1. Es taut.
Anssi stand am Fenster und schaute auf den Garten, der immer noch unter einer dicken Schneedecke lag hinaus. Langsam begann der Schnee zu schmelzen, was auch Zeit wurde, denn es war bereits Ende April. In Kuusamo jedoch eine normale Situation. Die letzten Schneereste blieben oftmals bis Anfang Juni liegen. „Worüber denkst du nach?“ Henna legte von hinten ihre Arme um ihren Freund. „Nichts.“ „Wieso schaust du dann so gedankenverloren hinaus?“ „Der Sommer kommt.“ „Ja, wird auch langsam Zeit. Der ganze Schnee kotzt einen aber wirklich langsam aber sicher an!“ „Naja ich mag Schnee, ist schon schade wenn er geht.“ „Ihr fahrt doch bald wieder nach Kilpisjärvi im Mai, da hast du dann noch mal genug Schnee. Und nun genieße doch mal deine Pause vor der neuen Saison! Sei doch froh, dass es auch mal keinen Schnee gibt!“ Henna verließ das Wohnzimmer und Anssi hörte, wie sie in der Küche Wasser aufsetzte und er seufzte. Sie hatte ja recht. Noch immer spürte er die anstrengende Wintersaison in seinen Knochen. „Magst du Kekse oder was anderes zum Essen haben?“, rief seine Freundin aus der Küche. Bevor er durch die Wohnung schrie, setzte sich Anssi jedoch selbst in Bewegung und blieb dann im Rahmen der Küchentür stehen. „Kekse reichen, danke.“ Er setzte sich an den Tisch und beobachtete, wie Henna in der Küche herumwuselte. Dann wechselte er seinen Blick zum Fenster. Draußen ging etwas Wind und die Bäume wiegten sacht vor sich hin. Ein paar Vögel zankten sich um was auch immer, er konnte es aus der Entfernung nicht richtig erkennen. „Du schaust ja schon wieder aus dem Fenster. Bist du dir sicher, dass nichts ist?“ „Was soll denn sein? Ich warte eben nur auf meinen Kaffee, wenn du mich schon so toll bedienst!“ Und er lies eines dieser Lächeln auf seinem Gesicht erscheinen, für den Henna ihn liebte.
„Ich geh nach dem Essen aber noch eine Runde raus rennen!“, verkündete Anssi und sie zog einen Flunsch. „Ich dachte, wir wollten was zusammen machen? Außerdem – wie willst du bei dem ganzen Schnee und Schneematsch draußen rennen?“ „Ich geh doch nur für eine Stunde mal eben raus. Auf den Wegen liegt doch kaum noch was, das ist null Problem!“ Kaum hatte Anssi seinen Kaffee ausgetrunken, klingelte es an der Tür und er sprang auf, jedoch nicht ohne sich im Gehen noch ein paar Kekse zu schnappen. Henna warf ihm einen fragenden Blick zu. „Das ist Lauri, der kommt mit Rennen.“ Ein kurzer Schmatzer und ein „Bis gleich“ folgte und schon war er aus der Wohnung verschwunden.
„Sag mal, wolltest du nicht heute was mit Henna machen?“, fragte sein Kumpel ihn als sie ein paar Meter losgetrabt waren. „Ja, mach ich dann auch noch. Wir drehen doch heute keine allzu große Runde.“ „Geht klar, ich fühl mich eh nicht so umwerfend.“ Damit war das Thema Freundin zunächst einmal weggefegt und die beiden liefen ein paar Minuten schweigend nebeneinander her. „Irgendwie bist du anders.“, warf Lauri seinem Kumpel an den Kopf. „Wie – ich bin anders?“ „Na du redest kaum ein Wort. Seit dem du wieder da bist aus Planica vor allem. Ist dort irgendwas passiert? Und vor allem – alles was irgendwie mit Henna zu tun hat schiebst du vor dir her, so wie irgendwelche Hausaufgaben damals in der Schule. Mensch das ist deine Freundin und sie kommt sich reichlich verarscht vor! Erst bist du wochenlang nicht da und dann kümmerst du dich kaum um sie.“ „Halt doch mal die Luft an. Ich bin gar nicht anders. Schon gar nicht hat Planica damit zu tun, das war nämlich verdammt endgeil dort. Aber das mit Henna verstehe ich jetzt nicht. Du hast uns doch noch gar nicht seit dem zusammen gesehen.“ Anssis Stimme hatte einen recht barschen Ton angenommen. „Nu bleib doch mal auf der Strecke, ich sag doch nur, was ich denke. Ich mach mir halt Sorgen.“ Er hatte die Stimme zum Satzende hin leicht gesenkt und schaute nun wieder starr gerade aus und konzentrierte sich auf das Laufen. Dann fing Anssi jedoch selbst an zu erzählen. „Henna passt es nicht, dass sie mich so selten sieht. Und wenn ich da bin, macht sie einen derben Aufstand, auch wenn ich nur mal eben für zwanzig Minuten das Haus verlasse.“ „Aber ich kann sie schon verstehen. Ich meine sie hält ziemlich lange ohne dich aus. Die ganze Saison über hat sie sich nie groß beschwert, oder ich habe nichts dergleichen mitbekommen.“ „Hmm du hast schon recht. Ach ich weiß doch auch nicht, was mit mir los ist. Ich bin wahrscheinlich einfach nicht mehr so frisch verliebt wie zum Beispiel vor zwei Jahren.“ „Oh.“ Mehr fiel Lauri dazu nicht mehr ein und den Rest der Laufrunde schwiegen sie sich mehr oder weniger einfach nur an und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
_________________ Es IST ernst!!! ----->>
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