatte ein komisches Gefühl hier mit Björn zu sitzen, denn bis jetzt war dies Anders’ und mein Platz gewesen, aber ich war sauer, weil mein Bruder mir nicht vertraute. Dennoch saßen wir lange dort zusammen und fingen irgendwann an zu reden. „Sirka“, Björn nahm mein Gesicht in seine Hände und sah mir in die Augen. „Ich weiß das hört sich abgedroschen an und ich wiederhole mich. Aber du musst dran glauben, dass alles wieder gut wird. Morgen wird vielleicht der schlimmste Tag deines Lebens, aber nicht der letzte! Und es werde noch viele Tage folgen. Schöne und weniger schöne. Aber du wirst das schaffen! Du bekommst so viel Hilfe und Unterstützung wie du brauchst, das weiß ich. Und auch wenn deine Familie eingeweiht ist und den ersten Schock überwunden hat würde ich gern weiter für dich da sein. Ich weiß nicht wieso wir und immer angefeindet haben und ich weiß nicht wieso wir so lange gebraucht haben um zu erkennen, dass wir uns gut verstehen. Aber ich will dass du weißt, dass du mir sehr wichtig geworden bist und dass ich das um nichts in der Welt wieder missen möchte. Du bist mir wichtig und ich werde alles tun, damit es dir gut geht!“ Gerührt von seinen Worten sah ich ihn an, unfähig ein Wort zu sagen. Sein Gesicht kam meinem immer näher und bevor ich reagieren konnte legte er seine Lippen auf meine. Nicht flüchtig wie beim letzten Mal, sondern richtig. Etwas zu hektisch versuchte ich ihn wegzudrücken, verlor das Gleichgewicht und fiel seitlich vom Baum. Im ersten Moment hörte ich Björn erschrocken nach mir rufen, doch als ich mich auf den Rücken drehte fing er lauthals an zu lachen. Er kletterte mit geübten Bewegungen vom Baum und kniete sich neben mich. „Alles okay bei dir?“ Ich brummte und nickte zögerlich. „Ich glaub schon.“ Vorsichtig half Björn mir auf, klopfte mir den Dreck von den Klamotten und sah mich an. „Na mein kleines Erdferkel, da hast du mir aber einen ganz schönen Schrecken eingejagt!“ Grimmig sah ich ihn an und rieb mir den Arm auf den ich gefallen war. „Normalerweise ist das Anders’ Aufgabe vom Baum zu fallen. Und nenn mich nicht Erdferkel!“ Lachend entfernte Björn mir etwas Schmutz aus dem Gesicht. „Dann bist du jetzt mein Krabbelkäfer. Es sah aber auch zu süß aus wie du da auf dem Boden gelegen hast. Wie ein Käfer auf dem Rücken!“ Ich schnaufte und stapfte los. „Schön, dass du deinen Spaß hattest!“ Grinsend lief er mir nach und legte seinen Arm um meine Schultern. „Tut mir leid, ich höre auf damit. Aber gut zu wissen, dass ich anscheinend doch eine umwerfende Wirkung habe!“ Ich blieb stehen, sah ihn an und zog die Augenbrauen hoch. „Gibst du mir fünf Minuten Vorsprung für den Heimweg? Bei dir kommt schon wieder der Macho durch..“ Björn zog mich wieder zu sich heran und schob mich weiter. „Das war ausnahmsweise mal nicht machomäßig gemeint. Es passte nur so gut zu der Situation. Also lass mich dich nach Hause bringen. Was ist mit deinem Arm?“ Ich schnaufte. „Nix schlimmes. Ich befürchte lediglich der wird ordentlich blau. Also komm nicht auf die Idee da reinzukneifen wenn dir dein Leben lieb ist.“ – „Hey hey hey!“ Björn hob abwehrend die Hände. „Wir verfallen in alte Gewohnheiten! Ich kneif dich erst wieder wenn du gesund bist.“ Bevor ich etwas sagen konnte brachte Björn mich mit seinem Blick zum schweigen. Leise sagte er: „Du wirst wieder gesund. Und ich will nichts anderes von dir hören!“
Als sich unsere Wege trennten, ich konnte ihn davon überzeugen die letzten Meter auch allein zu schaffen, zog Björn mich nochmal in den Arm und gab mir einen Kuss auf die Stirn. „Soll ich dich morgen zum Krankenhaus fahren?“ Ich entzog mich ihm, verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte zögernd den Kopf. „Ich glaub es ist besser wenn ich das allein mache.“ Björn wollte etwas erwidern doch ich kam ihm zuvor und tätschelte ihn am Arm. „Es ist besser so. Also dann: Gute Nacht! Ich melde mich.“ Dann drehte ich mich um und ging zügig weg.
Kurz vor unserem Haus hörte ich Schritte. Ich drehte mich um und sah Björn auf mich zulaufen. Ich ahnte was kommen würde und warf hektische Blicke zwischen ihm und meiner Familie, die im Vorgarten stand, hin und her. „Sirka, du kannst das nicht bringen! Lass mich mitkommen. Ich will doch nur nicht, dass dir was passiert.“ Ich war froh, dass er leise sprach, so konnte meine Familie nichts hören. „Björn was soll das?“ Ich flüsterte und sah ihn sauer an. „Das ist meine Sache und ich will das nun mal alleine machen. Kapier das doch! Ich werde mich schon nicht gleich vom nächsten höheren Gebäude stürzen.“ Björns Augen wurden größer und größer, an sowas hatte er anscheinend gar nicht gedacht. „Björn, ich werde mir nichts antun und auch sonst wird nichts passieren. Ich weiß doch eh bescheid und bin vorbereitet. Es ist also nichts besonderes.“ – „Nichts besonderes!“ Björn schnaufte und sah mich an, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank. Dann wurde sein Blick weicher und er nahm fast schüchtern meine Hand. „Warum Sirka?“ Auf einmal wirkte er ängstlich auf mich und genau das war es, wovor ich mich gefürchtet hatte. „Weil du nicht mehr der unbeteiligte Typ bist, der einfach mitkommt und die Ruhe behält damit ich nicht durchdrehe.“ Ich wuschelte Björn durch die Haare, drehte mich um und ging. Am Gartentor hielt er mich zurück und nahm mich fest in den Arm. Mit dem Gesicht an seiner Brust nuschelte ich: „Björn, meine Eltern und Anders stehen da und gucken uns zu.“ Er ließ mich los und sah wieder gefasster aus als kurz zuvor. Dann küsste er mich schon wieder, drehte sich um und ging. Fassungslos sah ich erst ihm hinterher, dann zu meinen Eltern. Die guckten ungefähr genauso blöd aus der Wäsche wie ich. Nur Anders sah mich grimmig an, drehte um und ging ins Haus. Ich tat es ihm gleich, stapfte direkt hoch in mein Zimmer und schmiss mich aufs Bett.


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
 Betreff des Beitrags: Re: Watch over you
BeitragVerfasst: Do 21. Mai 2009, 19:30 
Offline
Bakken Putzer

Registriert: Di 16. Sep 2008, 22:14
Beiträge: 86
Teil 13

Beim Abendessen ignorierte ich die fragenden Blicke meiner Eltern, Anders war gar nicht erst erschienen. Auch ich sah zu, dass ich so schnell wie möglich wieder auf mein Zimmer kam Ich versuchte zu schlafen und für ein paar Stunden gelang es mir auch, den Rest der Nacht verbrachte ich damit, Löcher in die Dunkelheit zu starren. Als es hell wurde stand ich auf. Unter normalen Umständen würde ich in solchen Fällen joggen gehen, das hatte jedoch so keinen Sinn. Also versuchte ich mir die Zeit weiter zu vertreiben. Gegen halb sieben kam eine Sms von Björn. Er fragte ob er nicht doch mitkommen sollte. Ich schrieb zurück, dass sich meine Meinung seit gestern nicht geändert hatte und ich mich bei ihm melden würde, sobald ich wieder zu Hause wäre. Um sieben kam die nächste Sms, ob ich wirklich glaubte, dass das die ideale Lösung wäre. Ich antwortete, dass ich mir ziemlich sicher war und er endlich aufhören solle sich Sorgen zu machen. So ging das im halbstündigen Takt weiter. Ab neun Uhr antwortete ich nicht mehr und um zehn schaltete ich mein Handy ab und ging frühstücken. Mittags fuhr ich mit dem Bus los in Richtung Krankenhaus. Als ich vor dem Eingang stand kribbelte es unangenehm in meiner Magengegend und ich wünschte mir Björn her. Doch da musste ich jetzt allein durch. Ich atmete tief ein und betrat die Empfangshalle.
Die Punktion an sich war dank der örtlichen Betäubung nicht schlimm. Ich durfte noch eine Weile liegen bleiben, während meine Probe untersucht wurde. Da dies nicht so schnell ging machte ich mich auf den Weg in die Stadt um tatsächlich ein bisschen zu bummeln. Ich war heilfroh niemanden zu treffen den ich kannte. Als ich wieder am Krankenhaus ankam und das Büro des Arztes betrat wusste ich was los war, ohne dass er etwas sagte. „Frau Bardal, ich habe ihnen gestern aus gutem Grund wenig Hoffnung gemacht und die Vordiagnose hat sich leider bestätigt.“ Ich atmete aus und entspannte mich. „Das habe ich mir gedacht und ich habe mir aus gesundem Pessimismus heraus keinerlei Hoffnungen gemacht. Wie geht’s jetzt weiter?“ Ich war komischerweise total ruhig und gefasst. „Die Grundlage der Behandlung von Leukämien ist die Therapie mit Zytostatika. Das sind natürliche oder synthetische Substanzen, die das Zellwachstum bzw. die Zellteilung hemmen. Zusätzlich müssen wir eine Knochenmark- bzw. Stammzellentransplantation vornehmen. Haben sie Geschwister?“ Ich nickte. „Einen älteren Bruder.“ Der Arzt schrieb etwas in meine Akte. „Er ist ihr leiblicher Bruder und sie haben die gleichen Eltern?“ Wieder nickte ich. „Zumindest ist mir nichts gegenteiliges bekannt.“ Er lächelte und schrieb wieder. „Er würde, neben ihren Eltern, am wahrscheinlichsten in Betracht zur Spende kommen. Wir müssten ihn testen. Weiß ihre Familie bescheid?“ Diesmal schüttelte ich den Kopf. „Das steht mir heute bevor. Ich wollte sie nicht umsonst beunruhigen.“ Er nickte, legte den Stift beiseite und sah mich über den Rand seiner Brille hinweg an. „Sie können es nicht weiter verschweigen wenn sie gesund werden wollen.“ Wieder nickte ich. „Ich weiß. Ich habe nicht vor es ihnen zu verheimlichen.“ – „Gut.“ Er nahm seinen Stift wieder auf und lehnte sich zurück. „Rufen sie mich morgen an. Dann machen wir einen Termin um ihre Familie zu testen.“ Ich nickte und nahm die Karte, die er mir hinhielt. „Was ist wenn niemand aus meiner Familie als Spender in Frage kommt?“ – „Darüber machen wir uns Gedanken wenn es soweit kommt. Dann wird es schwierig. Soll ich ihnen ein Taxi rufen oder jemand, der sie abholt?“ Ich stand auf und gab ihm die Hand. „Danke es geht schon. Ich melde mich morgen.“ An der Tür drehte ich mich nochmal zu ihm um. „Wenn wir keinen Spender finden... Werde ich sterben?“ Er seufzte und setzte sich wieder. „Wenn wir wirklich niemanden finden... Natürlich könnten sie dann sterben. Aber die Chancen stehen heutzutage wirklich nicht schlecht und die Medizin ist sehr weit. Fangen sie also noch nicht an sich zu verabschieden, soweit ist es noch lange nicht.“
Nachdem ich mich nochmal bedankt und verabschiedet hatte ging ich noch ein wenig im Krankenhauspark spazieren. Ich wartete auf meinen Zusammenbruch aber er kam nicht. Also nahm ich den nächsten Bus und fuhr nach Hause. Meine Mutter erwartete mich schon an der Haustür. „Da bist du ja endlich. Komm schnell, das Essen wird kalt. Hast du keine Klamotten gefunden?“ Zuerst war ich verwirrt, dann fiel mir ein, dass sie dachte ich wäre shoppen gewesen. Ich lächelte sie nur an und folgte ihr in die Küche. Als Anders mich sah wollte er aufstehen und gehen, doch ich stellte mich ihm in den Weg. „Bleib bitte da, ich muss mit euch reden!“ Sein Blick war erstaunt, wahrscheinlich hatte er nicht damit gerechnet. Widerstandslos setzte er sich wieder und sah mich an. Auch ich setzte mich und nahm den Teller mit Nudeln von meiner Mutter entgegen. „Also wenn du was von dir und Björn erzählen willst: schieß los!“ Erwartungsfroh sah meine Mutter mich an. „Und wenn es nichts mit Björn zu tun hat?“ Verwirrt sah sie von mir zu meinem Vater und wieder zu mir. „Ja dann...ähh...dann auch. Erzähl uns was du auf dem Herzen hast.“


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
 Betreff des Beitrags: Re: Watch over you
BeitragVerfasst: Do 21. Mai 2009, 19:30 
Offline
Bakken Putzer

Registriert: Di 16. Sep 2008, 22:14
Beiträge: 86
Teil 14

„Ich bin krank!“ Alle drei sahen mich plötzlich verwirrt an. „Vielleicht ist euch aufgefallen, dass ich abgenommen habe und dauernd müde bin und so.“ Alle drei nickten zögerlich. Ich atmete tief durch und zog meinen Pulli aus. Ich brauchte den Ärmel des T-Shirts, dass ich drunter trug, nicht mal hochzuziehen, der Anblick meines im schönsten blau schimmernden Armes genügte. „Ich bin gestern von unserem Baum gefallen.“ Immernoch lag Erstaunen in den Gesichtern. Natürlich wussten alle welchen Baum ich meinte und alle wussten, dass man sich für gewöhnlich nichts tat wenn man von ihm fiel, da die Äste zum drauf sitzen nicht sonderlich weit über dem Boden waren. „Aber...wie kann das sein?“ Meine Mutter war fassungslos und wollte mir tröstend die Hand auf die Schulter legen, doch ich rutschte weg. „Lass mal, da oben ist auch alles blau.“ – „Wo noch?“ Ich erschrak über die Frage meines Vaters. Es lag nicht an der Frage, sondern eher daran wie er sie stellte. „Rücken, Bauch, Arme, Beine... Überall. Ich brauch mich nur leicht stoßen.“ Noch immer starrten mich alle an. „Ich hab meine ganze Kondition verloren, obwohl ich trainiert habe. Ich kann tun was ich will. Beim ersten Training musste ich mit Björn raus. Er hat die blauen Flecke gesehen als Geir Ole mir den Frequenzmesser umgeschnallt hat. Ich wusste selbst noch nichts davon. Als ich laufen musste und nach wenigen Minuten kurz vorm Kollaps stand hat Mika mich zur Seite genommen. Da hab ich ihm erzählt was los ist und der Teamarzt hatte mir für gestern einen Termin im Krankenhaus gemacht. Ich sollte nicht allein hinfahren und Björn wusste nun mal bescheid. Ich wollte nicht, dass ihr euch unnötig Sorgen macht, deshalb wussten nur Björn und Mika was Sache ist. Naja und gestern wurde ich untersucht.“ – „Und was war heute?“ Meine Mutter sprach so leise, dass ich sie kaum verstand. „Noch eine Untersuchung um den Verdacht zu bestätigen.“ Dann sagte keiner etwas, alle sahen mich nur an. Ich konnte diese Blicke nicht ertragen und starrte auf die Tischdecke. „Ich hab Leukämie.“ Immernoch sagte keiner etwas und ich traute mich nicht aufzusehen. „Blutkrebs. Die Untersuchung heute hat’s bestätigt.“ Weiter Schweigen. „Ich brauche eine Knochenmark- bzw. Stammzellentransplantation. Ich soll den Arzt morgen anrufen um einen Termin zu machen an dem ihr als Spender getestet werdet.“
Anders’ Stuhl krachte gegen die Wand und er rannte auf den Flur zur Haustür. „Anders nein!“ Ich sprang auf, schrie und wollte ihm hinterher, doch mein Vater rief mich zurück. „Lass ihn.“ Er kam zu mir und nahm mich in den Arm, meine Mutter saß am Tisch und weinte. „Paps kümmer dich um Mama. Ich komm klar, ich hatte schon Zeit mich an den Gedanken zu gewöhnen.“ Er lächelte mich an, doch die Tränen in seinen Augen verrieten ihn. Ich hatte meinen Vater noch nie weinen sehen und wollte das auch jetzt nicht. Also drehte ich mich um. „Sagt bescheid wenn wir reden können, dann komm ich runter.“
Es dauerte eine ganze Weile bis meine Eltern in der Tür standen. Wir redeten lange und ich war froh, dass sie nicht weinten und auch verstanden warum ich nicht gleich etwas gesagt hatte. „Was ist jetzt mit Anders? Suchen wir ihn?“ Mein Vater schüttelte den Kopf. „Ich glaube er musste einfach raus und läuft sich kaputt. Der kommt wieder, vielleicht super-spät aber er kommt. Lasst uns morgen über den Termin reden. Können wir dich allein lassen?“ Erleichtert nickte ich und die beiden ließen mich allein. Trotz der Aussage meines Vaters: Ich machte mir Sorgen um Anders. Als es draußen schon stockdunkel war hielt ich es nicht mehr aus und griff nach meinem Handy. Doch weder Anders noch Björn waren zu erreichen. Ein Blick in Anders’ Zimmer genügte um zu wissen, dass er sein Handy nicht dabei hatte. Aber von Björn hatte ich eigentlich erwartet, dass er auf meinen Anruf wartete. Leise schlich ich mich in den Garten und hielt nach Björn Ausschau. In seinem Zimmer brannte Licht, aber leider stand er nicht auf dem Balkon. Kurzentschlossen schnappte ich meine Jacke und schaute nochmal ins Wohnzimmer. „Ich bin dann nochmal kurz weg.“ – „Such nicht nach Anders, du wirst ihn nicht finden.“ Mein Vater sah mir müde entgegen und ich hatte plötzlich das Gefühl, er wäre innerhalb weniger Stunden um Jahre gealtert. „Ich wollte nur kurz zu Björn rübergehen, mehr nicht. Mein Handy hab ich dabei.“ Er nickte und ich zog ab. Da es schon reichlich spät war entschloss ich mich wieder zur Kieselstein-Wurfaktion. Es dauerte diesmal nicht so lange bis Björn am Balkongeländer erschien. „Sirka verdammt, wieso hast du dich nicht gemeldet?“ Er fuhr sich durch die Haare und auch er sah erschreckend müde aus. „Ist Anders hier?“ – „Anders? Wieso Anders?“ – „Weil er abgehauen ist.“ – „Abgehauen? Wieso abgehauen?“ Ich schüttelte den Kopf, der war aber auch verpeilt. „Oh man Romören, lass mich rein!“ Björns Kopf verschwand und ich ging zur Haustür wo Björn wiedermal auf mich wartete. Ohne ein Wort zu sagen gingen wir in sein Zimmer. Er schloss die Tür hinter mir und sah mich an. Ich senkte nur den Blick und nickte.
Ich erschrak als Björn mit der Faust gegen die Tür hinter mir schlug. Im nächsten Augenblick war er auf den Balkon gestürmt und hatte die Tür hinter sich zugeschlagen, dass ich Angst hatte das Glas würde in alle Richtungen fliegen. Nur ein paar Sekunden später polterte jemand die Treppe hoch und die Tür ging auf. Björns Mutter sah mich irritiert an, dann Björn auf dem Balkon, dann wieder mich. „Pass bitte auf, dass er die Einrichtung heile lässt, ja?“ Ich nickte und sie zog wieder ab. Ich wartete ein paar Minuten ab, doch als Björn nicht wiederkam öffnete ich die Balkontür und schob mich vorsichtig raus. Er stand mit dem Rücken zu mir und reagierte nicht. Vorsichtig legte ich meine Hand auf seine Schulter. Ich erschrak als er unter der Berührung zusammenzuckte. Als ich mich neben ihn stellte bemerkte ich sein tränennasses Gesicht. Ich wollte ihn zu mir ziehen, doch er versteifte sich und blickte stur geradeaus. „Björn bitte.“ Er sah mich an und ließ sich, wenn auch zögerlich, etwas umdrehen. Ich wischte ihm die Tränen weg und zog in zu mir runter. Die letzten cm ließ er sich gegen mich fallen und fing an zu schluchzen. Diesmal war ich diejenige, die ihn tröstete, während er weinte.
Als er sich beruhigt hatte gingen wir rein. Björn legte sich auf sein Bett. Etwas unschlüssig, weil auf seinem Sessel so viele Klamotten lagen, sah ich mich um. „Komm her.“ Björn klopfte neben sich. Ich zog meine Schuhe aus und kletterte neben ihn aufs Bett. Wie automatisch legte er seinen Arm um mich und zog mich näher ran. Ich platzierte meinen Kopf auf seiner Brust und legte meine Hand auf seinen Bauch. Eine ganze Weile lagen wir einfach so da. Ich merkte wie anstrengend die letzten Tage waren und wir müde ich war. Ich war schon kurz davor einzuschlafen, als Björn fragte wieso Anders abgehauen war. Schlagartig war ich wieder hellwach. „Mein Gott, den hab ich ja voll vergessen. Wir müssen ihn suchen!“ Björn wollte wissen was passiert ist und ich erzählte es ihm. „Wenn du eben nicht vor der Tür gestanden hättest wär ich auch abgehauen. So blieb mir nur der Balkon.“ Kopfschüttelnd sah ich ihn an. „Was machen wir denn jetzt?“ Björn überlegte. „Hast du eine Ahnung wo er sein könnte?“ Ich schüttelte den Kopf. „Mein Vater meint er würde sich kaputt laufen. Aber das glaub ich nicht, dann wär er schon wieder da. Vielleicht an unserem Baum.“
Björn zog sich warme Klamotten über und wir gingen raus. Den ganzen Weg schwiegen wir. Natürlich war Anders nicht am Baum. „Lass uns zu euch nach Hause gehen, vielleicht ist er schon wieder da.“ Ich nickte und ging los. Björn folgte mir und nahm irgendwann unterwegs meine Hand.


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
 Betreff des Beitrags: Re: Watch over you
BeitragVerfasst: Do 21. Mai 2009, 19:30 
Offline
Bakken Putzer

Registriert: Di 16. Sep 2008, 22:14
Beiträge: 86
Teil 15

Natürlich war Anders auch nicht zu Hause. Wir klapperten alle Spielplätze und Bushaltestellen der Gegend ab, alles wo man einfach so rumsitzen konnte, doch wir fanden ihn nicht. Irgendwann gaben wir auf. „Komm Sirka, es hat keinen Zweck. Ich bring dich nach Hause, du musst dich ausruhen.“ Während Björn scheinbar die Ruhe selbst war, war ich kurz davor die Nerven zu verlieren. „Aber wir müssen ihn finden Björn. Bitte!“ Flehend sah ich ihn an. „Okay, wir gehen zu mir und trinken was warmes. Dann überlegen wir, wo wir weitersuchen.“
Bei Björn machten wir uns einen Tee und gingen in sein Zimmer um zu überlegen. „Er hat doch nichts dabei, kein Geld, kein Handy. So weit kann er nicht gekommen sein. Ob wir die anderen anrufen? Oder die Polizei?“ Björn schüttelte den Kopf. „Die Polizei vielleicht nicht gleich, aber ich versuch mal wen von den anderen wachzuklingeln.“ Er griff zu seinem Handy und stutzte. Ich sah ihm über die Schulter: 12 Anrufe in Abwesenheit! „Na wenn das nichts ist!“ Björn rief die Nummer an und schüttelte fassungslos den Kopf als sich jemand meldete.
Nur wenige Minuten später waren wir in Björns Auto unterwegs in die Innenstadt von Oslo. Anders saß in einer Stammkneipe der beiden, hatte sich dort vollaufen lassen und nun weder Geld seine Rechnung zu zahlen, noch um mit einem Taxi nach Hause zu kommen. Als wir ankamen standen schon alle Stühle oben und der Wirt kam uns entgegen. „Gott sei dank seid ihr da! Da hinten sitzt er, vollkommen fertig der Arme! Wenn ihr nicht zurückgerufen hättet, hätte ich ihn in ein Taxi gesetzt. Das wär ne saftige Rechnung geworden beim nächsten Mal!“ Er zwinkerte Björn zu und ich bedankte mich und ging zu Anders. Er hatte seinen Kopf auf die Arme gelegt und schlief. Ich wuschelte ihm durch die Haare. „Oh Anders. Du hast mir so einen Schrecken eingejagt!“ Ich drückte ihm einen Kuss auf die Haare, weckte ihn und der Wirt brachte ihn zusammen mit Björn ins Auto. Während ich ihn versuchte anzuschnallen hörte ich wie Björn den Wirt nach der Rechnung fragte. Im nächsten Moment reichte er dem Wirt zwei 50 €-Scheine. Dieser sagte zwar, das könnte Anders auch beim nächsten Mal zahlen, Björn meinte jedoch das wär okay. Wir verabschiedeten uns und fuhren langsam los. „Wenn wir Anders hochgebracht haben geb ich dir das Geld wieder!“ Björn lächelte und drückte meine Hand. „Lass mal. Das hol ich mir von ihm persönlich wieder. Da freu ich mich jetzt schon drauf!“ Ich grinste ihn an und den Rest der Fahrt verbrachten wir schweigend.
Wir versuchten Anders so leise wie möglich in sein Zimmer zu bringen und es schien uns zu gelingen. Oder meine Eltern hatten einfach einen gesunden Schlaf. Wir zogen ihm die Schuhe und die Jeans aus und deckten ihn ordentlich zu. Vor Anders Tür grinsten wir uns an. „Danke Björn! Ohne dich hätte ich ihn weder gefunden, noch in sein Bett geschafft!“ Gemeinsam gingen wir runter zur Haustür. „Glaubst du du kannst jetzt gut schlafen?“ Ich nickte. „Auf jeden Fall. Ich bin bei dir schon fast eingepennt. Ich war erst hellwach als du nach Anders gefragt hast. Ich muss einfach versuchen mir nicht so viele Gedanken zu machen. Nett das du fragst!“ – „Hmmm.“ Ich legte den Kopf schief und grinste ihn an. „Okay, warum hast du gefragt?“ Er grinste und fuhr sich verlegen durch die Haare. „Ich hab gemerkt, dass du kurz davor warst einzuschlafen. Eigentlich wollte ich dich lassen, aber es schien mir als ob Anders in Schwierigkeiten war.“ – „Und?“ Bildete ich mir das ein oder wurde er leicht rot? „Ich dachte, dass du vielleicht gern ein bisschen Gesellschaft hättest zum einschlafen.“ Ich trat grinsend einen Schritt zur Seite. „Willst du mit hochkommen?“ Er schüttelte den Kopf etwas zu schnell. „Ich dachte nur du willst vielleicht...mitkommen? Du kannst in Ruhe schlafen und ich pass auf, dass du keine schlechten Träume hast.“ – „Oh Björn, du siehst selbst aus wie ein Schlafwandler. Sieh zu dass du nach Hause kommst und schlaf dich aus.“ – „Ich kann auch aufpassen wenn ich schlafe!“ Und wieder überkam mich dieses Gefühl, dass Björn sich manchmal seltsam benahm. „Komm mit zu mir. Du musst auch mal in Ruhe schlafen und solange du mich im Schlaf nicht trittst, kratzt oder beißt kann ich auch entspannt schlafen.“ Anscheinend meinte er es wirklich ernst. „Björn, ich glaube das ist keine so gute Idee.“ Er nickte. „Okay, war ja nur ein Vorschlag. Dann schlaf gut und melde dich morgen mal.“ Ich nickte und nahm ihn in den Arm. Lange hielten wir uns fest und als wir uns voneinander lösten war Björns Gesicht dicht vor meinem. Ich war fasziniert, weil ich die Straßenlaterne in seinem Auge sehen konnte. Plötzlich schloss er die Augen und zog mich an sich. Ich hatte es befürchtet und legte meine Hände auf seine Brust um ihn vorsichtig wegzudrücken. Der Sturz vom Baum war mir in schmerzlicher Erinnerung geblieben und ich hatte mir vorgenommen niemanden mehr hektisch von mir zu stoßen. Ich unterschätzte allerdings Björns Kraft, denn obwohl ich mich gegen ihn stemmte dauerte es nur wenige Sekunden bis sich unsere Lippen aufeinander legten. Björn hielt mich so fest im Arm das ich keine Chance hatte ihm zu entkommen. Ich gab es auch ziemlich schnell auf und Björn küsste mich immer wieder ganz sanft. Wie automatisch fuhren meine Hände über seine Schlüsselbeine in seinen Nacken um sich dort zu verschränken und als er dann die Umarmung noch verstärkte zog ich mich wie von Geisterhand getrieben an ihn und genoss einfach nur den Augenblick. Als wir uns voneinander lösten war ein Schleier über seine Augen getreten. Ohne ein weiteres Wort fuhr er mir mit dem Daumen auf der Unterlippe entlang, gab mir noch einen Kuss und ging zu seinem Auto.


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
 Betreff des Beitrags: Re: Watch over you
BeitragVerfasst: Do 21. Mai 2009, 19:31 
Offline
Bakken Putzer

Registriert: Di 16. Sep 2008, 22:14
Beiträge: 86
Teil 16

Am nächsten Tag ließen wir Anders ausschlafen. Ich saß gerade in meinem Zimmer als es klopfte und Anders reingeschlurft kam. „Guten morgen du Schnapsdrossel. Wie geht’s dir?“ Er setzte sich neben mich, nahm mich in den Arm und weinte. Und wieder war ich diejenige die tröstete. Es dauerte lange bis er sich einigermaßen beruhigt hatte. „Und was jetzt?“ Ich strich ihm die Haare aus der Stirn. „Sie suchen einen geeigneten Spender für mich. Bei dir wäre es wohl ganz gut möglich, dass es passt. Geschwister sind oft die geeignetesten Spender. Würdest du dich testen lassen?“ Schniefend nickte er. „Was wenn ich nicht geeignet bin? Was wenn die keinen finden?“ Ich schluckte, denn Anders sprach genau das aus, wovor ich mich so fürchtete. Wie automatisch wiederholte ich die Worte des Arztes. „Darüber machen wir uns erst Gedanken wenn es soweit ist. Der Arzt sagt, die Medizin ist heute schon so weit, ich soll mir nicht so viele Sorgen machen.“ Wieder nickte Anders, doch ich sah ihm an, dass er sich das schlimmste ausmalte. „Wann müssen wir in Krankenhaus zum testen?“ – „Ich rufe den Doc gleich an.“
Wir konnten schon an späten Nachmittag ins Krankenhaus fahren. Anders und meine Eltern ließen sich testen und dann hieß es warten. Das Ergebnis würden wir erst am nächsten Tag bekommen.
Abends rief Björn mich an. Zuerst zögerte ich den Anruf anzunehmen, die Verabschiedung vom Vorabend war mir bestens in Erinnerung geblieben. Aber ich wusste, dass es unfair wär ihm aus dem Weg zu gehen. „Hallo mein kleiner Krabbelkäfer! Wie sieht’s aus, ist Anders aus dem Koma erwacht?“ Froh darüber, dass Björn unsere Abschiedsszene mit keinem Wort erwähnte, erzählte ich ihm von meinem Tag. „Sirka, können wir uns sehen?“ Von Björns plötzlichem Themenwechsel war ich leicht irritiert, weshalb ich nicht gleich antwortete. „Wir haben die letzten Tage fast nonstop zusammen verbracht, da ist es jetzt wie Entzug dich einen Tag nicht zu sehen. Lass uns irgendwas machen. Essen, Kino, meinetwegen können wir auch spazieren gehen oder einfach rumhängen und quatschen.“ Sein gleichgültiger Tonfall und die Tatsache, dass ich Ablenkung gerade gut gebrauchen konnte machte es mir überraschend leicht zuzusagen. „Ich komm gleich bei dir vorbei.“
Wir legten auf, ich zog mir etwas wärmeres an, dann verabschiedete ich mich und ging rüber zu Björn. Er wartete schon an der Haustür auf mich und bat mich herein. „Worauf hast du Lust?“ Ich sah ihn an und zuckte mit den Schultern. „Einen Film zu gucken wäre Verschwendung, auf sowas kann ich mich gerade nicht konzentrieren. Lass uns einfach ein bisschen durch die Gegend ziehen und quatschen.“ Björn nickte, zog seine Jacke über, schnappte seinen Schlüssel und schob mich wieder raus. Wie automatisch gingen wir wieder an den Waldsee und während Björn zielsicher auf den Baum zuging zögerte ich. „Hey Sirka, komm schon! Ich pass auch auf, dass du nicht wieder runterfällst.“ Ich streckte ihm die Zunge raus und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das ist es nicht.“ Björn kam zurück und legte die Hände auf meine Schultern. „Was ist es dann?“ Ich kam mir etwas blöd vor und sah verlegen auf den Boden. „Naja... Das ist Anders’ und mein Baum. Sowas wie ein Geheimplatz. Es ist komisch mit dir da zu sitzen.“ Ich spürte wie ich rot anlief und war heilfroh, dass es dämmerte. Björn schien es jedoch nicht zu bemerken, schnappte meine Hand und zog mich weiter. „Dann müssen wir uns halt unseren eigenen Geheimplatz suchen, komm mit!“ Er zog mich im Eiltempo um den halben See und es ließ sich nicht vermeiden, dass ich volle Breitseite in ihn hineinlief als er urplötzlich stehenblieb. „Boah Romören, hast du schon mal was von Auffahrunfällen gehört?“ Er drehte sich um und grinste mich an. „Also mich stört es nicht wenn du mich über den Haufen rennst!“ Ich verdrehte nur die Augen und versuchte an ihm vorbeizusehen, was aufgrund der aufkommenden Dunkelheit und des ganzen Gestrüpps nicht so einfach war. „Sagst du mir warum du so plötzlich stehengeblieben bist?“ – „Wir verbringen viel zu viel Zeit mit reden. Komm mit!“

Und schon schleifte er mich weiter und blieb vor einem Baum stehen, der schräg wuchs und über den See ragte. „Da willst du aber nich drauf, oder?“ Björn ließ meine Hand los und ging auf den Baum zu. „Doch klar! Das ist jetzt unser beider Geheimplatz! Und wehe ich erwische dich hier mit nem anderen.“ Ich grinste und sah zu wie Björn auf den Baum kletterte und es sich auf einem dicken Ast etwa einen Meter über dem Wasser bequem machte. „Das kannst du vergessen, da geh ich nicht drauf! Wenn wir ihm zu schwer sind fällt das ganze Teil mit uns ins Wasser. Ich bin doch nicht lebensmüde!“ Trotzig sah ich Björn an, der sofort wieder vom Baum kletterte. Als er vor mir stand schnappte er mich schneller als ich reagieren konnte. Er warf mich über seine Schulter und versuchte trotz meiner zappelnden Gliedmaßen vorsichtig auf den Baum zu klettern. „Sirka, wenn du nicht sofort aufhörst so rumzuzappeln wie ein Fisch an der Angel dann lass ich dich ins Wasser fallen und zwar mit voller Absicht!“ Sofort hielt ich meine Beine still und ließ mich von Björn vorsichtig absetzen. Meine Beine baumelten auf der rechten und linken Seite des Baumstammes runter und Björn setzte sich mir dicht gegenüber und blockierte so meinen Fluchtweg. Es dauerte einen Moment bis ich mich traute mich zu bewegen, der Baum schien nicht morsch zu sein und hielt uns aus. Björn grinste mich an und ich funkelte böse zurück. „Du bist so fies! Und gewöhn dir bitte ab dauernd so doofe Vergleiche anzustellen! Es reicht mir schon, dass ich mich von dir Krabbelkäfer nennen lassen muss. Aber ich bin kein zappelnder Fisch!“ Björn beugte sich vor, bis sein Gesicht ganz dicht vor meinem war. „Hab ich dich nicht an der Angel?“ Ich schluckte und lehnte mich weiter nach hinten. „Hör auf damit!“ – „Womit?“ Verwundert sah Björn mich an. „Na damit so zu sein.“ Er lachte leise und setzte sich wieder aufrecht hin. „Wie bin ich denn?“ Ich fühlte mich überhaupt nicht wohl und konnte es auch nicht vermeiden knallrot anzulaufen, was er aber nicht sehen konnte. „Na...so halt. Ich hab im Moment andere Sachen im Kopf als mich von dir verarschen zu lassen!“ Ich wollte nicht so aggressiv werden, aber ich wusste mich nicht anders auszudrücken.
Doch Björn war zum Glück nicht beleidigt. Er rutschte noch näher an mich heran, griff mit beiden Händen hinter mich und stützte sich dort auf dem Baumstamm ab. Ich konnte mich allerdings nicht so weit nach hinten lehnen, da ich sonst das Gleichgewicht verloren hätte und ein nächtliches Bad im sicherlich noch sehr kalten See konnte ich nicht gebrauchen. So ließ es sich nicht vermeiden, dass unsere Oberkörper sich aneinander drückten und unsere Gesichter nur wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. „Nichts liegt mir ferner als dich zu verarschen. Sirka, ich meine alles ernst was ich dir sage. Ich glaub ich hab noch nie etwas ernster gemeint.“ Ich war so überrascht von seinen Worten und so sehr darauf fixiert nicht vom Baum zu fallen, dass ich ihm weder antwortete, noch sonst irgendwie reagierte. Ich blickte auf, sah in seine Augen und war spätestens ab da unfähig ihm in irgendeiner Weise zu wiedersprechen. Und ich war ebenso unfähig auch nur den Versuch zu wagen, ihn daran zu hindern mich zu küssen. Vorsichtig berührten sich unsere Lippen immer und immer wieder. Björn legte seinen Arm um meinen Rücken und zog mich mit sich, als er sich wieder aufrichtete. Als er den Reißverschluss meiner Jacke öffnete und seine Arme darunter schob um mich noch etwas näher an sich zu ziehen schlang ich meine Arme um seinen Hals. Als ich begann seinen Nacken zu kraulen fuhr er mit seiner Zunge über meine Lippen, die sich sofort öffneten. Als sich unsere Zungen berührten stieß ich ihn von mir weg und schlug ihm lachend auf die Schulter. „Seit wann hast du ein Zungenpiercing?“ Björn lachte und gab mir einen Kuss. „Wusstest du das nicht?“ Ich schüttelte den Kopf. „Na dann weißt du es jetzt!“ Ich grinste und auch auf Björns Gesicht erschien ein fettes Grinsen als er sah welchen Pulli ich trug. „Excuse me while I kiss your lips!“ Und schon versanken wir wieder in einem Kuss. Erst als er seine Hände unter meinen Pulli schob machte ich mich von ihm los. „Lass das!“ Als ich sah wie er zurückschreckte wurde mir bewusst, wie biestig ich reagiert hatte. Ich strich ihm versöhnlich über die Wange und küsste ihn kurz. „Ich glaube wir sollten uns so langsam auf den Heimweg machen, es ist sicherlich schon ziemlich spät und morgen meldet sich das Krankenhaus wegen den Ergebnissen.“ Ich sah wie Björn die Lippen zusammenkniff als er nickte und vom Baum kletterte. Ich folgte ihm und er half mir runter. Dann schlugen wir uns durch das Dickicht zurück zum Weg, wo ich Björns Hand ergriff.


Zuletzt geändert von In_cog_ni_to am Do 21. Mai 2009, 19:34, insgesamt 1-mal geändert.

Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
 Betreff des Beitrags: Re: Watch over you
BeitragVerfasst: Do 21. Mai 2009, 19:31 
Offline
Bakken Putzer

Registriert: Di 16. Sep 2008, 22:14
Beiträge: 86
Teil 17

Björn bestand darauf mich nach Hause zu bringen. An der Haustür verabschiedeten wir uns. „Was war das eben am See?“ Ich hatte schon den ganzen Weg über gefürchtet, dass er nachfragen würde und hatte mir eine plausible Antwort parat gelegt. „Du hattest tierisch kalte Hände! Tut mir leid dass ich so biestig reagiert habe.“ Björn nickte und endlich konnte ich wieder ein kleines Lächeln auf seinem Gesicht erkennen. „Rufst du mich morgen an wenn die sich gemeldet haben?“ Ich nickte und küsste ihn zum Abschied. Schnell lief ich hoch in mein Zimmer und war froh, dass irgendjemand die Heizung angeschaltet hatte.
Ich hatte meinen Schlafanzug an und krabbelte gerade unter die Bettdecke als es klopfte und mein Bruder hereinkam. „Anders! Wieso bist du noch auf?“ Er grinste und setzte sich auf meine Bettkante. „Ich dachte mir wenn du so lange mit Björn durch die Gegend streifst kann es nicht schaden, wenn dein Zimmer schön warm ist. Und jetzt will ich alles wissen! Seid ihr zusammen?“ Ich verdrehte die Augen und zog mir die Decke über den Kopf. Manchmal konnte Anders schlimmer als jedes Tratschweib sein. „Können wir morgen darüber reden? Ich bin gerade echt saumüde und will eigentlich nur schlafen.“ Anders nickte seufzend und stand auf. „Dann lass ich dich halt schlafen, aber morgen früh bist du fällig! Gute Nacht.“

Am nächsten Tag wanderten Anders und ich dick eingepackt zu unserem Baum. Er wollte alles wissen und ich wollte in Ruhe mit ihm reden und dazu war der Baum perfekt. Als wir raufgeklettert waren sah Anders mich erwartungsfroh an. „Und? Seid ihr jetzt zusammen?“ Ich setzte mich bequemer hin und sammelte mich. „Deinem begeisterten Gesichtsausdruck entnehme ich, dass du nichts dagegen hättest?!?“ Anders grinste und schüttelte mit dem Kopf. „Ich fänds geil. Also?“ Ich konnte nur mit den Schultern zucken. “Ich weiß es nicht Anders. Ich kann Björn so schwer einschätzen. Ich glaube durch die letzten Jahre bin ich in der Hinsicht vorbelastet und äußerst vorsichtig.“ Ich erzählte ihm vom Abend zuvor. Als ich erwähnte, dass Björn und ich jetzt auch unseren Geheimbaum hatten, weil ich mit ihm nicht auf diesem sitzen wollte hätte Anders vor Lachen beinahe wieder einen Abflug gemacht. Als ich mit meinen Schilderungen fertig war sah Anders mich mit hochgezogenen Brauen an. „Wieso hast du so bissig reagiert? Doch nicht wirklich weil er kalte Hände hatte?“ Ich biss mir auf die Lippe und schüttelte den Kopf. „Wieso dann?“ Ich holte tief Luft, kletterte vom Baum, zog meine Jacke aus und warf sie auf den Boden. Dann hob ich meinen Pulli hoch. „Guck dir das doch an. Ich hab überall diese blauen Flecken. Und guck mal wie dünn ich bin! An mir ist weniger als nichts dran.“ Zur Bestätigung kniff mich mir in den Bauch, wobei ich gleich das Gesicht verzog. Ich vergaß gerne mal, wie schmerzhaft das mittlerweile war. Anders Blick war nicht ganz zu definieren, also zog ich mich wieder an und begab mich auf meinen alten Platz auf dem Baum.“ Glaubst du nicht, Björn sind die Flecken egal? Er hat sie doch eh zuerst gesehen und er weiß bescheid. Wieso sollte es ihn schocken?“ – „Es sind ja nicht nur die Flecken. Ich war ja schon immer sehr schlank, das ist nix neues. Aber mittlerweile ist das nicht mehr schön, glaub mir. Ich kann einfach nicht mehr essen. Es geht im Moment halt nicht.“ Ich war leicht verzweifelt, dass Anders mein Problem nicht zu verstehen schien. „Ja aber Björn weiß dass du krank bist. Es ist ja nicht so, dass er nicht weiß worauf er sich einlässt. Ich glaube da solltest du ihm ein bisschen mehr vertrauen.“ Anders machte eine Pause und überlegte. „Außerdem ist es doch so: Björn kann sein wie er will, aber wenn er schon sagt, dass er es ernster mit dir meint, als wahrscheinlich mit allem anderem in seinem Leben, dann stimmt das auch. Björn war schon immer ein Typ dem die Weiber hinterhergerannt sind und ich behaupte auch nicht, dass er das teilweise nicht ausgenutzt hat, aber er war immer fair. Er hat keiner Hoffnungen gemacht, die er nicht erfüllen konnte oder wollte. Wenn es ihm nicht ernst ist und es nur eine Bettgeschichte sein soll, dann sagt er nichts von wegen ’Ich meine es aber ernst mit dir!’. Was die Mädels teilweise in solche Sachen hineininterpretieren ist letztendlich doch deren Problem. Weißt du er ist wirklich einfach gestrickt: Wenn er dir sagt, dass er mit dir zusammen sein will und es ernst meint, dann ist das so! Und wenn er dir sagt, dass er dich liebt, dann tut er das auch und zwar aus ganzem Herzen.“ Ich dachte ein paar Minuten über Anders’ Worte nach. „Hat er schon mal einem Mädchen gesagt, dass er sie liebt?“ Irgendwie war es mir wichtig das zu wissen, Anders schüttelte jedoch den Kopf. „Es ist so: Wenn er mit dir zusammen ist kannst du dich entspannt zurücklehnen! Bei ihm kannst du dir sicher sein, dass er nicht fremdgeht oder so. Wenn er merkt, dass das Verlangen fremdzugehen da ist macht er Schluss! Er meint, dann hat die Beziehung eh keine Zukunft und irgendwie hat er da auch recht. Er hat mir mal gesagt, dass er einer Frau nur sagen würde, dass er sie liebt, wenn er sich wirklich vorstellen kann sein Leben mit ihr zu verbringen. Tja und so eine ist ihm bis jetzt nicht begegnet. Meine Güte, ich rede und rede... Lange Rede, kurzer Sinn: Bei Björn kann dir nichts passieren. Er würde dich nicht verarschen um dich ins Bett zu kriegen oder um sich lustig über dich zu machen!“ Ich nickte und wollte gerade etwas erwidern als Anders’ Handy klingelte. Unsere Mutter war dran und bat uns nach Hause zu kommen, das Krankenhaus hatte angerufen. So schnell wie möglich machten wir uns auf den Weg und kamen völlig außer Atem Zuhause an.


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
 Betreff des Beitrags: Re: Watch over you
BeitragVerfasst: Do 21. Mai 2009, 19:31 
Offline
Bakken Putzer

Registriert: Di 16. Sep 2008, 22:14
Beiträge: 86
Teil 18

Es dauerte nur ein paar Minuten bis ich mir schon wieder meine Jacke schnappte und zu Björn lief. Ich klingelte Sturm und wartete ungeduldig das jemand öffnete. Ich hörte jemanden die Treppe runterpoltern. Björn sah mich besorgt an. „Was ist passiert?“ Die Angst stand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben und ich schluckte, weil ich es selbst noch nicht ganz fassen konnte. „Anders kommt als Spender in Frage!“ Nie vorher hatte ich Björn so strahlen sehen und endlich konnte auch ich lachen. „Normalerweise würde ich dich jetzt hochheben und durch die Gegend wirbeln, aber ich will dir nicht wehtun!“ – „Dann nimm mich doch einfach mal ganz vorsichtig in den Arm.“ Das ließ er sich natürlich nicht zweimal sagen. Er schlang seine Arme um meine Mitte und hob mich vorsichtig hoch. Wie ein Klammeraffe umschlang ich ihn mit Armen und Beinen und endlich küssten wir uns. Er ließ mich erst wieder runter als sich jemand räusperte. Vorsichtig setzte er mich ab und verlegen sahen wir seine Eltern an, die uns bis über beide Ohren grinsend gegenüberstanden.
„Kann es sein, dass wir da irgendwas verpasst haben?“ Björn drückte meine Hand und lächelte mich an. „Ähhhh ja. Irgendwie schon. Björn kann euch das in Ruhe erzählen, ich muss wieder rüber!“ Ich verabschiedete mich und ging. Am Gartentor holte Björn mich ein. „Du kannst mich doch jetzt nicht allein lassen. Die werden mir Löcher in den Bauch fragen.“ Er setzte seinen Dackelblick auf und fuhr sich mit beiden Händen über den Bauch, den er mir entgegenstreckte. „Vergiss nicht, dass es da noch mehr gibt, das deine Eltern nicht wissen. Du solltest es ihnen sagen. Ich weiß, das wär eigentlich meine Aufgabe aber... Ich will nicht schon wieder, weißt du?“ Er nickte und zog mich an sich. „Ich bringe es ihnen schonend bei und lasse sie nicht auf dich los, bevor sie sich nicht beruhigt haben. Ich schwöre!“ Björn hob seine Finger zum Schwur und grinste mich an. „Okay, ich hau dann aber wirklich ab. Wir wollten noch ins Krankenhaus.“ Wir verabschiedeten uns kurz voneinander, wohlwissend, dass seine Eltern uns beobachteten.
Zuhause waren immer noch alle in heller Aufregung. Um mir das Theater nicht die ganze Zeit antun zu müssen schlug ich vor gleich ins Krankenhaus zu fahren. Wir wollten mit dem Arzt absprechen wie es von nun an laufen würde und wann der Eingriff vorgenommen werden soll.

Nach dem Gespräch war ich tierisch nervös und auch Anders wirkte hibbeliger als sonst. Der Arzt meinte, wir sollten keine unnötige Zeit verschwenden und wir hatten einen Termin für Montag gemacht. Bis dahin waren es nur noch wenige Tage.

Am Sonntag Abend kamen die Romörens vorbei, unsere Eltern hatten sie zum grillen eingeladen. Meine Eltern brachten sie auf den neusten Stand der Dinge und sie wünschten mir für den Eingriff alles Gute. „Danke, das ist nett von euch, aber können wir bitte über irgendwas anderes reden?“ Alle nickten mit betretenen Gesichtern und während des Essens wurden zum Glück andere Themen auf den Tisch gebracht.
Nach dem Essen wurde der Tisch abgeräumt und wir saßen gemütlich beisammen und erzählten. Zumindest erzählten die Anderen, Björn hielt meine Hand und spielte mit meinen Fingern, am Gespräch beteiligten wir uns nicht. Als sich unsere Blicke zufällig trafen lächelte er mich an und drückte meine Hand. „Wir ziehen noch ein bisschen um die Häuser, viel Spaß noch.“ Dann stand er auf und zog mich mit hoch. Wir gingen zur Terrassentür und Björn sah zu Anders. „Kommst du auch mit?“ Anders jedoch verschränkte grinsend seine Arme und schüttelte den Kopf. „Ich will das junge Glück nicht stören, aber bring mir meine Schwester heile wieder nach Hause, morgen kriegt sie was von meinem Knochenmark!“ Ich war froh, dass Anders mittlerweile relativ locker mit der Situation umging. Lächelnd ging ich auf ihn zu, griff nach seiner Hand und zog ihn hinter mir her in eine dunkle Ecke des Gartens. „Hey, meinst du dein Freund findet das toll, wenn du mit mir in eine dunkle Ecke verschwindest? Nicht dass der sauer auf mich wird.“ Ohne darauf einzugehen schloss ich Anders in meine Arme und sah ihm tief in die Augen. „Anders, wenn das morgen gut geht schenkst du mir ein neues Leben, ist dir das eigentlich klar?“ Sofort wurde er ernst und nickte. Ich hatte Mühe die Tränen, die mir vor lauter Rührung in die Augen schossen, zurückzuhalten. „Du bist das wichtigste, was es in meinem Leben gibt Bruderherz. Ich liebe dich mehr als alles andere auf der Welt, ich will dass du das weißt.“ Ich hörte ihn schniefen während er mich ruckartig an sich zog und als er sprach brach seine Stimme und ich fühlte mich kurz in die Zeit zurückversetzt, als Anders im Stimmbuch war. „Ich weiß Sirka. Ich liebe dich auch, weitaus mehr als alles andere. Ich würde mein Leben geben wenn du nur wieder gesund wirst.“ Die letzten Worte verstand ich beinahe nicht weil er anfing zu weinen. Fest nahm ich sein Gesicht in meine Hände und wischte ihm mit den Daumen die Tränen weg. „Sag sowas nicht. Alles wird gut, das weiß ich.“ Er nickte und drückte mich wieder fest an sich. „Geht’s wieder?“ Anders nickte schniefend und Hand in Hand gingen wir zu den anderen zurück. Am Tisch umarmten wir uns nochmal. „Wenn ich wieder gesund bin fliegen wir nach Hawaii, das verspreche ich dir,“ flüsterte ich ihm zu. Er grinste und flüsterte zurück. „Ich nehme dich beim Wort.“ Dann setzte er sich wieder und ich ging zu Björn, der noch immer in der Terrassentür stand. Wir verabschiedeten uns nochmal und Anders zwinkerte mir zu. Ich streckte ihm die Zunge raus, nahm Björns Hand und verließ mit ihm das Haus.


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
 Betreff des Beitrags: Re: Watch over you
BeitragVerfasst: Do 21. Mai 2009, 19:32 
Offline
Bakken Putzer

Registriert: Di 16. Sep 2008, 22:14
Beiträge: 86
Teil 19

Wir saßen uns im Schneidersitz auf Björns Bett gegenüber und hielten uns an den Händen. Beide hingen wir unseren Gedanken nach und Björn spielte, wie immer eigentlich, mit meinen Fingern. „Warum grinst du so?“ Ertappt sah ich ihn an. „Habe ich gegrinst?“ Björn nickte eifrig. „An was hast du gedacht?“ Ich entzog ihm meine Hände und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das geht dich überhaupt nix an!“ – „Und warum nicht?“ Ich liebte diese kleinen Wortgefechte, die wir uns des öfteren lieferten. „Weil du blond bist.“ Björn sah mich empört an. „Was hat das mit meiner Haarfarbe zu tun?“ Ich setzte einen ernsten Blick auf und rückte ein bisschen näher an ihn heran. Gespannt beugte er sich etwas vor. „Eine ganze Menge!“ Björn nickte wissend und fuhr sich mit den Fingern über sein Kinn. „Ich verstehe.“ Dann stand er auf und verließ das Zimmer. Ich lehnte mich entspannt zurück und wartete. Es dauerte nicht lange bis Björn mit nassen Haaren wiederkam. „Björn, wieso sind deine Haare nass?“ Er setzte sich mir wieder gegenüber und legte die Hände in den Schoß. „Weil ich sie nass gemacht habe!“ – „Ach wirklich?“ Björn nickte mit ernster Miene. „Jetzt musst du mir sagen an was du eben gedacht hast, als du gegrinst hast wie ein Honigkuchenpferd.“ – „Ach und wieso muss ich dir das jetzt sagen?“ Björn sah mich an als wäre ich nicht mehr ganz bei Verstand. „Weil meine Haare jetzt nicht mehr blond sind.“ Ich war sehr kurz davor zu schreien und musste mir das Lachen ganz gehörig verkneifen. Doch bevor ich antworten konnte rutschte Björn wieder näher und griff nach meinen Händen. „Mich interessiert wirklich woran du gedacht hast.“ Björn sah mich an und dieser Blick ging mir durch Haut und Knochen. „Genau daran.“ Er kniff die Augenbrauen zusammen, weil er nicht verstand was ich meinte. Ich sah auf unsere Hände und dann wieder in sein Gesicht. „Du spielst dauernd mit meinen Fingern, das fiel mir auf. Daran habe ich eben gedacht.“ Björn nahm meine Hand hoch und küsste sie. „Du hast ja auch schöne Finger.“ Vorsichtig entzog ich ihm meine Hände und hielt sie mit gespreizten Fingern vor sein Gesicht. „Ich hab knochige Hände. Überhaupt ist im Moment alles knochig an mir.“ Björn nahm meine Hände wieder in seine und küsste sie erneut. „Die werden wieder fleischiger.“ Ich entzog sie ihm als er hineinbeißen wollte. „Ich will keine fleischigen Finger.“ Björn grinste und schnappte wieder nach meinen Händen. „Wieso nicht? Da macht das noch mehr Spaß reinzubeißen.“ Er tat so als wolle er mich beißen, drückte mir jedoch nur einen Kuss auf den Handrücken.

„Was hast du Anders zugeflüstert bevor wir gegangen sind?“ – „Du bist ganz schön neugierig.“ Björn nickte. „Mehr hast du dazu nicht zu sagen?“ Er schüttelte den Kopf. „Ich hab ihm gesagt, dass wir nach Hawaii fliegen wenn ich wieder gesund bin.“ Björn hielt inne und sah mich verwundert an. „Seit wir klein sind träumen wir davon mal nach Hawaii zu fliegen. Die Kohle wär wahrscheinlich nicht mal das Problem, eher der Geiz so viel Geld für einen Urlaub auszugeben. Aber seit ich weiß, dass ich krank bin und sterben könnte sehe ich das anders. Man sollte alles, wovon man träumt, auch machen und nicht aus Geiz oder so darauf verzichten. Es kann so schnell vorbei sein und wenn man die Sachen immer nur vor sich herschiebt verpasst man letztendlich alles. Also fliegen Anders und ich nach Hawaii. Ganz einfach.“ Björn hatte feuchte Augen bekommen und ich strich ihm vorsichtig über die Wange. „Rede nicht davon, dass du sterben könntest. Ich will das nicht hören.“ Ich rutschte näher an ihn heran und streckte meine Beine an seinen Seiten aus um ihn besser in den Arm nehmen zu können. „Mach dir keine Gedanken, so weit wird es nicht kommen!“ Ich merkte wie Björn an meiner Schulter nickte. „Und wieso hast du ihn in die Ecke im Garten gezogen?“ Ich schob mich etwas von ihm weg und grinste ihn an. Auch Björn wirkte nicht mehr so geknickt wie ein paar Augenblicke zuvor. „Ich hab ihn gefragt ob ihm klar ist, dass er mir ein neues Leben schenkt. Ich wusste, dass er weinen wird, deshalb hab ich ihn weggezogen. Ich musste ihn das einfach fragen und ich musste ihm sagen, dass ich ihn über alles liebe.“ Björn grinste und verschränkte die Arme. „Du ziehst deinen Bruder in eine dunkle Ecke und sagst ihm, dass du ihn über alles liebst? Muss ich mir Gedanken machen?“ Ich lachte und gab ihm einen Klaps gegen die Schulter. „Du bist genau wie Anders, ihr hängt definitiv zu viel miteinander ab. Er hat mich auch gefragt, was denn mein Freund davon halten würde.“ Gemeinsam verfielen wir in schallendes Gelächter, mir drang sich jedoch eine Frage auf, die ich Björn schon lange stellen wollte, mich aber nicht traute. „Bist du das eigentlich, Björn?“ Er war vor lachen ganz außer Atem und sah mich etwas irritiert an. „Was bin ich?“ Leise, mit auf das Bett gesenktem Blick sprach ich das aus, was mir seit Tagen Kopfschmerzen bereitete. „Mein Freund.“ Schlagartig wurde er ernst und faste mich an den Schultern. „Ja, das bin ich. Wär ich gern.“ Vorsichtig zwang er mich ihn anzusehen. „Also wenn du willst.“ Auch er war ganz leise geworden und noch bevor ich richtig nachdenken konnte rutschte es mir heraus. „Ich bin mir nicht sicher.“
Björn sprang auf und rannte hektisch in seinem Zimmer auf und ab. „Du bist dir nicht sicher? Du weißt nicht, ob ich dein Freund sein soll oder nicht? Was ist das hier für ne Freakshow? Brauchtest du einfach mal wen der nicht durchdreht, wenn du von deiner Krankheit sprichst? Bin ich wieder nichts für dich wenn du gesund bist?“ Wütend sprang ich vom Bett auf und ignorierte dabei das Schwindelgefühl, dass sich durch die plötzliche Bewegung einstellte. „Mooooment mal! Ja, ich hab dich ignoriert. Aber nur, weil du mir mit deinen verletzenden Sprüchen und Äußerungen wirklich wehgetan hast. Oder hätte ich mich deiner Meinung nach sogar noch darüber freuen sollen? Wir sind doch nur in dieser Situation, weil du bei der Leistungsüberprüfung da warst. Ich hab dich nicht gebeten für mich da zu sein, es ist einfach passiert. Und jetzt komm mir nicht mit so Vermutungen, dass ich dich nur ausnutze. Du weißt genau, dass das nicht so ist.“ Björn funkelte mich an. „Ach nein?“ Ich war fassungslos und enttäuscht, drehte mich um, lief aus dem Raum und knallte die Tür zu. Keine fünf Sekunden später stürmte ich wieder herein und baute mich mit ausgestrecktem Zeigefinger vor ihm auf. „Wieso geht das in deinen Schädel nicht rein, dass ich mir einfach unsicher bin was dich angeht? Anders hat gesagt, wenn du etwas sagst dann ist das so, basta. Das kann ja sein und ich glaube ihm das, aber aufgrund deines Verhaltens in den letzten Jahren kann ich diese Unsicherheit nicht einfach abstellen. So wie es ist ist es okay. Ich verbringe gerne Zeit mit dir und ich liebe unsere Gespräche und ich mag es, mich gut mit dir zu verstehen. Ja und ich mag es auch wenn wir uns küssen, ich fühle mich wohl mit dir. Aber zu sagen ’Ja, ich will, dass du mein Freund ist’ ist etwas ganz anderes. Dann ist es offiziell und fest und das macht mir Angst, weil ich dir in der Hinsicht nicht hundert pro vertrauen kann, auch wenn ich es will. Ich kann einfach nicht.“ Immer noch wütend schrie Björn mich an. „Willst du denn, dass ich dein Freund bin oder nicht?“ Immer noch total in Rage schrie ich zurück: „Ja verdammt!“ Urplötzlich war Björn ganz ruhig, verschränkte locker seine Arme vor der Brust und sagte: „Dann ist doch alles klar.“

Ich hatte derweil den schätzungsweise unintelligentesten Blick drauf, den es gibt. „Was?“ – „Dann ist doch alles klar! Du willst, dass ich dein Freund bin, ich will, dass ich dein Freund bin. Wir sind uns einig, also gibt es keinen Grund weiter zu streiten.“ Spiel, Satz, Sieg, Björn hatte mich voll an die Wand gespielt. „Jetzt hör auf so zu gucken, sei wieder lieb und vor allem: Gib mir endlich nen Kuss sonst platze ich.“ Ich war wie versteinert und sah Björn immernoch total verdattert an. Er kam auf mich zu, sah mich kurz an, drückte seine Lippen auf meine und verließ das Zimmer. „Willst du auch was trinken?“


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:  Sortiere nach  
Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 23 Beiträge ]  Gehe zu Seite 1, 2  Nächste

Alle Zeiten sind UTC + 1 Stunde


Wer ist online?

0 Mitglieder


Ähnliche Beiträge

Feedback - Watch over you
Forum: Norges FFs
Autor: In_cog_ni_to
Antworten: 12

Du darfst keine neuen Themen in diesem Forum erstellen.
Du darfst keine Antworten zu Themen in diesem Forum erstellen.
Du darfst deine Beiträge in diesem Forum nicht ändern.
Du darfst deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.

Suche nach:
Gehe zu:  
cron
Powered by phpBB® Forum Software © phpBB Group



Bei iphpbb3.com bekommen Sie ein kostenloses Forum mit vielen tollen Extras
Forum kostenlos einrichten - Hot Topics - Tags
Beliebteste Themen: NES, Foto, Erde, USA, Bild

Impressum | Datenschutz