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Tummelplatz für alle Freunde des finnischen Skispringens
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BeitragVerfasst: Do 31. Jul 2008, 19:19 
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„…und morgen bring’ ich dann schon mal die Hälfte meiner Schuhe vorbei, also mach bitte schon mal Platz im Schuhschrank, ja?“ „Sicher, bis morgen dann also.“ „Ja bis morgen. Ich liebe dich, Tommischatz.“ „Ich dich auch“, seufzte er und legte auf. Miia bereitete also schon alles vor. Sie würden in zwei Monaten, Ende Juli, heiraten und dann würde sie zu ihm ziehen. Er hatte ihr vorgeschlagen, doch schon vorher zusammenzuziehen, doch Miia war in solchen Dingen etwas altmodisch. „Das gehört sich doch nicht“, hatte sie klipp und klar gesagt. Tommi ging zum Kühlschrank. Es war zwar schon 11 Uhr, doch er hatte jetzt einfach Lust auf eine Tafel Schokolade. Dazu nahm er noch ein Bier und ging wieder ins Wohnzimmer, wo er sich in seinen Sessel fallen ließ. Er schaltete den Fernseher an und zappte durch die Kanäle. Wie würde es sein, wenn Miia bei ihm wohnte? Würde er dann den Abend noch so wie jetzt mit Bier und Schokolade gemütlich vor dem Fernseher verbringen können? Sie hatte ihn ja sowieso schon dazu überredet, weniger zu trinken. Und da sie ja Model war, achtete sie dauernd auf die Figur und hielt ständig irgendeine Diät. Er hoffte, dass er seine Essgewohnheiten nicht umstellen musste, schließlich liebte er Süßigkeiten. Manchmal fragte er sich insgeheim die selben Fragen, die er gestellt bekommen hatte, als er sich letzten Sommer mit Miia verlobt hatte: „Ihr kennt euch doch erst 1, 2 Monate. Ist das nicht ein bisschen früh?“, „Dich muss es ja heftig erwischt haben, was?“ und von ein paar Leuten hieß es sogar: „Hast wohl Torschlusspanik?!“ Es stimmte, vor Miia waren es sechs lange Jahre als Single gewesen. Die Zeit war nicht schön gewesen und das wussten auch alle. Aber Torschlusspanik? „Nein, ich liebe sie!“, sagte er sich trotzig. Schließlich war sie hübsch, nett, mochte ihn und der Sex war gut. Nach dem ersten Treffen hatte er sich an sie gewöhnt und er mochte es, wenn sie bei ihm war. Natürlich nervte sie ihn manchmal, aber das war schließlich ganz normal. Oder? Sie war schließlich Model und deshalb immer etwas pinzig. Außerdem mochte sie auch einige seiner Eigenschaften nicht, er machte ihr schließlich nicht umsonst vor, mit dem Rauchen aufgehört zu haben. Das einzige, was ihn immer wieder nachdenklich werden ließ, war dieses: „Du musst ja richtig verrückt nach ihr sein.“ Er war sich nicht sicher, ob er das war. Gehörte das zur richtigen Liebe? Aber wenn er sich z. B. seinen Springer Janne und dessen Frau Tiia ansah, konnte man doch auch sehen, dass sie sich nicht immer öffentlich, wie sagte man so schön, „mit den Blicken verzehrten“. Doch trotzdem war er unsicher. Natürlich war es ihm richtig erschienen, ihr den Antrag zu machen, auch wegen ihrer Einstellung, ihn nach dem dritten Date schon als ihren Freund zu bezeichnen. Doch es war ihm schwer gefallen, die ganzen Fragen zu beantworten. Nein, er war nicht verrückt nach ihr. Als ein anderer Skispringer seiner Mannschaft, Jussi, mit seiner Freundin Kaisa zusammengekommen war, und auch als er ihr den Heiratsantrag gemacht hatte, sprach er von nichts anderem mehr. Tommi hatte auch den Eindruck, dass Jussi auch viel zu oft daran dachte und seine Leistung an dieser Unkonzentriertheit zu leiden hatte. Dieses Problem schienen beide Hautamäkis zu haben, denn auch Jussis Bruder Matti machte sich oft viel zu viele Gedanken und Tommi übte sich dann oft als Mentaltrainer. Aber wenn es um ihn selber ging, war er ratlos. Er hatte sich aber eigentlich mit seinem Entschluss arrangiert und angefreundet. Miia und er würden heiraten, da gab es nichts dran zu rütteln.

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Verfasst: Do 31. Jul 2008, 19:19 


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 Betreff des Beitrags: Re: Was ist denn jetzt los?
BeitragVerfasst: Do 31. Jul 2008, 19:19 
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„Hautamäki?“ „Hi Masa, ich bin’s.“ „Vellu? Was ist denn los? Du hörst dich etwas down an!?“ „Mona hat mit mir Schluss gemacht.“ „Was? Wann?“ „Gestern.“ „Ja aber…wieso? Ich meine ihr wart so lange zusammen?“ „5 Jahre“, Vellu tat etwas sehr untypisches für ihn: er fing an zu heulen. Er konnte die Tränen einfach nicht mehr zurückhalten. „Sie… sie glaubt ich bin fremdgegangen!“, schluchzte er. „Wie kommt sie denn darauf?“, fragte Matti erschrocken von Vellus heftiger Reaktion. „Ich mein, du bist doch nicht… oder?“ „Nein!“ „Warum glaubt sie es denn dann?“ „Wegen Mico.“ „Mico? Jannes Sohn?“ „Quatsch! Mein Nachbar!“ „Ach der. Warte, du hast Mona mit Mico betrogen?“ „Ich hab sie nicht betrogen!“ Vellu wurde sauer. Warum war Matti so schwer von Begriff? „Er hat ihr erzählt, dass ich sie mehrmals mit irgendwelchen Mädchen betrogen hätte.“ „Has du aber nicht.“ „Nein, natürlich nicht“, schnaubte Vellu. Das hatte er doch jetzt inzwischen deutlich genug zum Ausdruck gebracht. „Warum erzählt er dann so was?“ „Anscheinend will er was von ihr. Sie haben sich schon ein paar Mal getroffen.“ Seine Stimme versagte, so ganz konnte er das alles immer noch nicht fassen. „Dieses Arschloch!“ Matti war fassungslos. „Aber warum hat sie ihm geglaubt und nicht dir?“ „Ich weiß es nicht“, antwortete Veli-Matti verzweifelt. „Ich hab ihr dauernd gesagt, dass es nicht stimmt. Aber sie meint, dass ich nur noch so wenig Zeit mit ihr verbringen würde und sie sich schon so was in die Richtung gedacht hat. Dabei hab ich doch trainiert. Ich wollte doch nach der Verletzung zurück in die Weltspitze!“ „Mann Kleiner, das ist echt nicht fair. Aber wenn sie schon so reagiert, dann war sie es nicht wert. Klingt hart, ist aber so.“ „Aber ich liebe sie doch!“, klagte Vellu. Etwas leiser fügte er hinzu: „Weißt du, manchmal hab ich mir echt vorgestellt, dass wir mal heiraten würden und so…“ Matti schluckte. Das war heftig. Ganz spontan fasste er einen Entschluss. „Weißt du was? Wir fangen doch erst in 2 Wochen mit dem Training in Rovaniemi an. Bis dahin komme ich bei dir vorbei. Du hast doch nichts dagegen, wenn ich bei dir auf dem Sofa wohne?“

***
Tommi bog keuchend in seine Straße ein. Er war jetzt eine Stunde gejoggt, das reichte. Er lief an einigen Reihenhäusern vorbei, bis er bei seinem eigenen angekommen war. Völlig außer Atem blieb er stehen und begann in seiner Hosentasche nach seinem Schlüssel zu suchen, als sich die Tür vor ihm öffnete. „Morgen Tommischatz!“, rief ihm eine strahlende Miia zu. „Ich hab dich durchs Fenster gesehen.“ Erschöpft ging Tommi die paar Stufen hoch zu ihr und gab ihr einen Kuss auf den Mund. „Guten Morgen, Schatz.“ „Hast du schon gefrühstückt, Tommi?“ „Ja, heute morgen, bevor ich los bin. Zwei Scheiben Vollkornbrot.“ „Oh Tommi, du machst wirklich Fortschritte!“, fiel sie ihm plötzlich um den Hals. Dann rümpfte sie leicht die Nase: „Ich denke, du solltest erstmal duschen. Dann zeige ich dir, was ich hier schon vollbracht habe.“
Tommi ging langsam die Treppe hoch. Er fühlte sich etwas überrumpelt. Einerseits war es natürlich süß von ihr schon so früh vorbeizukommen, aber andererseits wäre er gerne noch ein bisschen alleine gewesen. Zum Beispiel um zu frühstücken. Das mit dem Vollkornbrot war natürlich gelogen. Er hatte noch tiefgefrorene Brötchen, die er eigentlich hatte aufbacken wollen. So musste er wohl oder übel auf sein Frühstück verzichten, weil sie ihm sonst wieder vorhalten würde, dass er viel zu wenig für seine Fitness tat und sich viel zu ungesund ernährte. Vielleicht sollte er sich schon wirklich mal an Vollkornbrot gewöhnen, schließlich zog sie bald bei ihm ein.

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Zuletzt geändert von ziellos am Do 31. Jul 2008, 19:22, insgesamt 2-mal geändert.

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 Betreff des Beitrags: Re: Was ist denn jetzt los?
BeitragVerfasst: Do 31. Jul 2008, 19:20 
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Als Tommi wieder runterkam, frisch geduscht und mit noch leicht nassen Haaren, saß Miia im Wohnzimmer auf dem Sofa und blätterte in einer Modezeitschrift. Er ließ sich neben ihr auf das Sofa fallen. Sie schaute auf und lächelte ihn an. „Hast du gesehen, was ich schon gemacht habe?“ Tommi blickte ratlos zurück. „Nein. Was meinst du?“ „Komm mit!“ Sie stand auf und zog ihn an der Hand mit. Im Eingangsbereich des Hauses blieb sie stehen. Im Schuhschrank waren einige neue Exemplare hinzugekommen und daneben stand ein neuer Schrank. „Ich habe gestern einen neuen Schuhschrank gekauft und ihn heute morgen, als du joggen warst, hierher gebracht und eingeräumt. Was sagst du dazu?“ „Das hast du gut gemacht.“, antwortete er und gab ihr einen Kuss. Er wusste ja, dass sie viele Schuhe hatte, aber so viele? Trotzdem war es eine süße Überraschung gewesen, dass sie sich die Arbeit gemacht hatte. „Weißt du Miia…“, murmelte er dann. „Was denn?“ „Ich habe heute nichts vor…“, antwortete er grinsend und mit einer schnellen Bewegung hatte er sie zu sich herangezogen und begonnen sie zu küssen. Sie gab sich nur kurz dem Kuss hin und wand sich dann aus seiner Umarmung. „Ich schon“, erklärte sie. „Weißt du nicht mehr, dass ich heute Nachmittag zu einem Wettbewerb nach Turku fahren muss? Ich habe noch nicht alles gepackt!“ „Oh“, antwortete Tommi enttäuscht. „Hast du das etwa vergessen?“ „Miia, du hast mir in den letzten Tagen nichts davon erzählt. Ich hab es vergessen.“ „Du denkst nie an die Sachen, die mir wichtig sind, Tommi!“, klagte sie mit leicht weinerlicher Stimme. „Manchmal denke ich, du interessierst dich überhaupt nicht für mich!“ Tommi war verzweifelt. Warum musste sie denn bei so Kleinigkeiten immer gleich so einen Aufstand machen? Beschwichtigend sagte er: „Das stimmt nicht und das weißt du auch. Ich liebe dich doch.“ Letzteres kam ihm in dieser Situation allerdings etwas schwerer von den Lippen. „Weißt du was?“, schlug er dann vor. „Ich helfe dir beim Packen und dann gehen wir zum Abschied in ein schickes Restaurant zum Mittagessen.“

***
Matti klingelte an Vellus Tür. Dieser öffnete ihm in einer Jogginghose und einem weiten weißen T-Shirt. Matti fackelte nicht lange und hielt ihm drei Dr. Oetker Browniebackmischungen vor den Bauch. „Da, nimm!“ „Du willst backen?“, fragte Veli-Matti perplex. Doch anstelle einer Antwort beugte sich Matti runter neben Vellus Wohnungstür und hob einen Bierkasten hoch. „So, und jetzt kannst du mich bitte reinlassen.“

Kurze Zeit später waren die Brownies im Backofen und Matti und Vellu saßen mit jeweils einer Bierflasche im Wohnzimmer auf dem Sofa. „Und jetzt erzählst du mir bitte die gesamte Story“, forderte Matti seinen Freund auf. „Da gibt’s nicht mehr zu erzählen, als du eh schon weißt.“ „Doch.“ „Woher willst du das denn wissen?“, antwortete Vellu trotzig. „Und zwar, warum du jetzt so extrem fertig bist.“ „Hallo? Meine Freundin, mit der ich fünf Jahre zusammen war, hat mit mir Schluss gemacht! Soll ich vor Freude im Sechseck springen oder was?“ „Aber denk doch mal an die Zeit vor Mona. Wie viele Freundinnen du da innerhalb eines Jahres hattest. Du bist immer noch ein begehrter Mann, das weißt du doch.“ „Aber seit Mona weiß ich, dass ich kein Mädchen vorher geliebt habe. Was meinst du, warum immer so schnell Schluss war? Mona war meine erste große Liebe!“ Vellu brach in Tränen aus. Seit der Trennung hatte er nah am Wasser gebaut. Dass er sich in seinen Augen eigentlich gerade extrem uncool verhielt, kam ihm gar nicht in den Sinn. „Hey komm.“ Matti wusste nicht genau, wie er mit der Situation umgehen sollte. „Andere Mütter haben auch schöne Töchter…“, versuchte er es. Vellu wurde wütend. Der Standardspruch schlechthin! „Ist mir egal“, giftete er Matti an. Dieser kapitulierte: „Okay, so kommen wir nicht weiter. Ich hol jetzt die erste Ladung Brownies aus dem Ofen und du suchst dir hier mal einen Film raus!“ Mit diesen Worten warf Matti seinem Kumpel seinen Rucksack vor die Füße.

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 Betreff des Beitrags: Re: Was ist denn jetzt los?
BeitragVerfasst: Do 31. Jul 2008, 19:43 
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Händchenhaltend verließen Tommi und Miia das Restaurant Elegance. Miia hatte sich wieder beruhigt und sie hatten sich beim Essen sehr gut verstanden. Als Tommi gentlemanlike die Tür seines BMW aufhielt, damit Miia einsteigen konnte, klingelte sein Handy. „Ja?“ „Tommi? Hier ist Timo Parantainen. Wir haben Veli-Mattis Untersuchungsergebnisse ausgewertet.“ „Und?“ „Er muss an beiden Knien vorsorglich operiert werden.“ „Oh“, antwortete Tommi bestürzt. „Und wie lange wird er ausfallen?“ „Wenn er Glück hat, kann er Anfang Herbst wieder ins Training einsteigen.“ „Okay, dann werde ich ihm jetzt Bescheid sagen. Vielen Dank für die Benachrichtigung.“ „Ist doch klar. Bis dann.“ „Bis dann.“ Tommi steckte das Handy zurück in die Hosentasche. Dann stieg er auf der Fahrerseite in sein Auto. „Wer war das denn?“ „Der Arzt. Veli-Matti muss an beiden Knien operiert werden.“ Er drehte den Zündschlüssel rum und ließ den Motor an. „Oh, der Arme. Ist das nicht der kleine Blonde?“ „Ja der ist es. Ich fahr dann gleich mal bei ihm vorbei. Wo soll ich dich denn hinbringen?“ „Also ich dache du fährst mich nach Turku…“ Tommi machte eine Vollbremsung. „WAS?“ „Na ja, ich werden dort heute um fünf Uhr erwartet und muss selber sehen, wie ich dorthin komme. “Es war aber nicht abgesprochen, dass ich dich dorthin kutschiere.“ Er hielt am Straßenrand. Sie zuckte mit den Schultern. „Ich dachte, du hast heute nichts vor.“ „jetzt schon. Ich hab dir das mit Vellu grad gesagt.“ Er wurde langsam wütend und ihre Stimme hysterisch. „Was soll ich denn jetzt machen? Wieso bist du so egoistisch? Es geht hier um einen wichtigen Termin. Es geht um meinen Job!“ Sie hatte Tränen der Wut in ihren Augen. Tommi antwortete ruhig: „Es geht hier auch um meinen Job. Wir fangen in zwei Wochen mit der Saisonvorbereitung an. Vellu ist da wieder nicht dabei. Er wird austicken, wenn er das erfährt!“ „Und was musst du da bitte tun?“ „Ihn schonend darauf vorbereiten zum Beispiel. Außerdem mit ihm besprechen, wie’s weitergeht.“ Er nahm sein Portemonnaie raus, nahm einen 100 Euro-Schein raus und hielt ihn ihr hin. „Hier, nimm dir doch davon einfach ein Taxi. Der Taxifahrer wird sowieso viel eher wissen, wo du genau hinmusst.“ „Hmm, ja gut okay, danke“, sagte sie zerknirscht, aber immer noch etwas enttäuscht. „Ich fahr dich zum Bahnhof, da kriegst du am schnellsten eins.“ Den restlichen Weg schwiegen sie sich an. Am Bahnhof angekommen hielt Tommi an, stieg aus und holte Miias Koffer und ihre kleine Reisetasche aus dem Kofferraum. Direkt ein paar Meter weiter stand ein freies Taxi und er winkte dem Taxifahrer. Dieser kam sofort vorgefahren und zusammen mit Tommi verstaute er Miias Gepäck. Bevor sie einstieg, hielt Tommi seine Verlobte noch am Arm fest. „Und? Willst du dich nicht von mir verabschieden?“ Sie wurde rot, drehte sich dann aber zu ihm und küsste ihn. „Bis bald, Tommischatz. Du weißt, dass ich dich liebe?“ „Ja Liebling, das weiß ich.“ Beide merkten nicht, dass er den Liebesgruß nicht erwidert hatte.

Als Tommi an Veli-Mattis Tür klingelte, öffnete ihm Matti. „Tommi?“, fragte dieser überrascht. „Ja, ich bin’s. Hallo Matti. Ist Vellu zuhause?“ „Ja klar. Wieso bist du denn hier?“ „Ich habe eine schlechte Nachricht für Vellu. Willst du mich jetzt reinlassen oder muss ich hier draußen stehen bleiben?“ „Warte, geh erstmal in die Küche. Ich sag ihm erstmal Bescheid.“ Matti ließ Tommi rein und ging dann zum Wohnzimmer. Er steckte den Kopf durch die Tür. Auf dem Fernseher war Denzel Washington in Déja Vu zu sehen. „Vellu? Tommi ist hier, er will was mit mir bereden. Wir gehen in die Küche, dann kannst du weitergucken.“ „Was ist mit dir?“ Matti lachte. „Ich kenne den Film doch schon. Also bis gleich.“ Er schloss die Tür wieder und ging zu Tommi in die Küche. Er setzte sich an den großen Küchentisch gegenüber von seinem Trainer. Dieser fing an: „Matti, was soll das hier? Ich wollte mit Vellu sprechen. Was machst du überhaupt hier?“ Eigentlich musste Matti schließlich irgendwo in Kuopio sein und nicht hier unten in Lahti. Matti seufzte leise. „Ich dachte, es ist besser, wenn du die schlechte Nachricht erstmal mir erzählst. Vellu geht es momentan nicht so gut.“ „Wieso, was ist denn los?“ „Mona hat ihn verlassen. Er ist jetzt ganz schön am Boden.“ Tommi war erstaunt. Er dachte immer, Veli-Matti wäre ein Weiberheld. Keiner, der überaus traurig wurde, wenn seine Freundin mit ihm Schluss machte. Außerdem hatte er das Gefühl gehabt, dass Vellu sowieso nicht so leicht seine Gefühle zeigte, um sich keine Schwäche zu erlauben und cool zu sein. Da hatte er ihn wohl falsch eingeschätzt. Vellu gehörte aber auch zu den Springern, mit denen er privat eher weniger Kontakt hatte. Warum wusste er gar nicht so genau, aber Veli-Matti hatte auch nie zu seinen „Lieblingsschülern“ gehört. Matti schon eher. Und dieser holte ihn jetzt aus seinen Gedanken. „Was ist denn Tommi? Warum bist du gekommen? Was ist die schlechte Nachricht?“ „Wir haben doch am Ende der Saison bei den finnischen Meisterschaften gesundheitliche Routinetests gemacht. Diese wurden jetzt ausgewertet. Vellu muss an beiden Knien operiert werden.“ „Oh!“ „Es ist zur Vorsorge. Nichts ganz so Schlimmes, aber er wird fast die gesamte Vorbereitung verpassen, wenn er Pech hat.“ Matti war geschockt. „Mann, das ist ja echt scheiße. Wo er doch die letzten Jahre schon so viel Pech hatte…“ „Genau deshalb bin ich ja gleich gekommen.“ „Warte am besten, bis der Film fertig ist. Das hat er sich verdient. Dann kannst du es ihm erklären.“ „Willst du das nicht lieber machen? Du bist doch sein Freund.“ „Wer ist hier der Trainer, du oder ich? Ich kann so was nicht. Du hast mich schon so oft wieder aufgepackt, du packst das schon!“ Er stand auf. „Bis zum Ende des Films kannst du mir ja bei den restlichen Brownies helfen. Vellu wird sie brauchen.“

Als der Film fertig war, betraten Matti und Tommi das Wohnzimmer. „Ah, da seid ihr ja. Hallo Tommi. Mann Matti, du hast echt was verpasst, der Film war echt geil!“ Matti grinste, als er ein Tablett mit Brownies auf den Couchtisch stellte. „Ich hab doch gesagt, dass ich ihn schon gesehen hab. Er ist echt gut.“ Dann nahm er das leere Tablett und brachte es in die Küche. Tommi setzte sich auf einen Sessel. Er fühlte sich etwas unwohl. Vellu war aber jetzt ganz gut drauf. Er nahm sich einen Brownie und lächelte Tommi an. „Und, was machst du hier?“ Gerade als Tommi antworten wollte, kam Matti mit zwei Bierflaschen rein. Er gab sie den beiden anderen und sagte: „Ich fahr mal schnell los und hol noch einen Kasten. Mann Vellu, du hast ja echt nix im Haus!“ Damit ging er aus dem Zimmer. Tommi sah ihm verzweifelt hinterher, weil er ihn in dieser Situation allein ließ. Er schaute zu Vellu rüber, der auf eine Antwort wartete, und schluckte. „Also…ich war heute mit Miia essen und dann…“ Er sah, wie Vellus Blick starr wurde. Er hätte sich ohrfeigen können. Natürlich reagierte er in dieser Situation empfindlich auf alles, das etwas mit halbwegs glücklicher Partnerschaft zu tun hatte. Er begann von Neuem: „Ich hab dann heute einen Anruf bekommen, von Timo Parantainen. Er hat die Tests ausgewertet.“ Vellu sah ihn fragend an. „Er hat gesagt, also du…du musst operiert werden.“ Vellu hatte gerade von seinem Brownie abgebissen und verschluckte sich jetzt daran. Er bekam einen Hustenanfall und Tommi sprang auf um ihm zu helfen. Während er ihm in regelmäßigen Abständen auf den Rücken klopfte, beruhigte sich der Skispringer wieder ein bisschen. Schließlich sagte er, noch mit rotem Kopf: „Wieso muss ich operiert werden?“ „Es ist etwas mit deinen Knien. Ich hab es nicht so ganz verstanden, sie müssen zur Vorsorge operiert werden, als Vorbeugung von späteren, schlimmeren Verletzungen. Es ist nicht so schlimm, aber du wirst einen Teil der Vorbereitung versäumen.“ Vellu war geschockt. „Wie, meine Knie? Sollen etwa beide operiert werden?“ Tommi seufzte. „Leider ja. Aber lieber jetzt zur Vorsorge als später bei einer Verletzung, wo das alles viel länger dauern würde.“ Vellu öffnete seine Bierflasche. „Das muss ich jetzt erstmal verdauen“, sagte er und nahm einen großen Schluck. Als er die Flasche wieder absetzte, nahm er sich einen weiteren Brownie. „Das ist aber einfach ungerecht! Warum ich? Ich wollte mich endlich mal den ganzen Sommer auf die neue Saison vorbereiten“, sagte er verzweifelt. Tommi, der sich nach Vellus Hustenattacke neben ihn aufs Sofa gesetzt hatte, tätschelte seine Schulter. „Ich weiß“, antwortete er und überlegte, was er noch sagen sollte. Aber im Moment reichte es, wenn er zuhörte. „Ich meine, was hab ich falsch gemacht? Erst das mit Mona und jetzt das! Wann kann ich denn eigentlich wieder trainieren?“ Tommi überlegte kurz. „Wenn alles gut läuft etwa im September“. Das war seine Interpretation von „Anfang Herbst“, klang aber optimistischer. Aber Vellu schnaubte und kippte sich den Rest seines Biers in den Mund. Tommi, der bis jetzt noch nicht dazu gekommen war, sein Bier anzurühren, bot es seinem Schützling an. Doch Vellu winkte ab. „Danke, aber trink das selber. Du musst dir schließlich mein Gejammer anhören.“ Er schaffte es immerhin, ein bisschen zu grinsen. „Außerdem solltest du mal einen Brownie essen. Die sind echt lecker und ich ess’ die sonst noch alle weg.“ Sein Trainer nahm sich ein Stück und biss ab. „Mhhm, das schmeckt echt gut. Wenn Miia das wüsste…“, sagte er und hielt in der einen Hand den Brownie und in der anderen die Bierflasche hoch um zu zeigen, was er meinte. Vellu wurde hellhörig. „Heißt das, sie hält dich auf Diät?“ Tommi zuckte mit den Schultern. „Kann man so sagen, ja.“ In dem Moment klingelte es. Vellu wollte aufstehen, doch Tommi hatte inzwischen aufgegessen und somit eine Hand frei, mit der er Vellu zurück ins Sofa drückte. „Lass mal, ich gehe.“

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 Betreff des Beitrags: Re: Was ist denn jetzt los?
BeitragVerfasst: Do 31. Jul 2008, 19:44 
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Es war Matti. „Warum klingelst du unten? Die Haustür ist doch offen“, fragte Tommi durch die Gegensprechanlage. „Ich hab zwei Kästen und noch zwei Flaschen Wodka gekauft. Kommst du mal bitte runter und hilfst mit beim Tragen?!“ Während sie den Alkohol bis zu Vellus Wohnung im dritten Stock hochtrugen, fragte Matti: „Und, hast du es ihm schon gesagt?“ „Ja, er war nicht gerade begeistert, kann man sich ja vorstellen.“ „Das ist aber auch richtiger Mist, diese Sache.“ Als sie oben angekommen waren, stellten sie fest, dass die Wohnungstür zugefallen war. Nachdem Matti geklingelt hatte, öffnete Veli-Matti die Tür und seine Augen funkelten leicht, als er das ganze Bier sah.

Sie hatten die Kästen ins Wohnzimmer gebracht und Vellu und Tommi hatten sich wieder aufs Sofa gesetzt. Matti saß auf dem Sessel und jeder hatte eine Flasche in der Hand. „Also“, sagte Vellu. „Tommi, du wolltest mir doch erzählen, wie Miia dich auf Diät gesetzt hat.“ „Achso. Hmm, ja“, druckste Tommi herum. Er wollte um seine Antwort herumkommen, doch Matti warf ihm einen verschwörerischen Blick zu. So könnten sie Vellu ablenken. Also fing Tommi an, über alles zu reden, was ihn an Miia und ihrem Verhalten nervte. Irgendwie war es nicht sehr wenig und es tat ihm gut, es mal loszuwerden. Die anderen beiden merkten das und ließen ihn deshalb erzählen, ohne irgendwelche blöden Kommentare abzugeben. Schließlich konnte Matti sich aber eine Frage nicht mehr verkneifen. „Tommi, mal ehrlich: Wieso heiratest du sie überhaupt?“ „Ich weiß nicht“, nuschelte der Trainer, der gerade dabei war, seine vierte Flasche zu öffnen. Dann hatte er es geschafft und nahm einen tiefen Schluck. Sein „Weil ich sie liebe“ danach kam auch nicht mehr ganz so glaubwürdig rüber. Vellu sah sich jedenfalls gezwungen, das Thema zu wechseln. „Leute, was wollen wir jetzt machen?“ „Du hast doch ne Playstation, oder?“, fragte Tommi. „Ja klar. Willst du zocken?“ „Nee ich dachte eher an Singstar…“ „Ja, cool!“, rief Matti.

Also legte Vellu die Singstar-CD ein. Da sie alle nicht besonders gut singen konnten, gab es viel zu lachen. Schließlich war Matti auf dem Sessel eingeschlafen. Vellu schaute Tommi fragend an: „Und, machen wir trotzdem weiter?“ „Ja klar!“, antwortete Tommi, stand auf und holte die zweite Wodkaflasche. Die erste hatten sie schon geleert. Daher war vor allem Tommi schon betrunken. Als er zurückkam, gab er Vellu die Flasche und griff nach dem Controller der Playstation. Zuerst fasste er daneben, doch schließlich erwischte er sie doch. Dann ließ er sich neben Vellu aufs Sofa fallen. Er suchte die Lieder durch, während Vellu den Wodka öffnete, einen Schluck nahm und die Flasche vor Tommi stellte. Tommi hatte inzwischen ein Lied gefunden: „I Got You Babe“ von Sonny und Cher. „Hey Vellu, du machst Sonny, ‚kay?“ Vellu schaute etwas bedröppelt. Er kannte das Lied nicht, schließlich war es schon älter. Tommi begann mit Chers Part und Vellu verstand den Text schnell, er war nämlich noch nicht so voll. I got flowers in the spring,
I got you to wear my ring.
And when Im sad, youre a clown,
and if I get scared, youre always around.

Seine Augen füllten sich mit Tränen, doch Tommi bemerkte es nicht. Er war in seinem Element. „Babe. I got you, Babe!“, grölte er. „Hey Vellu, sing ma’ mit!“ Doch dieser fing laut an zu weinen. Tommi hörte auf zu singen und drehte sich zur Seite, um zu sehen, was los war. „Hey Vellu, was is’ denn?“, fragte er erschrocken. „Der, der Text“, schluchzte der Skispringer. Tommi schaute ihn betroffen an und legte seine Hand auf Vellus Schulter. Hinter ihm gab Matti einen lauten Schnarcher von sich. „Wein doch nicht“, sagte Tommi zärtlich. „Aber der Text, der ist so...traurig. Weil er so glücklich ist.“ Tommi verstand ihn nicht. Durch den Alkohol hatte er Vellus Probleme komplett vergessen. Deshalb wusste er nicht, was er machen sollte und außerdem drehte sich ein seinen Kopf alles. Doch auch Vellu hatte der Alkohol etwas zugesetzt und deshalb kriegte er sich gar nicht mehr ein. Tommi war inzwischen total überfordert mit der Situation. Schließlich nahm er ihn an den Schultern und zog ihn zu sich ran. Vellu weinte an Tommis Schulter weiter und dieser tätschelte ihm den Rücken. Sie blieben in dieser Position und schliefen schließlich beide ein.


Tommi erwachte durch ein lautes Klingeln. Er blinzelte und überlegte, wo er war. Doch schnell erkannte er Vellus Wohnung. Er schaute nach rechts, wo Matti im Sessel hing und mit offenem Mund schlief. Dann schaute er nach unten und erschrak. Vellu lag schlafend auf ihm, mit seinem Kopf auf Tommis Brust. Er selber lag auf dem Sofa. Hektisch versuchte sich Tommi an den vorangegangenen Abend zu erinnern, doch es gelang ihm nicht. Wie war Vellu dorthin gekommen? Das Letzte, woran er sich erinnern konnte, war, dass sie angefangen hatten, Singstar zu spielen. Da hatte er aber noch auf der einen und Veli-Matti auf der anderen Seite der Couch gesessen. Da hörte er plötzlich Vellus Anrufbeantworter angehen. Das Klingeln war also vom Telefon gekommen. „Hey Matti!“, hörte Tommi einen aufgeregten Jussi auf den Anrufbeantworter sprechen. „Ich bin Vater! Kaisa hat vor drei Stunden eine Tochter geboren. Ruf so schnell es geht zurück!“
Tommi war jetzt hellwach. Er musste als allererstes Matti aufwecken, dann konnte er sich um die andere Sache kümmern. Daran hatte er gar nicht mehr gedacht, dass Kaisa schwanger war. Tommi hatte mit Jussi zwar immer wieder Reibereien gehabt, doch trotzdem freute er sich für ihn. Doch Vellus Kopf lag immer noch auf seiner Brust. Tommi hoffte so sehr, dass er sich keinen peinlichen Fehltritt geleistet hatte. Er konnte es sich nicht vorstellen, aber immerhin war er besoffen gewesen. „Hör jetzt auf!“, sagte er zu sich selbst. „Du musst jetzt Matti Wecken und dafür musst du aufstehen können!“ Er hob Vellus Kopf leicht an und kroch unter ihm weg. Dann legte er ihn sanft auf das Sofa, damit er nicht wach wurde. „Eigentlich ist er ja ganz goldig, wie er da so liegt und schläft“, sagte eine Stimme in Tommis Kopf. Er blickte noch einmal zärtlich auf Vellu, verdrängte seine Gedanken dann aber erschrocken. Tommi hasste Restalkohol am Morgen. Schnell ging er rüber zu Matti, der sehr lustig aussah beim Schlafen, nicht so unschuldig wie Vellu. Er rüttelte ihn leicht an der Schulter. Matti schlug die Augen auf und blickte verwirrt um sich. „Tommi? Was’n los?“ „Jussi hat angerufen. Kaisa hat das Baby gekommen.“ Wie der Blitz richtete sich Matti auf. „Was? Oh mein Gott“ Wo ist das Telefon?“ Er sprang auf und griff hektisch nach dem Hörer. „Ausgerechnet jetzt bin ich nicht zu Hause, oh Mann, Jussi ist Vater!“ „Jussi Hautamäki?“ „Jussi!“, schrie Matti ins Telefon. „Du bist Vater verdammt noch mal, du bist Vater! Erzähl!“ „Wir sind heute Nacht ins Krankenhaus, als Kaisa die Wehen bekommen hat. Bis 4 Uhr mussten wir warten, dann ging’s plötzlich ganz schnell.“ Matti schaute auf die Uhr. Es war halb sieben. „Junge oder Mädchen?“, fragte er aufgeregt. „Ein Mädchen. Matti, sie ist so süß, ich habe noch nie etwas Schöneres gesehen.“ „Wie geht es Kaisa?“ „Ganz gut. Sie hat die Geburtgut überstanden, jetzt schläft sie ein bisschen.“ „Hey Mann, ich setz mich ins Auto und komm so schnell es geht, okay? Mann, ich bin Onkel!“ „Das wäre riesig, wenn du kommen könntest.“ Ich beeil mich!“ Matti legte auf. „Du Tommi, ich dusche schnell und dann fahr ich los. Tu mir einen Gefallen und lass Vellu nicht alleine. Miia ist doch eh nicht zu Hause und du kannst auf dem Sofa schlafen.“ Mit diesen Worten verschwand er im Bad. Tommi blieb etwas durcheinander im Flur zurück. Er wusste nicht, was er jetzt tun sollte. Einerseits erschien es ihm logisch, hier bleiben zu müssen, damit Vellu nicht alleine mit seinen Gedanken und Gefühlen war, andererseits fürchtete er sich vor der Wahrheit und vor Vellus Erinnerungen. Er hatte Angst davor, mit Vellu allein zu sein, doch noch unangenehmer war es, wenn Matti dabei war. Also wartete er, bis dieser die Wohnung mit einem „Bitte erklär das Vellu, er wird es schon verstehen und kümmer’ dich ein bisschen um ihn, ja?“ verließ. Die ganze Zeit hatte Tommi still im Flur gewartet, jetzt erst kam Bewegung in ihn. Langsam ging er ins Wohnzimmer, wo Vellu immer noch auf dem Sofa lag und schlief. Tommi setzte sich in den Sessel und betrachtete seinen Schützling. Sollte er ihn wecken? Oder lieber alles aufräumen und warten, bis er von selber aufwachte? Er entschied sich für letzteres. Also begann Tommi, die Flaschen vom Boden aufzusammeln und in die leeren Kästen zu stellen.

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Zuletzt geändert von ziellos am So 3. Aug 2008, 20:24, insgesamt 2-mal geändert.

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 Betreff des Beitrags: Re: Was ist denn jetzt los?
BeitragVerfasst: Do 31. Jul 2008, 19:45 
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Als Vellu aufwachte, hörte er Glas splittern. Erschrocken fuhr er hoch und sah Tommi, der gerade 3 Bierflaschen in der Hand hielt und erschrocken auf den Boden schaute, wo eine zerbrochene Flasche lag. „Tommi?“ Dieser zuckte zusammen und hätte beinahe eine weitere Flasche fallen gelassen. Langsam richtete Vellu sich auf und besah sich das Chaos in seinem Wohnzimmer. „Oh Mann“, war alles, was ihm darauf einfiel. Seine Glieder schmerzten, wahrscheinlich vom Liegen auf der Couch. Tommi hatte unterdessen Handfeger und Müllschippe geholt und begann, das Glas aufzusammeln. Mit einem Stöhnen ließ sich Vellu wieder aufs Sofa fallen. Tommi verschwand wieder und kam mit einem Staubsauger zurück. Der Lärm des Saugers ließ Vellu, der noch müde war, zusammenfahren. Doch die restlichen Scherben waren schnell aufgesaugt und schon war Tommi wieder weg. Kurz danach hörte er Geräusche aus der Küche. Irgendwie kam sich Vellu noch nicht richtig wach vor. Doch schließlich konnte er sich doch aufraffen und trottete langsam in die Küche, wo Tommi gerade den Frühstückstisch gedeckt hatte und sich jetzt auf einen Stuhl setzte. „Morgen“, murmelte er verschlafen. „Morgen“, kam es leise von Tommi. Der Trainer konzentrierte sich jetzt auf seinen Kaffee, von dem er auch Veli-Matti eine Tasse gemacht hatte. Der Hausherr setzte sich jetzt ebenfalls an den Tisch und nahm sich auch zuerst den Kaffee vor. Nach einem tiefen Schluck runzelte er die Stirn. „Wo ist Matti?“ Tommi schaute nur kurz auf. „Er ist zu Jussi gefahren. Das Baby ist da.“ Bei Vellu dauerte es einen Moment, bis der Groschen gefallen war, aber dann machte er große Augen. „Oh, toll! Was ist es denn?“ „Ein Mädchen.“ Vellu fiel Tommis Wortkargheit auf, doch er schob es auf einen möglichen Kater. Durch den Kaffee fühlte er sich schon ein wenig besser. Er nahm sich das Brot von der Mitte des Tisches und schnitt sich eine Scheibe ab. „Du auch?“, fragte er Tommi. „Vellu, kannst du dich noch an den ganzen Abend gestern erinnern?“, kam es anstelle einer Antwort. Schnell nahm Tommi einen Schluck von seinem Kaffee. Er hatte das jetzt nicht fragen wollen, aber es war ihm rausgerutscht. Dann schaute er sein Gegenüber an. „Hast du ein Blackout?“, fragte er ungläubig. „Ja ich glaub schon“, antwortete er vorsichtig. „Naja, wir haben Singstar gespielt und getrunken, irgendwann ist Matti dann auf dem Sessel eingeschlafen.“ Er konnte sich nicht mehr an alle Einzelheiten erinnern, aber generelle Erinnerungen hatte er ganz klar. „Und…dann?“ Oh nein, dann hatte er angefangen zu weinen. Wie peinlich. „Hmm, na ja“, druckste Vellu herum. „Scheiße“, dachte Tommi und sah Vellu erschrocken an. Was hatten sie gemacht? Wollte er das überhaupt noch wissen? „Was war dann?“ Vellu schaute Tommi ein bisschen überrascht an. Warum wollte er das so genau wissen? Musste er das jetzt unbedingt noch mal erwähnen? „Ich hab angefangen zu heulen“, sagte er und wurde rot. „Echt? Warum das denn?“ Jetzt war Tommi überrascht. „Hmm, weiß nicht mehr. Da hast du mich getröstet. Das war alles.“ „Achso“, sagte Tommi erleichtert. „Wenigstens schien es ihn nicht besonders interessiert zu haben, dass ich geheult hab“, dachte Vellu, ebenfalls erleichtert. Doch dann war er neugierig: „Warum wolltest du das denn so genau wissen?“ „Ach, nicht so wichtig.“ Wie peinlich! Wie war er überhaupt auf so was gekommen? „Ne, das will ich jetzt auch wissen!“ Er schnitt jetzt doch noch eine Scheibe ab und gab sie Tommi, der sie dankend annahm. „Ach, weißt du…“, jetzt war es Tommi, der herumdruckste. „Naja, du hast irgendwie so halb auf mir geschlafen und ich wusste nicht mehr, wie es dazu gekommen war“, erklärte er dann. Schnell konzentrierte er sich auf die Butter. Als Vellu das hörte, musste er laut lachen.

„Ich dusch dann mal“, sagte Tommi zu Vellu. Sie waren fertig mit Frühstücken und Tommi überließ es dem Springer alles wegzuräumen, schließlich hatte er den Tisch gedeckt.
„Warte, ich hol dir nur schnell noch ein Handtuch“, sagte Vellu und ging zu einer Kommode, die aus Platzgründen in seinem Schlafzimmer stand. Er kam mit einem großen schwarz-weiß gestreiften Handtuch zurück und gab es Tommi. „Danke.“ Er ging ins Bad und betrachtete sich im Spiegel. Oh Mann, er sah scheiße aus! Schnell wandte er sich ab, zog seine Klamotten aus und betrat die Duschkabine. Während das kühle Wasser auf ihn niederprasselte, musste er noch mal an seine bescheuerten Ängste von vorhin denken. Warum war er sich so sicher gewesen, dass irgendetwas passiert war zwischen ihm und Vellu? Das war doch völlig abwegig, auch wenn sie beide betrunken gewesen waren. Die Idee an sich war eigentlich zum totlachen, so wie Vellu es getan hatte, aber trotzdem war er total beunruhigt gewesen. Und war es jetzt auch noch irgendwie.

***
Nachdem Vellu in der Küche alles weggeräumt hatte, saß er auf dem Sofa und zappte durch die Sender. Warum er bei Tommis Worten so hatte lachen müssen, wusste er selber nicht genau. Aber sein Trainer hatte echt besorgt gewirkt und Vellu konnte sich schon vorstellen, in welche Richtung seine Befürchtungen gegangen waren. Oh Mann, wie kam er denn auf so was? Außerdem wäre Vellu doch dann nie im Leben so normal mit ihm umgegangen, wie er das heute Morgen getan hatte.
Seine Gedanken wurden unterbrochen durch den Klingelton eines Handys, das nicht sein eigenes war. Er schaute neben sich auf das Sofa, wo Tommis Handy lag. Entweder war es Tommi aus der Tasche gerutscht oder er hatte es absichtlich dort hingelegt, damit Vellu abnahm. Sollte er drangehen? Er nahm sich das Handy und schaute auf den Display. Miia. Kurzentschlossen nahm Vellu den Anruf entgegen. „Hallo?“ „Wer ist da?“, fragte sie verwirrt. „Veli-Matti Lindström. Tommi duscht gerade.“ „Achso.“ „Soll ich ihm was ausrichten?“ „Ja, kannst du machen, stimmt. Mein Wettbewerb geht noch bis morgen. Danach fahre ich aber direkt zu einem Shooting. Sag ihm, dass ich erst übermorgen gegen Mittag wieder da bin.“ „Okay mach ich. Soll er noch mal zurückrufen?“ „Ja, das wäre schön… wobei, nein, ich hab jetzt eigentlich keine Zeit mehr, ich muss gleich wieder los.“ „Achso gut, dann noch viel Glück.“ „Danke schön“, antwortete sie, angenehm überrascht. „Also dann, tschüss.“ „Tschüss.“
Er legte das Handy wieder neben sich. Tommi würde also mal ein bisschen Zeit ohne sie haben, nachdem was er gestern gesagt hatte, würde ihn das sicher freuen. Vellu musste grinsen – sie passten so überhaupt nicht zusammen. Klar, Miia war eigentlich gar nicht mal so übel, sie sah natürlich richtig gut aus. Er hätte nie gedacht, dass Tommi mal mit einem Model zusammen sein würde. Aber er konnte sich vorstellen, dass sie manchmal ganz schön nervig war. Mona war da viel besser gewesen, gerade von ihrer Art. Sie war nicht so total pienzig sondern viel cooler. Nein, er wollte jetzt nicht an sie denken. Das machte ihn nur wieder traurig. Wenn er Mico das nächste Mal sehen würde… Er ballte die Faust.
„Veli!“, hörte er da Tommis Stimme. Dieser war inzwischen fertig mit duschen, hatte aber leider nichts Frisches zum Anziehen, schließlich hatte er nicht damit gerechnet, hier zu übernachten. Nur mit einem Handtuch, das er um die Hüfte gebunden hatte, kam er ins Wohnzimmer. Vellu schaute auf. Irgendwie fiel ihm zu allererst auf, dass Miia eigentlich übertrieb. Er fand nicht, dass Tommi unbedingt eine Diät nötig hatte. Er war jetzt nicht total durchtrainiert, aber er war ja auch kein Leistungssportler mehr. „Sag mal, hast du vielleicht was zum Anziehen für mich?“ Tommi kam sich ein bisschen blöd vor. Er fragte den jüngeren, kleineren und schlankeren Vellu nach Klamotten für sich. Hatte er überhaupt etwas, das ihm passen würde? Der andere musste grinsen und stand dann auf. „Ich guck mal, komm mit!“
Sie gingen ins Schlafzimmer. Da war Tommi bis jetzt noch nicht drin gewesen und er fand, dass es eigentlich ganz gemütlich aussah. Die langen Vorhänge hielten die Sonnenstrahlen gut ab, machten das Zimmer aber auch nicht zu dunkel. Außerdem gefiel ihm der große, alte Kleiderschrank, auf den Vellu jetzt zuging. „Du kannst ja einfach mal durchschauen“, sagte er und trat einen Schritt zur Seite, damit Tommi einen Blick in den Schrank werfen konnte. „Welche Sachen kann ich denn nehmen?“ „Such dir einfach irgendwas aus.“ Hmm, seine Hose konnte er eigentlich auch wieder anziehen. Aber ein neues T-Shirt wär’ ganz gut.
Schließlich entschied er sich für ein weites rotes T-Shirt mit irgendeiner Aufschrift. Das passte ihm dann auch. „Okay, brauchst du sonst noch etwas?“, fragte Vellu, der sich inzwischen auf seine Bettkante gesetzt hatte, ihn. „Nein danke, das geht schon. Aber danke für das T-Shirt.“ „Kein Problem“, antwortete Vellu lächelnd. Tommi ging wieder ins Bad zurück und zog dann seine Hose an. Er schaute an sich herunter. Er trug also Vellus T-Shirt. An dem Skispringer sah es bestimmt besser aus als an ihm. Er schnupperte kurz am Ärmel, aber das Shirt roch nach nichts.

Als er wieder raus kam, fand er Vellu wieder im Wohnzimmer vor dem Fernseher. Er setzte sich dazu, allerdings auf den Sessel. „Ach übrigens“, erinnerte Veli sich wieder. „Miia hat angerufen.“ „Oh“, antwortete Tommi. Wann wollte sie noch mal zurückkommen? Er wusste es nicht mehr. „Sie kommt erst übermorgen zurück, so gegen Mittag“, richtete Vellu aus und Tommi stellte sich unwillkürlich die Frage, ob Vellu Gedanken lesen konnte. „Außerdem musst du sie nicht zurückrufen“, meinte er der andere grinsend. „Alles klar, okay“, sagte Tommi nickend. „Danke, dass du rangegangen bist.“ „Ja ist doch klar. So musstest du nicht rangehen, he?“, sagte er grinsend. „Hm“, sagte Tommi nachdenklich. Dann schaute er Vellu ein bisschen zerstreut an. „He, so ist das auch nicht. Ich dachte nur, ich hätte den Anruf verpasst und dann hätte ich nicht gewusst, wann sie zurückkommt.“ „Aha“, sagte Vellu, nicht gerade überzeugt. Er musterte Tommi prüfend. Der Trainer schien mit Miia nicht gerade glücklich zu sein, das war zumindest der Eindruck, den er machte. Aber er wollte nicht länger darauf herumhacken. „Und, was machst du heute noch so?“, fragte er stattdessen. Tommi hatte überlegt, ob Veli Recht gehabt hatte, aber bei dessen Frage jetzt fiel ihm wieder ein, was Matti gesagt hatte. „Ich kann noch ein bisschen hier bleiben, wenn du nichts dagegen hast.“ „Du musst dich nicht um mich kümmern, wenn du nicht willst. Also ich hab kein Problem damit, wenn du lieber was anderes machen willst.“ Was sollte er denn machen? Zu hause wartete niemand auf ihn, außer vielleicht die Hausarbeit, und Pläne hatte er für heute nicht. „Würde es dir denn helfen, wenn ich noch bleibe? Ich hab echt nichts anderes vor, das geht schon.“ „Ja“, antwortete Veli leise. Es gab ihm echt ein besseres Gefühl. Erst Matti, der einfach von Kuopio hier her nach Lahti gekommen war, um ihm zu helfen und jetzt sein Trainer, der einfach seine Zeit für ihn opfern wollte. „Danke Tommi.“

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 Betreff des Beitrags: Re: Was ist denn jetzt los?
BeitragVerfasst: Do 31. Jul 2008, 19:45 
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Während auch Vellu duschte, besah Tommi sich die Küche und den Kühlschrank. Matti hatte Recht gehabt, Vellu hatte echt nichts, nicht nur was den Alkohol betraf. Auf eine 5-Minuten-Terrine als Mittagessen später hatte er keine Lust. Tommi wunderte sich ein bisschen, dass er keinen Kater hatte. Zwar war er ein bisschen verspannt vom Schlafen auf dem Sofa, doch weder Kopfschmerzen noch Übelkeit quälten ihn. Nein, er konnte sogar ohne Probleme an Essen denken. Deshalb war ihm klar: wenn sie später etwas Vernünftiges essen wollten, würden sie Einkaufen gehen müssen!
Unschlüssig, was er tun sollte, ging Tommi wieder ins Wohnzimmer. Erst jetzt sah er, dass neben der Fernbedienung und der Fernsehzeitung auch ein Buch mit Lesezeichen auf dem Couchtisch lag. Verblendung von Stieg Larsson. Stimmt, Vellu konnte ja ziemlich gut Schwedisch sprechen. Aber dass er deshalb gleich ein schwedisches Buch las? Dass er überhaupt las, erstaunte Tommi. Er hatte langsam das Gefühl, einen ganz anderen Vellu kennen zu lernen, als er glaubte bisher gekannt zu haben.
In diesem Moment betrat Veli-Matti in einem braunen T-Shirt und einer Jeans das Wohnzimmer. Natürlich trug er auch wieder die obligatorische Kette, die er offenbar sehr cool fand. Tommi musste schmunzeln, als er sie sah. In seinen Augen sah sie ziemlich bescheuert aus, aber wenn sie Vellu gefiel…
Dieser sah das Buch in Tommis Händen. „Das solltest du mal lesen, das ist echt geil.“ „ich wusste gar nicht, dass du liest.“ Vellu setzte sich neben Tommi aufs Sofa. „Ich komm nicht so oft dazu, aber wenn ich ein gutes Buch lese, fällt es mir schwer, es einfach mal wegzulegen. So wie bei dem da.“ Tommi lächelte. Manchmal ging es ihm auch so. Er legte das Buch wieder zurück auf den Tisch. Irgendwie saß Vellu ganz schön nah an ihm. Er wusste auch nicht, aber das machte ihn ein bisschen nervös. Tommi räusperte sich kurz und sagte dann: „Ach Vellu, wir sollten übrigens mal Einkaufen gehen, deine Vorräte lassen zu wünschen übrig.“ Der andere wirkte ein wenig überrascht: „Oh, gut zu wissen. Wenn du das sagst, dann sollten wir das wirklich tun…“

„Was wollen wir denn essen?“, fragte Vellu, der den Einkaufswagen vor sich her schob. „Was hältst du von Steaks?“ „Oh ja, das ist eine gute Idee!“ Sie gingen zur Fleischtheke und suchten sich zwei schon gewürzte Steaks aus. „Aber wir sollten nicht nur für heute einkaufen, Vellu.“ „Hmm, du hast Recht. Für die nächsten Tage hab ich ja auch nichts.“
Nachdem sie Essen für die nächsten drei Tage in ihrem Einkaufswagen hatten, nahmen sie auch gleich noch ein paar Flaschen Alkohol mit. „Komm, wir kaufen auch Eis“, schlug Tommi vor. „Ja, weil Miia es ja jetzt nicht mitbekommt, oder?“, ärgerte Vellu ihn grinsend. Das war es eigentlich gar nicht, er hatte einfach Appetit auf Eis, aber er musste zugeben, dass es sehr viel einfacher war, mit Vellu Einkaufen zu gehen als mit Miia. „Aber ich bin auch dafür“, fügte Vellu noch hinzu und öffnete die Tiefkühltruhe. „Such du es dir aus!“, sagte er zu Tommi. Schließlich war es auch dessen Idee gewesen. Also stellte Tommi eine Packung Schokoeis in den Wagen. Dann waren sie fertig und luden alles auf das Kassenband. Tommi zückte sein Portemonnaie und bezahlte alles. „He!“, protestierte Vellu als sie den Einkaufswagen Richtung Ausgang schoben. „Das sind doch meine Sachen, also sollte ich sie auch bezahlen!“ „Ich esse doch auch davon, außerdem habe ich dich doch zu den meisten Sachen überredet. Du hättest allein nie soviel gekauft!“ Und er hatte Vellu das alles bezahlen wollen. Das war eigentlich der Hauptgrund dafür, dass er es gemacht hatte. Er tat genau das, was Matti ihm gesagt hatte: er kümmerte sich um Vellu. Deshalb waren sie auch mit seinem Auto hergefahren. Das hatte sowieso mehr Stauraum als Vellus Kleinwagen.

Dummer weise hatte das Haus, in dem Vellu wohnte, keinen Aufzug und so mussten sie die gesamten Einkäufe die Treppe hoch schleppen.
„Meine Küche platzt aus allen Nähten!“, lachte Vellu als sie schließlich alles hochgebracht hatten.
Sie hatten gerade noch mal Glück gehabt. Schon früh hatte sich der Himmel verzogen, aber sie hatten es noch im Trockenen nach Hause geschafft. Jetzt sahen sie durchs Fenster die ersten Regentropfen herunterkommen. Dann begann Tommi damit, die Steaks in der Pfanne zu braten. Währenddessen saß Vellu am Küchentisch und sah ihm zu. Er fühlte sich ein wenig überflüssig, denn als Beilage hatten sie einen Fertigkartoffelsalat gekauft, Vellu hatte also nichts zu tun. Doch Tommi schien das Spaß zu machen und so sagte er nichts. Er war ziemlich positiv überrascht von seinem Trainer. Er hatte ihn bis jetzt nicht unbedingt so nett gefunden. Dass er einfach so gemütlich Zeit mit ihm verbringen würde, hätte er vorher nie gedacht, aber es machte Spaß. Dass er einfach alles bezahlt hatte, war ihm zwar unangenehm gewesen, aber sie hatten echt eine Menge Geld ausgegeben.

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BeitragVerfasst: So 3. Aug 2008, 20:35 
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Kurze Zeit später saßen sie gemeinsam in Vellus Küche am Tisch und aßen ihre Steaks.
„Du Tommi, was mir gerade eingefallen ist, dass wir Jussi vielleicht mal ne Karte schreiben könnten, wegen dem Baby. Wir sehen ihn ja erst in zwei Wochen.“
„Oh ja, das ist eine gute Idee“, antwortete Tommi überrascht. An so etwas hatte er gar nicht gedacht. „Ja, das würde ihn bestimmt freuen. Ich wollte später sowieso noch mal schnell bei mir Zuhause vorbei fahren, da kann ich auch noch eine Karte besorgen.“
„Ich komm’ mit“, erklärte Vellu kurzentschlossen und Tommi wusste selber nicht genau, warum er sich darüber freute.

Herzlichen Glückwunsch zur Geburt, Hurra, ein Baby!, die sind doch alle langweilig“, seufzte Vellu, als sie die Karten durchgingen, die sich auf Geburten bezogen. „Etwas Lustiges oder Schönes sollte es sein, finde ich.“ Tommi sagte nichts dazu. Er stand nur ratlos dabei, denn er hatte überhaupt keine Ahnung, welche Karte gut ankommen würde oder welche ihm gefiel. Deshalb schrieb er auch nie Geburtstagskarten, mit so was fühlte er sich einfach überfordert. Vellu dagegen schien sich sehr dafür begeistern zu können und war sehr kritisch bei der Auswahl. Tommi musterte ihn. Man konnte seinem Gesichtsausdruck entnehmen, dass er enttäuscht war, dass nicht die passende Karte dabei war, aber gleichzeitig war auch etwas Fröhliches dabei. „Was hältst du von der hier?“, fragte Vellu und hielt ihm eine Karte entgegen, die ein Storchenmotiv hatte und dazu den Spruch: Tadaa, der Storch war da!
Doch der Trainer bekam Vellus Frage gar nicht wirklich mit, er war immer noch auf dessen Gesicht konzentriert. Ohne es zu merken, war er einfach in eine Betrachtung von Vellu übergangen, ließ seinen Blick von dessen leichtem Lächeln über die Wangen bis hoch zu den blauen Augen wandern – die ihn anschauten. „Tommi! Hallo!“ Tommi wich blinzelnd ein Stück zurück. „Sorry, ich hab gerade…“ Ja, was hatte er gerade? Ihn angeschaut? Ja, schon. Aber warum? „Hast du keine Meinung?“, fragte Vellu jetzt leicht genervt, weil Tommi nicht antwortete. „Äh, doch. Die ist doch ganz süß…“, sagte Tommi verwirrt. Süß, ja das war er. Äh, was? Was dachte er da? „Tommi, was ist eigentlich mit dir los?“ Vellu betrachtete ihn kritisch. Er konnte mit dessen Verhalten gerade nichts anfangen. „Ich… ich äh, ich hab keine Ahnung“, antwortete er langsam. Er fühlte sich ganz komisch. „Keine Ahnung von solchen Karten und so was“, schob er nach. „Hmm, achso“, sagte Vellu, ohne es ihm wirklich abzunehmen. Er fand Tommis Reaktion mehr als komisch. „Na gut, dann nehmen wir die“, sagte er, nicht mehr ganz so bei der Sache wie vorher. Er ging zur Kasse und kaufte die Karte, während Tommi im Hintergrund stehen blieb. Er war immer noch durcheinander. Was war mit ihm los? So kannte er sich gar nicht. Wieso hatte er gedacht, dass Vellu süß war? Wie kam er überhaupt auf so was?
Sie saßen wieder im Auto und schwiegen, während Tommi in die Richtung seines Hauses fuhr. Er warf einen Seitenblick auf Vellu, wie dieser ohne Regung aus dem Fenster schaute. Doch, er musste es zugeben, er war süß.
Schnell richtete er seinen Blick wieder auf die Straße. „Hör auf, dir irgendetwas einzureden, Tommi!“, befahl er sich selber in Gedanken.
Sie schwiegen bis sie bei Tommi angekommen waren. „Willst du mit rein kommen?“, fragte er Vellu. Aber der winkte ab. „Ach nee, muss ich nicht, hol du deine Sachen, ich warte solange im Auto.“ Er hätte nicht gewusst, was er bei Tommi im Haus machen sollte. So würde er blöd im Auto rumsitzen anstelle blöd im Haus rumzustehen.
„Okay, ich beeil mich“, sagte Tommi und ging nach drinnen.
Als er weg war, kam Veli allerdings eine Idee. „Fuck!“, sagte er und stieg aus. Zum Glück hatte Tommi die Haustür offen gelassen und so konnte er einfach eintreten. Sein Blick viel auf die beiden Schuhschränke, die vor Damenschuhen nur so platzten und er musste grinsen. Er ging weiter rein und ihm fiel auf, dass er noch nie hier gewesen war. Das wunderte ihn, aber doch es stimmte, dieses Haus war ihm unbekannt.
„Vellu?“, fragte Tommi überrascht, als er ein paar Klamotten in der Hand die Treppe runter kam und den anderen unten stehen sah. „Ich dachte mir, wir schreiben hier schon mal die Karte, dann können wir sie direkt in einen Briefkasten werfen und müssen nicht noch mal extra los“, erklärte dieser.
Tommi lächelte. Vellu dachte wirklich mit, im Gegensatz zu ihm selbst.

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BeitragVerfasst: Do 21. Aug 2008, 23:14 
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Sie setzten ihre Unterschrift unter den kurzen Text, den Vellu verfasst hatte. Dann standen sie zeitgleich auf. „Jetzt brauchen wir nur noch Jussis Adresse“, sagte Vellu. Nach kurzem Überlegen antwortete Tommi: „Damit kann ich dienen“, und ging rüber zur Wand, wo ein Regal stand, das Veli noch gar nicht wirklich bemerkt hatte. Es war etwa zur Hälfte mit Büchern gefüllt, aber eben nicht nur. Denn was Tommi anvisierte war eine Reihe von Ordnern, die nebeneinander in einem Regalfach standen und Vellus Interesse weckten. Deshalb ging er jetzt ebenfalls herüber und stellte sich hinter seinen Trainer. Bevor dieser einen der Ordner herausziehen konnte, hatte Vellu schon die Rückenbeschriftungen überflogen. Saison 05/06, Saison 06/07, Saison 07/08… Er musste lachen. „Du hast zu jeder Saison einen Ordner angelegt? Man bist du ordentlich!“ „Irgendwie muss ich ja den Überblick wahren“, erklärte Tommi, ein bisschen verlegen. Dann zog er jedoch den Ordner der neuen Saison heraus. Er wollte zurück zum Sofa gehen, doch Vellu stand ihm im Weg. Er betrachtete immer noch das Regal. Dann zog er aus einem der oberen Fächer ein etwas dickeres Buch mit der Aufschrift ältere Fotos hervor. Tommi warf ihm einen beunruhigten Blick zu. Vellu wollte sich doch jetzt nicht etwa seine Kinderfotos ansehen? Doch, er wollte. Grinsend schlug Veli-Matti das Fotoalbum auf. Das erste Bild zeigte ein kleines Baby, mit nur sehr wenigen Haaren auf dem Kopf, das friedlich schlafend in seiner Wiege lag. „Och, das ist aber süß“, sagte Vellu und er sah Tommi lächelnd an. „Bist du das?“ Dieser nickte und ging dann etwas bedröppelt zum Sofa. Er wusste, dass es jetzt nichts mehr bringen würde zu protestieren. Vellu folgte ihm, das Album noch in der Hand, und setzte sich neben ihn. Die nächste Seite zeigte weitere Fotos von Tommi vor ungefähr 33 Jahren. „Ich hab gar keine Babyfotos von mir“, sagte Vellu und aus seiner Stimmer konnte man ein leichtes Bedauern raushören. „Die sind alle bei meinen Eltern.“ „War bei mir genauso“, antwortete Tommi, mit leicht tröstendem Tonfall. „Aber irgendwann hat mir meine Mutter dieses Album geschenkt mit ein paar meiner Fotos aus der Kinderzeit.“ Das war eigentlich ein schönes Geschenk gewesen, immerhin war es voller Erinnerungen. Na gut, an die ersten 3 Jahre seines Lebens hatte er praktisch keine Erinnerungen, aber interessant waren sie trotzdem. „Hmm, wie wohl Jussis Tochter aussieht?“, fragte Vellu in Gedanken versunken. Das Baby auf dem Foto hatte ihn wieder an die gute Neuigkeit seines Teamkameraden erinnert. Der Teamkamerad, der nur vier Jahre älter war als er selbst. Zwar wollte Vellu auch mal Kinder haben, aber noch fühlte er sich viel zu jung dafür. „Hm“, gab Tommi als Antwort. Er hatte seinen Ordner immer noch nicht aufgeschlagen, sondern schaute ebenfalls auf die Fotos. Es kam ihm irgendwie unwirklich vor, dass er das sein sollte. Vellu blätterte weiter und musste lachen, als der etwa 3jährige Tommi ihm auf einem Bild frech die Zunge rausstreckte. „Du warst aber echt ein süßes Kind, Tommi“, prustete Veli, meinte es aber ernst. Der Angesprochene wurde rot, ein bisschen peinlich waren ihm die Bilder dann doch, obwohl er sie eigentlich auch ganz niedlich fand. Zumindest das darüber mit 2 Jahren, wo ganz ängstlich in die Kamera schaute. Zwei totale Gegensätze die Fotos. Auf der anderen Seite gefiel es ihm, dass Vellu ihn als süßes Kind bezeichnete. Komplimente bekam man schließlich immer gern. Wie Veli wohl als Kind ausgesehen hatte? Bestimmt war er ein viel süßeres Baby gewesen, kam es Tommi in den Kopf. Doch dieser Gedanke war ihm unangenehm, also erinnerte er sich wieder, weshalb der Ordner auf seinen Knien lag und schlug ihn auf. Vellu unterbrach ihn dann allerdings relativ plötzlich: „Willst du eigentlich mal Kinder haben?“, fragte er jetzt in einem ernsteren und auch neugierigen Tonfall. „Äähhh…“ Tommi fühlte sich mit der Frage etwas überrumpelt. Nicht wegen dem Thema an sich, das hatte er sich schon öfters selbst gefragt, sondern weil es so plötzlich kam und er sich außerdem nicht sicher war, welche Antwort Vellu erwartete. „Ja, irgendwann schon“, entschied er sich für die Wahrheit. „Irgendwann?“, hakte Vellu nach. „Im Moment noch nicht. Dazu fühle ich mich noch nicht bereit.“ Vellu nickte mit verständnisvoller Miene, woraus Tommi schloss, dass es ihm ähnlich ging. Der Skispringer war allerdings auch 10 Jahre jünger. „Auch wenn ich weiß, dass es eigentlich bald mal Zeit wäre…“, fügte er deshalb noch hinzu. „Quatsch!“, widersprach Veli-Matti energisch. „Es geht doch nicht einfach ums Alter, sondern darum, dass man das Gefühl hat, dass man sich jetzt um ein Kind kümmern kann und will. Sonst ist das doch sinnlos. Wenn du dich noch nicht bereit dazu fühlst, bist du es auch nicht.“ Seine klare Antwort überraschte ihn selbst ein bisschen. Doch genau so sah er es. Es kam darauf an, dass man ein guter Vater für das Kind war und nicht darauf, dass man ein bestimmtes Alter noch nicht überschritten hatte. „Aber glaubst du nicht, dass ich bald zu alt dafür bin?“, fragte Tommi vorsichtig. Das hatte er sich schon oft gefragt. „Wieso denn? Wie alt bist du noch mal? Komm, es gibt irgendwelche Hollywoodtypen, die werden mit 60 noch Väter. Da hast du a noch massig Zeit!“
Okay, der Vergleich hinkte ein bisschen, aber ein bisschen zuversichtlicher stimmte es ihn schon.

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BeitragVerfasst: So 21. Sep 2008, 15:56 
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Schließlich hatte sich auch Tommi nicht mehr ablenken lassen und die Adresse von Jussi relativ schnell gefunden. Er beschriftete den Briefumschlag während Vellu das Fotoalbum dorthin zurückbrachte, wo es hingehörte. Er hatte es sich nicht nehmen lassen, auch die Fotos zu betrachten, auf denen Tommi schon älter gewesen war, erst die Einschulung, dann irgendwelche Geburtstage und ähnliches, bis hin zu seiner Konfirmation und noch wenigen Ereignissen, die danach gekommen waren. Eigentlich hatte Vellu damit einen groben Überblick über Tommis Kindheit gewonnen. Was er wohl davon hielt? Manchmal hatte er einen lustigen Kommentar abgegeben, aber er hatte sich nicht darüber lustig gemacht. Warum machte ihm Vellus Meinung eigentlich so viel aus? Natürlich interessierte es ihn, was andere von ihm hielten oder über ihn dachten, aber bei Vellu schien es ihm extrem wichtig zu sein. Oder? Das war doch bescheuert! Außerdem führte es zu nichts. Schnell wandte sich Tommi
wieder wichtigeren Dingen zu. Durch seinen Ordner war es ihm wieder eingefallen. Und sie mussten jetzt endlich drüber reden. Es zu verdrängen half nichts, auch wenn sie es bis jetzt gut geschafft hatten.
„Vellu“, sagte er mit leichtem Bedauern in der Stimme und er legte die Karte beiseite. Er hatte wirklich keine Lust dazu, aber es musste sein. Der Angesprochene kam mit fragendem Blick auf ihn zu und blieb dann an der anderen Seite des Esszimmertisches stehen. „Wir müssen noch etwas bereden“, fuhr Tommi fort. Veli-Mattis Augen zogen sich zusammen. „Wegen der Operation.“ Das war es, dieses schreckliche Wort. „Muss das sein? Ich hatte es fast vergessen.“ „Ich weiß, dass es für dich nicht gerade schön ist, Vellu. Auch ich hätte es gerne ganz anders. Aber ich kann die Situation leider auch nicht ändern. Du musst der Tatsache ins Auge blicken.“ Vellu schaute zu Boden. Er wusste, dass sein Trainer Recht hatte. Er wusste auch, dass er sich gerade wie ein Kind benahm. Aber in solchen Situationen wäre er gerne wieder ein Kind. Dann könnte er sich verstecken vor der Wahrheit, wegrennen oder sich störrisch dagegen stellen. Und er müsste nicht vernünftig und rational handeln, wie es jetzt von ihm erwartet wurde. Doch es nutzte nichts. Jetzt war er in dieser Lage. Mutlos hob er den Kopf. „Okay“, murmelte er. Tommi hatte ihn die ganze Zeit beobachtet. Er lächelte leicht, als Vellu sich doch entschied, den Schritt zu machen. „Okay“, antwortete er ruhig. „Du sollst schließlich auf jeden Fall den Operationstermin wissen, denn lange dauert es nicht mehr. Am 4. Juni.“ Das war in etwas mehr als einer Woche. Vellu musste schlucken. „Sei froh, dass es so früh ist, dann kannst du schneller wieder einsteigen. 2 Wochen danach solltest du das Bein dann erstmal ruhen lassen, dann kannst du mit der Reha beginnen“, breitete Tommi den Zeitplan aus. Veli-Mattis Gesichtsausdruck war wieder ein wenig zuversichtlicher geworden, wahrscheinlich hatte er mit einer längeren Pause gerechnet. „Du wirst auf jeden Fall genug Zeit haben, um dich auf die kommende Saison vorzubereiten. Zwar kannst du dann am Sommer-Grandprix nicht teilnehmen, aber solange du dann im Winter fit bist, ist das ja egal. Du siehst also – so schlimm ist es nicht. Du wirst das schon hinkriegen.“ Hoffentlich ging seine Rechnung auch auf, doch ein bisschen Optimismus hatte noch nie geschadet.

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BeitragVerfasst: Mo 8. Dez 2008, 21:28 
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Es war inzwischen später Nachmittag geworden. Vellu und Tommi waren wieder zurück zu Vellus Wohnung gefahren, wo sie sich überlegten, was sie am Abend machen könnten. Dabei löffelten sie ihr Schokoladeneis, das sie vorhin gekauft hatten. „Also ich wär’ für Kino“, erklärte Vellu, der sich in den Sessel gefläzt hatte. „Ja klar, können wir machen“, antwortete Tommi, dem auffiel, dass sich der Skispringer mit Filmen wohl am besten ablenken ließ.
„Außerdem ist doch Fluch der Karibik 3 gerade rausgekommen. Den wollte ich sowieso sehen.“

„Wir hätten kein Eis essen sollen“, klagte Vellu. „Wieso, Bauchschmerzen?“, fragte Tommi ihn besorgt als sie gerade ihre Karten gekauft hatten und durch den Vorraum des Kinos gingen. „Nein, aber jetzt krieg ich kein Popcorn mehr rein und Kino ohne Popcorn…“
So machten sich die beiden also ohne Popcorn auf zum Kinosaal und machten schnell ihre Plätze ausfindig. Da für unter der Woche ziemlich viel los war, hatten sie nicht die allerbesten bekommen, sondern saßen etwas weiter rechts. „So, dann bin ich mal gespannt…“, sagte Vellu und fläzte sich in seinen Sitz. Tommi setzte sich etwas steifer neben ihn. Sie hatten noch Zeit bis überhaupt die Werbung anfangen würde. „Schon ganz schön lange her, dass ich das letzte Mal im Kino war…“, murmelte Tommi. „Hmhm“, antwortete Vellu nur. Er war offenbar nicht an Konversation interessiert. Der Trainer schaute sich daher ein bisschen im Kinosaal um, konnte aber niemanden entdecken, den er kannte, und er war irgendwie froh darüber. Er warf noch mal einen Blick auf Veli-Matti neben sich, der sich schläfrig an die Rücklehne lehnte. Er hasste solche Situationen, in denen man sich anschwieg. Aber gut, Vellu wollte ja offenbar nicht reden, da konnte er auch nichts dran ändern. Er konzentrierte sich auf die Musik, die leise im Hintergrund lief, stellte aber nur fest, dass sie ihm nicht gefiel.
Was jetzt also? Tommi schloss die Augen, aber er konnte sich nicht wirklich entspannen. Er war nicht müde, aber eigentlich wollte er ja auch nicht schlafen. Schließlich war er hier im Kino und hatte dafür auch die Karten bezahlt! Er wäre doch schön blöd, wenn er hier jetzt einschlafen würde. Also öffnete er die Augen wieder und schaute auf Vellu neben sich, der nicht wirklich wach aussah. War es nicht eigentlich seine Idee gewesen mit dem Kino? Wie konnte er jetzt einfach einschlafen? Okay, sie hatten ein bisschen viel Alkohol getrunken gestern Abend, aber im Gegensatz zu ihm selbst war Vellu doch noch jung! Der musste das doch viel besser aushalten. Tommi hatte sich gerade dazu entschieden, Veli-Matti mit einem Rütteln wieder aufzuwecken, als er seine Meinung doch wieder änderte. Er wusste ja nicht mit Sicherheit, dass Vellu schlief. Nur weil er die Augen geschlossen hatte, musste es das nicht gleich bedeuten. Und wenn er ihn dann aufrütteln würde, wäre dieser sicher nicht besonders begeistert. Mit einem Seufzen ließ sich Tommi wieder in seinen Sessel sinken. In dem Moment kamen mehrere Leute in den noch nicht vollbesetzten Kinosaal. Es waren nicht nur Teenies darunter sondern auch einige Erwachsene. Eine unter ihnen kannte er sogar, es war Maya, eine alte Bekannte aus der Uni. Er wollte ihr erst grüßend zulächeln, doch sie sah ihn nicht, sondern bahnte sich stattdessen mit ihrem Begleiter einen Weg durch eine Reihe etwas weiter vorne. Tommi fragte sich, ob das immer noch Saku war, mit dem sie damals zusammen gewesen war, als sie sich noch besser kannten. Aber so richtig vorstellen konnte er es sich nicht. Er fragte sich, was sie wohl gedacht hätte, wenn sie ihn denn gesehen und erkannt hätte. Vielleicht wusste sie ja, dass er der Trainer der Skisprungmannschaft war. Bestimmt sogar, so unbekannt war Tommi schließlich nicht. Vielleicht hätte sie dann auch Vellu erkannt. Ob es sie gewundert hätte, dass nur sie beide im Kino waren? Warum hätte es sie überhaupt wundern sollen? Ihm fielen wieder seine Ängste vom Morgen ein. Es war zum Verzweifeln: Hatte sich einmal solch ein Gedanke im Kopf festgesetzt, dann wurde man ihn so schnell nicht los. Dabei war doch wirklich nichts gewesen. Er sollte diese blöde Sache einfach vergessen, denn es war nur peinlich, sonst nichts. Und peinliche Situationen wie sein Gespräch mit Veli-Matti vorhin vergaß man wirklich besser, sonst fühlte man sich dauernd schlecht. Er hatte Glück, denn genau in diesem Moment öffnete sich der Vorhang und die Werbung begann.

Irgendwie hatte Tommi den Überblick verloren. Die Filmhandlung war ziemlich verwirrend und wirklich konzentrieren konnte er sich auch nicht. Denn er fragte sich immer wieder, welchen Eindruck er auf Vellu machte. Er hasste diese Eigenschaft von sich. Dass ihm die Meinung von anderen so wichtig war. Er traute sich gerade noch nicht mal, bei einer lustigen Szene zu lachen, weil es albern wirken konnte. Zu ernst wollte er aber auch nicht rüberkommen. Warum konnte er sich nicht einfach entspannen? So cool war Vellu auch wieder nicht, dass seine Meinung so wichtig war. Und überhaupt, sollte er sich nicht dauernd von ihm beeinflussen lassen sondern einfach so sein, wie er wirklich war. Aber damit hatte er schon immer Probleme gehabt. Wenigstens hatte sich sein Selbstbewusstsein inzwischen verbessert. Früher hatte er regelrecht Minderwertigkeitskomplexe gehabt. Tommi war froh, dass das inzwischen vorbei war. Doch wenn er Pech hatte, waren die alten Selbstzweifel dabei zurück zu kommen. Denn so unsicher wie im Moment hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt.

Zum Glück hatte der Film eine Pause. Vielleicht würde ihm Veli ja die Handlung erklären können. Wobei, er würde ihn lieber nicht fragen, Vellu würde ihn ja für den größten Idioten halten, wenn er nicht mal die Handlung von Fluch der Karibik verstand.
„Ich geh mal aufs Klo“, meldete sich Veli-Matti neben ihm und Tommi entschied sich dazu, mitzukommen.

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BeitragVerfasst: So 1. Mär 2009, 10:34 
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Während sie sich ihren Weg nach draußen bahnten, richtete sich Vellu fragend an Tommi. „Hast du das verstanden? Wer jetzt auf welcher Seite ist und warum hält er die Elizabeth jetzt für Calypso? Ich hab irgendwie komplett den Überblick verloren…“ Diese Absurdität der Situation brachte Tommi fast zum Lachen – er machte sich Sorgen, dass Veli-Matti ihn für dumm halten könnte, dabei verstand der den Film selber nicht.
„Ich hab’s selber nicht wirklich verstanden“, antwortete er dann wahrheitsgemäß. „Och Mann, ich hatte gehofft du könntest es mir erklären“, sagte Vellu in etwas enttäuschtem Ton. „Ja, das hab’ ich auch gehofft“, erwiderte Tommi und konnte sich ein Grinsen jetzt nicht mehr verkneifen. „Sind wir die einzigen, di zu doof sind um diesen Film zu kapieren?“ Auch Vellu grinste jetzt. „Nur wenn wir mit lauter Intelligenzbestien im Kino sitzen, aber da ich Lahti und seine Bevölkerung kenne, bestreite ich das jetzt einfach mal.“
Vellu lachte auf und öffnete die Tür zur Herrentoilette. Es war noch nicht voll dort drin, denn ihr Kinosaal war der einzige, der gerade eine Pause hatte und sie hatten zu den ersten gehört, die nach draußen gegangen waren. Deshalb mussten sie nur kurz warten und dann waren gleich zwei Pissoirs nebeneinander frei.
Oh Gott, jetzt kam sie, die Vergleichssituation. Er hasste das, seit er damals in der Grundschule von Pekka Kauhalä verprügelt worden war, weil seiner etwas kleiner gewesen war. Sonst musste man sich, wenn einen das Thema interessierte, auf die Aussage des Gegenübers verlassen doch zwei Männer am Pissoir – das war der Moment der Wahrheit.
Nachdem er seinen Reißverschluss aufgemacht und sich so nah wie möglich an das Becken gestellt hatte, konnte er sich einen kurzen Blick nach links nicht verkneifen.
Und wie nicht anders erwartet, verlor er.

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