"Dafür ist es jetzt auch zu spät. Ich möchte sie bitten ihre Füße aus meiner Wohnung zu nehmen und zu verschwinden!" versuchte ich mühsam freundlich herauszubringen. "Wenn sie irgendwie Hilfe brauchen. Hier ist meine Telefonnummer!" Harri reichte mir ein kleines Kärtchen mit seiner Telefonnummer. "Glauben Sie ernsthaft, das ich mich jemals an Sie wenden werde, wenn ich Probleme oder Fragen haben? Sie ticken doch nicht mehr richtig!" keifte ich ihn an. Wütend blickte ich ihm in sein Gesicht. Pure Verzweiflung machte sich bei ihm breit. Das konnte man an seinen Gesichtszügen erkennen. "Es tut mir Leid!" sagte er noch, bevor er aus der Wohnung verschwand.
"Ja, das tut es mir auch!" flüsterte ich leise, während ich die noch offen stehende Wohnungstür schloss. Stumme Tränen rannen über meine Wangen. Und schon wieder wurde ich total aus der Bahn geworfen. Der Schmerz, der schon die ganze Zeit tief in mir schlummerte, wurde immer schlimmer, unaufhörlicher und intensiver. Gedankenverloren setzte ich mich wieder auf das Sofa im Wohnzimmer. Mit meinem Blick streifte ich den Raum, bis er schließlich an einem Bild an der Wand hängen blieb. Es zeigte Vellu und mich. Seine blonden Haare glänzten fast Gold und seine tief blauen Augen wirkten so gefährlich, so lebendig. Ich schluckte hart. Ich wusste, das es am besten wäre, wenn ich alles was mich an ihn erinnerte wegpacken würde, doch ich konnte es nicht. Schon mehrmals hatte ich es versucht, doch die Sachen blieben nicht länger als einen Tag in der Kiste. Ich hatte das Gefühl, sobald ich seine Sachen wegräumte, dann würde ich ihn auch aus meinem Leben räumen, doch das wollte ich nicht. Viel zu sehr hing mein Herz an ihm. Dafür kannte ich ihn schon zu lange. Wir waren zusammen im Kindergarten, zusammen auf einer Schule und erst als es darum ging, Schule oder Ausbildung, da trennten sich unsere Wege. Vellu entschied sich dann ernsthaft an seiner Skisprungkarriere zu arbeiten. Und als ich dann endlich die Realschule beendet hatte, verbrachte ich ein Jahr auf einer Schule im Ausland. Schon damals bemerkte ich, das Vellu wohl mehr als "nur" ein Freund war. Er bedeutete mir viel und immer öfter kreisten meine Gedanken um ihn. In diesem Jahr hatten wir wenig Kontakt, da es natürlich mehr Geld kostete als ein Telefonat im eigenen Land. Dennoch hörte ich aus den wenigen Telefonaten heraus, das er auch mehr für mich empfand als Freundschaft. Als ich dann wieder zurückkam, erfuhr ich das er wohl eine Freundin hatte und erstmals in den ganzen Jahren, wusste ich wie es sich an fühlt einen Menschen zu vermissen, der direkt neben einem Stand. Er hatte sich um 180° gedreht und dennoch, ein Jahr später kamen wir dann zusammen. Und jetzt nach vier Jahren war alles vorbei? Alles nur wegen einem dämlichen Unfall? Fassungslosigkeit hatte sich wiedereinmal in mir breit gemacht. Es war doch unmöglich, das Gott einen Menschen aus dem Leben riss, den man so liebte. Dennoch hatte auch er Schuld. Meine Meinung gegenüber Harri Olli war zweigespalten. Einerseits, er tat mir Leid, immerhin war er noch jung und sicherlich hatte er es nicht mit Absicht getan, dennoch hatte ich eine riesige Wut auf ihn, wieso musste er betrunken am Steuer sitzen? Hätte er nichts getrunken, oder wär nicht mit dem Auto gefahren, dann wäre jetzt sicherlich noch alles in Ordnung.
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